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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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wurde --, um ihn nutzbar zu machen, schon
in Friedenszeiten an die Reichsbank abge¬
führt*), so würde die dadurch bewirkte Kräf¬
tigung des Bankstatus unsere Geschäftswelt
vielleicht zuversichtlicher und wagemutiger
machen, d. h. sie würde mit größerem Kredit¬
begehr an das Institut herantreten, ohne zu
bedenken, daß diesem eine lediglich für den
moment suprSme cle Is Nation bestimmte
Reserve überwiesen worden ist. Vielleicht
bestände auch die Gefahr, daß die Reichs¬
bankleitung eine weniger straffe Diskontpolitik
beobachten und infolgedessen das gewonnene
Gold durch Abfluß ins Ausland wieder zer¬
rinnen würde. Und was den internationalen
Verkehr anlangt, so ist Frankreich viel weniger
in die Weltwirtschaft verflochten als wir, und
dementsprechend wird der Barvorrat der
Bank von Frankreich viel weniger von den
internationalen Geldströmungen und Kon-
junkturwellen in Mitleidenschaft gezogen wie
die ihrer deutschen Kollegin.

Ähnliches was von Frankreich gilt, läßt
sich auch auf Rußland anwenden. Der Bar¬
schatz der russischen Staatsbank beträgt un¬
gefähr ebensoviel wie der des französischen
Zentralnoteninstituts, und Helfferich hat nach¬
gewiesen, daß die Finanzverwaltung des
Zarenreiches zur Zeit des russisch-japanischen
Krieges einen starken Rückhalt an den Edel¬
metallmassen der Staatsbank hatte, während
Japan infolge der Geringfügigkeit des Bar¬
bestandes seiner Zentralbank in seiner Be¬
wegungsfreiheit beengt war. Auch die Russische
Staatsbank hat weder einen so großen in¬
ländischen Kreditbedarf zu befriedigen, noch
wird sie von den ausländischen Geldfluktua¬
tionen so nachhaltig beeinflußt wie unsere
Reichsbank.

Hinter diesen mächtigen finanziellen Kriegs¬
reserven der Zweibundstaaten stehen die unserer
Verbündeten Österreich-Ungarn und Italien

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weit zurück. Die Zentralbauten beider Länder
bewahren nämlich einen Barvorrat von un¬
gefähr gleicher Größe wie den unserer Reichs¬
bank auf. Allerdings ist die Position dieser
Banken insofern stärker als die der Reichs¬
bank, als auch sie vom nationalen und inter¬
nationalen Verkehr erheblich weniger in An¬
spruch genommen werden.

Einer näheren Prüfung bedürfen die eng¬
lischen Verhältnisse. Die Metallreserve der
Bank von England ist beträchtlich kleiner wie
die ihres deutschen Schwesterinstituts; sie be¬
trägt nämlich nicht mehr als 800 Millionen
Mark, davon nur wenige Millionen Silber.
Zwar betreibt die Bank von England kein so
umfangreiches Leihgeschäft wie die Neichsbank,
desto mehr wird sie ober von den Bewegungen
des internationalen Geldmarktes betroffen,
dessen Mittelpunkt London auch heute noch
bildet. Ein irgendwo in der Welt auftretender
Edelmetallbegchr macht sich hier zunächst be¬
merkbar. Es fragt sich nur, ob der Bar¬
vorrat der Bank von England nicht zu
schmächtig ist, um bei den fortwährenden Gold¬
abzapfungen, die er zu erleiden hat, auch als
wirksame finanzielle Kriegsreserve dienen zu
können? Diese Frage wird vielfach bejaht.
Untersuchen wir aber die Verhältnisse näher,
so werden wir finden, daß der Barbestand
der Bank von England mit dem ihrer kon¬
tinentalen Kolleginnen nicht ohne weiteres ver¬
gleichbar ist, weil er sich jederzeit viel leichter
ergänzen läßt. Mehrere Ursachen kommen
hierfür in Betracht*). Zunächst vermag die
Bank von England besser als ihre kontinen¬
talen Schwestern von dem in London mün¬
denden Strome neugewonnenen Goldes --
gegenwärtig im Betrage von etwa 1 Million
Pfd. Sterl. jede Woche -- einen mehr oder
wemger großen Zweig in ihre Keller zu leiten,
wenn sie nur einen genügend hohen Preis
zahlen will. Dazu kommt, daß die Bank
von England sich Gold von den großen Geld¬
zentren leichter verschaffen kann, als eS den

