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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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übrigen Zentralbauten möglich ist. Dies
rührt einmal daher, dasz Großbritannien, der
bei weitem größte Kreditgeber unter den
Nationen, stets in der Lage ist, entweder dem
Auslande gewährte Kredite zu kündigen und
im Laufe kurzer Zeit zu mobilisieren, oder
auch nur, neue Kapitalanlagen für kurze Zeit
zu unterlassen; "denn" -- so sagte der englische
Bankdirektor Sir Felix Schuster bor ungefähr
zwei Jahren -- "die Zinsen, die wir von aus¬
wärtigen Kapitalanlagen beziehen, sind so be¬
deutend, daß, wenn wir ein Paar Monate
aufhören, Kapital anzulegen, die Übermittlung
der uns geschuldeten Summen uns von allen
Seiten der Welt Gold bringen wird." Diese
Macht Englands, Gold aus den fremden
Geldplätzen heranzuziehen, wird aber noch
wesentlich verstärkt durch die Tatsache, daß
die Bankiers, die die Zins- oder allgemein
Gewinnunterschiede auf den großen Geld¬
märkten auszunutzen streben, ihr Geld in kein
Land mit weniger Skrupel senden als nach
England, weil sie wissen, daß es ihnen bei
Bedarf jederzeit wieder zur Verfügung steht,
während in anderen Ländern die Zentral¬
bauten der Goldausfuhr bisweilen Schwierig¬
keiten bereiten. Gerade die Freizügigkeit des
englischen Goldes erklärt die Wirksamkeit des
Diskontsatzes der Bank von England auf dein
Weltmarkte. Daß aus einem Diskontkriege
der Zentralbauten die "OldLady" als Siegerin
hervorgeht und die von ihr benötigten Gold¬
mengen herbeizuziehen vermag, hat sich noch
Ende 1907 zur Zeit des amerikanischen Gold¬
hungers deutlich gezeigt.

Erwähnenswert für die Beurteilung der
finanziellen Wehrfähigkeit Englands bleibt
noch, daß der "Angstbedarf" sich dort in viel
bescheideneren Grenzen hält als auf dem
Kontinent, weil das breite Publikum den
Banken größeres Vertrauen entgegenbringt.

Ziehen wir nunmehr das Ergebnis unserer
Ausführungen und des Vergleichs Deutsch¬
lands mit den europäischen Großmächten, so
scheinen in der Tat für Deutschland gewichtige
Gründe vorzuliegen, einen gesonderten Kriegs¬
schatz aufzubewahren und sich im Mobil¬
machungsfalle nicht allein auf die Barreserve
der Reichsbank zu stützen. Wer dieser Auf¬
fassung beitritt, muß auch zugeben, daß in
Anbetracht des gewaltigen Anwachsens der

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Mobilmachungskosten in den letzten Jahr¬
zehnten auch der Kriegsschatz einer Aufbesse¬
rung bedarf, wenn er einigermaßen von Be¬
deutung sein soll. Je größer er ist, um so
weniger braucht die Regierung bei Kriegs¬
ausbruch an den Barvorrat der Reichsbank
zu appellieren, die dann möglichst ungeschwächt
die Anforderungen des Verkehrs schlank be¬
friedigen kann, ohne gleich an die Einstellung
ihrer Ausweise oder gar der Barzahlungen zu
denken. Dann wird das Wirtschaftsleben ini
allgemeinen und der Geldmarkt im besonderen
sich in einem weniger aufgeregten Zustande
befinden und der Staat sich um so leichter
Weitere Geldmittel auf dem Anleihe- oder
auch Steuerwege verschaffen können.

Dr. Peter Aretz i
Nationale Fragen

Mehr Deutschtum in unseren Kolonien.
Unter diesem Titel vertritt Landgerichtsrat
von Pfister in Ur. 24 der Grenzboten die
Forderung nach Umwandlung der in den
Kolonien heimischen Orts- und Landesnamen
in deutsche, um so auch äußerlich den Zu¬
sammenhang zwischen Kolonie und Mutter¬
land fester zu gestalten, Neudeutschland stets
an all die vielen Opfer an Gut und Blut
zu erinnern, durch das eS aus einem Nichts
zu einem Etwas wurde. So sehr man
auch dem Grundgedanken dieser Forderung
zustimmen kann, dürfte doch seine Durch¬
führung in recht vielen Fällen nicht im Inter¬
esse der Kolonien liegen. Denn mit einer
großen Zahl von Orten und Landschaften
verbindet sich eine solche Fülle von geschichtlichen
Erinnerungen, die verblassen müßten, würde
man den Plätzen deutsche Namen geben.
Es sei nur an die zahllosen Gefechtsstellen
in Südwestafrika erinnert, deren Boden mit
dem Blut deutscher Helden getränkt und er¬
kauft worden ist. Was würde verloren gehen,
wenn Groß-Nahas, berühmt für alle Zeit
durch das mehr als dreitägige heiße Ringen
um die ersehnten Wasserstellen, einen anderen
Namen erhielte, oder Okahandja, das man
in einem Atem mit der Kompanie desHaupt-
manns Franke nennt I Und würde es in der
Heimat nicht gerade so sein? Was würden
wir uns etwa unter der Schlacht von "Ehren-