[Ende Spaltensatz]
*) Im Mobilmachungsfalle wird natürlich
der Kriegsschatz zum größten Teile -- d. h.
Wenigstens insoweit der Staat nicht seine
Zahlungen in Hartgold zu leisten hat, wie
die Löhnung der Truppen, sondern sich seiner
Verpflichtungen in Banknoten entledigen kann
-- der Reichsbank anvertraut, die daraufhin
den dreifachen Betrag in Noten ausgeben darf.
*) Die Gründe für die verhältnismäßig
leichte Auffüllbarkeit des Barvorrates der Bank
von England werden ausführlich erörtert in
dem am 1. Juli d. I im Bank-Archiv er¬
schienenen Artikel des Verfassers: "Die Gold-
reserve der Bank von England".
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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wurde —, um ihn nutzbar zu machen, schon
in Friedenszeiten an die Reichsbank abge¬
führt*), so würde die dadurch bewirkte Kräf¬
tigung des Bankstatus unsere Geschäftswelt
vielleicht zuversichtlicher und wagemutiger
machen, d. h. sie würde mit größerem Kredit¬
begehr an das Institut herantreten, ohne zu
bedenken, daß diesem eine lediglich für den
moment suprSme cle Is Nation bestimmte
Reserve überwiesen worden ist. Vielleicht
bestände auch die Gefahr, daß die Reichs¬
bankleitung eine weniger straffe Diskontpolitik
beobachten und infolgedessen das gewonnene
Gold durch Abfluß ins Ausland wieder zer¬
rinnen würde. Und was den internationalen
Verkehr anlangt, so ist Frankreich viel weniger
in die Weltwirtschaft verflochten als wir, und
dementsprechend wird der Barvorrat der
Bank von Frankreich viel weniger von den
internationalen Geldströmungen und Kon-
junkturwellen in Mitleidenschaft gezogen wie
die ihrer deutschen Kollegin.

Ähnliches was von Frankreich gilt, läßt
sich auch auf Rußland anwenden. Der Bar¬
schatz der russischen Staatsbank beträgt un¬
gefähr ebensoviel wie der des französischen
Zentralnoteninstituts, und Helfferich hat nach¬
gewiesen, daß die Finanzverwaltung des
Zarenreiches zur Zeit des russisch-japanischen
Krieges einen starken Rückhalt an den Edel¬
metallmassen der Staatsbank hatte, während
Japan infolge der Geringfügigkeit des Bar¬
bestandes seiner Zentralbank in seiner Be¬
wegungsfreiheit beengt war. Auch die Russische
Staatsbank hat weder einen so großen in¬
ländischen Kreditbedarf zu befriedigen, noch
wird sie von den ausländischen Geldfluktua¬
tionen so nachhaltig beeinflußt wie unsere
Reichsbank.

Hinter diesen mächtigen finanziellen Kriegs¬
reserven der Zweibundstaaten stehen die unserer
Verbündeten Österreich-Ungarn und Italien

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weit zurück. Die Zentralbauten beider Länder
bewahren nämlich einen Barvorrat von un¬
gefähr gleicher Größe wie den unserer Reichs¬
bank auf. Allerdings ist die Position dieser
Banken insofern stärker als die der Reichs¬
bank, als auch sie vom nationalen und inter¬
nationalen Verkehr erheblich weniger in An¬
spruch genommen werden.

Einer näheren Prüfung bedürfen die eng¬
lischen Verhältnisse. Die Metallreserve der
Bank von England ist beträchtlich kleiner wie
die ihres deutschen Schwesterinstituts; sie be¬
trägt nämlich nicht mehr als 800 Millionen
Mark, davon nur wenige Millionen Silber.
Zwar betreibt die Bank von England kein so
umfangreiches Leihgeschäft wie die Neichsbank,
desto mehr wird sie ober von den Bewegungen
des internationalen Geldmarktes betroffen,
dessen Mittelpunkt London auch heute noch
bildet. Ein irgendwo in der Welt auftretender
Edelmetallbegchr macht sich hier zunächst be¬
merkbar. Es fragt sich nur, ob der Bar¬
vorrat der Bank von England nicht zu
schmächtig ist, um bei den fortwährenden Gold¬
abzapfungen, die er zu erleiden hat, auch als
wirksame finanzielle Kriegsreserve dienen zu
können? Diese Frage wird vielfach bejaht.
Untersuchen wir aber die Verhältnisse näher,
so werden wir finden, daß der Barbestand
der Bank von England mit dem ihrer kon¬
tinentalen Kolleginnen nicht ohne weiteres ver¬
gleichbar ist, weil er sich jederzeit viel leichter
ergänzen läßt. Mehrere Ursachen kommen
hierfür in Betracht*). Zunächst vermag die
Bank von England besser als ihre kontinen¬
talen Schwestern von dem in London mün¬
denden Strome neugewonnenen Goldes —
gegenwärtig im Betrage von etwa 1 Million
Pfd. Sterl. jede Woche — einen mehr oder
wemger großen Zweig in ihre Keller zu leiten,
wenn sie nur einen genügend hohen Preis
zahlen will. Dazu kommt, daß die Bank
von England sich Gold von den großen Geld¬
zentren leichter verschaffen kann, als eS den