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übrigen Zentralbauten möglich ist. Dies
rührt einmal daher, dasz Großbritannien, der
bei weitem größte Kreditgeber unter den
Nationen, stets in der Lage ist, entweder dem
Auslande gewährte Kredite zu kündigen und
im Laufe kurzer Zeit zu mobilisieren, oder
auch nur, neue Kapitalanlagen für kurze Zeit
zu unterlassen; „denn" — so sagte der englische
Bankdirektor Sir Felix Schuster bor ungefähr
zwei Jahren — „die Zinsen, die wir von aus¬
wärtigen Kapitalanlagen beziehen, sind so be¬
deutend, daß, wenn wir ein Paar Monate
aufhören, Kapital anzulegen, die Übermittlung
der uns geschuldeten Summen uns von allen
Seiten der Welt Gold bringen wird." Diese
Macht Englands, Gold aus den fremden
Geldplätzen heranzuziehen, wird aber noch
wesentlich verstärkt durch die Tatsache, daß
die Bankiers, die die Zins- oder allgemein
Gewinnunterschiede auf den großen Geld¬
märkten auszunutzen streben, ihr Geld in kein
Land mit weniger Skrupel senden als nach
England, weil sie wissen, daß es ihnen bei
Bedarf jederzeit wieder zur Verfügung steht,
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bauten der Goldausfuhr bisweilen Schwierig¬
keiten bereiten. Gerade die Freizügigkeit des
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Diskontsatzes der Bank von England auf dein
Weltmarkte. Daß aus einem Diskontkriege
der Zentralbauten die „OldLady" als Siegerin
hervorgeht und die von ihr benötigten Gold¬
mengen herbeizuziehen vermag, hat sich noch
Ende 1907 zur Zeit des amerikanischen Gold¬
hungers deutlich gezeigt.

Erwähnenswert für die Beurteilung der
finanziellen Wehrfähigkeit Englands bleibt
noch, daß der „Angstbedarf" sich dort in viel
bescheideneren Grenzen hält als auf dem
Kontinent, weil das breite Publikum den
Banken größeres Vertrauen entgegenbringt.

Ziehen wir nunmehr das Ergebnis unserer
Ausführungen und des Vergleichs Deutsch¬
lands mit den europäischen Großmächten, so
scheinen in der Tat für Deutschland gewichtige
Gründe vorzuliegen, einen gesonderten Kriegs¬
schatz aufzubewahren und sich im Mobil¬
machungsfalle nicht allein auf die Barreserve
der Reichsbank zu stützen. Wer dieser Auf¬
fassung beitritt, muß auch zugeben, daß in
Anbetracht des gewaltigen Anwachsens der

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Mobilmachungskosten in den letzten Jahr¬
zehnten auch der Kriegsschatz einer Aufbesse¬
rung bedarf, wenn er einigermaßen von Be¬
deutung sein soll. Je größer er ist, um so
weniger braucht die Regierung bei Kriegs¬
ausbruch an den Barvorrat der Reichsbank
zu appellieren, die dann möglichst ungeschwächt
die Anforderungen des Verkehrs schlank be¬
friedigen kann, ohne gleich an die Einstellung
ihrer Ausweise oder gar der Barzahlungen zu
denken. Dann wird das Wirtschaftsleben ini
allgemeinen und der Geldmarkt im besonderen
sich in einem weniger aufgeregten Zustande
befinden und der Staat sich um so leichter
Weitere Geldmittel auf dem Anleihe- oder
auch Steuerwege verschaffen können.

Dr. Peter Aretz i
Nationale Fragen

Mehr Deutschtum in unseren Kolonien.
Unter diesem Titel vertritt Landgerichtsrat
von Pfister in Ur. 24 der Grenzboten die
Forderung nach Umwandlung der in den
Kolonien heimischen Orts- und Landesnamen
in deutsche, um so auch äußerlich den Zu¬
sammenhang zwischen Kolonie und Mutter¬
land fester zu gestalten, Neudeutschland stets
an all die vielen Opfer an Gut und Blut
zu erinnern, durch das eS aus einem Nichts
zu einem Etwas wurde. So sehr man
auch dem Grundgedanken dieser Forderung
zustimmen kann, dürfte doch seine Durch¬
führung in recht vielen Fällen nicht im Inter¬
esse der Kolonien liegen. Denn mit einer
großen Zahl von Orten und Landschaften
verbindet sich eine solche Fülle von geschichtlichen
Erinnerungen, die verblassen müßten, würde
man den Plätzen deutsche Namen geben.
Es sei nur an die zahllosen Gefechtsstellen
in Südwestafrika erinnert, deren Boden mit
dem Blut deutscher Helden getränkt und er¬
kauft worden ist. Was würde verloren gehen,
wenn Groß-Nahas, berühmt für alle Zeit
durch das mehr als dreitägige heiße Ringen
um die ersehnten Wasserstellen, einen anderen
Namen erhielte, oder Okahandja, das man
in einem Atem mit der Kompanie desHaupt-
manns Franke nennt I Und würde es in der
Heimat nicht gerade so sein? Was würden
wir uns etwa unter der Schlacht von „Ehren-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/102>, abgerufen am 27.12.2024.