[Ende Spaltensatz]
*) Im Mobilmachungsfalle wird natürlich
der Kriegsschatz zum größten Teile — d. h.
Wenigstens insoweit der Staat nicht seine
Zahlungen in Hartgold zu leisten hat, wie
die Löhnung der Truppen, sondern sich seiner
Verpflichtungen in Banknoten entledigen kann
— der Reichsbank anvertraut, die daraufhin
den dreifachen Betrag in Noten ausgeben darf.
*) Die Gründe für die verhältnismäßig
leichte Auffüllbarkeit des Barvorrates der Bank
von England werden ausführlich erörtert in
dem am 1. Juli d. I im Bank-Archiv er¬
schienenen Artikel des Verfassers: „Die Gold-
reserve der Bank von England".
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[0101] Maßgebliches und Unmaßgebliches wurde —, um ihn nutzbar zu machen, schon in Friedenszeiten an die Reichsbank abge¬ führt*), so würde die dadurch bewirkte Kräf¬ tigung des Bankstatus unsere Geschäftswelt vielleicht zuversichtlicher und wagemutiger machen, d. h. sie würde mit größerem Kredit¬ begehr an das Institut herantreten, ohne zu bedenken, daß diesem eine lediglich für den moment suprSme cle Is Nation bestimmte Reserve überwiesen worden ist. Vielleicht bestände auch die Gefahr, daß die Reichs¬ bankleitung eine weniger straffe Diskontpolitik beobachten und infolgedessen das gewonnene Gold durch Abfluß ins Ausland wieder zer¬ rinnen würde. Und was den internationalen Verkehr anlangt, so ist Frankreich viel weniger in die Weltwirtschaft verflochten als wir, und dementsprechend wird der Barvorrat der Bank von Frankreich viel weniger von den internationalen Geldströmungen und Kon- junkturwellen in Mitleidenschaft gezogen wie die ihrer deutschen Kollegin. Ähnliches was von Frankreich gilt, läßt sich auch auf Rußland anwenden. Der Bar¬ schatz der russischen Staatsbank beträgt un¬ gefähr ebensoviel wie der des französischen Zentralnoteninstituts, und Helfferich hat nach¬ gewiesen, daß die Finanzverwaltung des Zarenreiches zur Zeit des russisch-japanischen Krieges einen starken Rückhalt an den Edel¬ metallmassen der Staatsbank hatte, während Japan infolge der Geringfügigkeit des Bar¬ bestandes seiner Zentralbank in seiner Be¬ wegungsfreiheit beengt war. Auch die Russische Staatsbank hat weder einen so großen in¬ ländischen Kreditbedarf zu befriedigen, noch wird sie von den ausländischen Geldfluktua¬ tionen so nachhaltig beeinflußt wie unsere Reichsbank. Hinter diesen mächtigen finanziellen Kriegs¬ reserven der Zweibundstaaten stehen die unserer Verbündeten Österreich-Ungarn und Italien weit zurück. Die Zentralbauten beider Länder bewahren nämlich einen Barvorrat von un¬ gefähr gleicher Größe wie den unserer Reichs¬ bank auf. Allerdings ist die Position dieser Banken insofern stärker als die der Reichs¬ bank, als auch sie vom nationalen und inter¬ nationalen Verkehr erheblich weniger in An¬ spruch genommen werden. Einer näheren Prüfung bedürfen die eng¬ lischen Verhältnisse. Die Metallreserve der Bank von England ist beträchtlich kleiner wie die ihres deutschen Schwesterinstituts; sie be¬ trägt nämlich nicht mehr als 800 Millionen Mark, davon nur wenige Millionen Silber. Zwar betreibt die Bank von England kein so umfangreiches Leihgeschäft wie die Neichsbank, desto mehr wird sie ober von den Bewegungen des internationalen Geldmarktes betroffen, dessen Mittelpunkt London auch heute noch bildet. Ein irgendwo in der Welt auftretender Edelmetallbegchr macht sich hier zunächst be¬ merkbar. Es fragt sich nur, ob der Bar¬ vorrat der Bank von England nicht zu schmächtig ist, um bei den fortwährenden Gold¬ abzapfungen, die er zu erleiden hat, auch als wirksame finanzielle Kriegsreserve dienen zu können? Diese Frage wird vielfach bejaht. Untersuchen wir aber die Verhältnisse näher, so werden wir finden, daß der Barbestand der Bank von England mit dem ihrer kon¬ tinentalen Kolleginnen nicht ohne weiteres ver¬ gleichbar ist, weil er sich jederzeit viel leichter ergänzen läßt. Mehrere Ursachen kommen hierfür in Betracht*). Zunächst vermag die Bank von England besser als ihre kontinen¬ talen Schwestern von dem in London mün¬ denden Strome neugewonnenen Goldes — gegenwärtig im Betrage von etwa 1 Million Pfd. Sterl. jede Woche — einen mehr oder wemger großen Zweig in ihre Keller zu leiten, wenn sie nur einen genügend hohen Preis zahlen will. Dazu kommt, daß die Bank von England sich Gold von den großen Geld¬ zentren leichter verschaffen kann, als eS den *) Im Mobilmachungsfalle wird natürlich der Kriegsschatz zum größten Teile — d. h. Wenigstens insoweit der Staat nicht seine Zahlungen in Hartgold zu leisten hat, wie die Löhnung der Truppen, sondern sich seiner Verpflichtungen in Banknoten entledigen kann — der Reichsbank anvertraut, die daraufhin den dreifachen Betrag in Noten ausgeben darf. *) Die Gründe für die verhältnismäßig leichte Auffüllbarkeit des Barvorrates der Bank von England werden ausführlich erörtert in dem am 1. Juli d. I im Bank-Archiv er¬ schienenen Artikel des Verfassers: „Die Gold- reserve der Bank von England".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/101>, abgerufen am 19.10.2024.