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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation

In diesen Tatsachen liege die wirtschaftliche Überlegenheit der großen
Güter begründet. Diese These finde ihre Bestätigung in der geringen Höhe
der von den Ansiedlern bezahlten Renten, die nach genauer Berechnung für
alle bis Ende 1910 ausgelegten Stellen für den Hektar 25,45 oder für den
Morgen 6,36 Mark, für die nach 1904, also zur Zeit der höheren Güterpreise,
aufgeteilten Güter für den Hektar 31,90 oder 7,97 Mark für den Morgen be¬
trügen. Im Großbetrieb würden, sobald die Vorbedingungen sür einen inten¬
siven Betrieb gegeben seien, und bei befriedigenden Kulturzustande Reinertrage
erzielt, die die üblichen Ansiedlerrenten um das Vierfache, ja noch mehr, über¬
träfen. Aus allen diesen Gründen hält sich der Verfasser für berechtigt, die
Ansiedler als Staatspensionäre auf Kosten der Allgemeinheit zu bezeichnen, ti.e
Verdoppelung oder Verdreifachung der bisherigen Renten zu fordern und die
Fortsetzung der Ansiedlungspolitik als eine kostspielige Entwertung des Grund
und Bodens zu bezeichnen.

Mit diesen scharfen Anklagen hätte der Verfasser etwas vorsichtiger sein
sollen. Durch seine Gegenüberstellung der aus einzelnen Großbetrieben erzielten
Reinertrage und der Ansiedlerrenten hat Herr von Chlapowski allen seinen
Darlegungen den Boden entzogen. Eine Vergleichung von Rente und Rein¬
ertrag ist unzulässig. Die Ansiedlerrente wird lediglich vom Grund und Boden
entrichtet. Rechnet man mit dem Verfasser (Seite 273) für die Gebäude einer
15 Hektar großen Stelle 9000 Mark, außerdem für Inventar und Betriebs¬
kapital 5000 Mark, so hat der Ansiedler außer der Staatsrente noch die gesetz¬
lichen Zinsen von 9000 5000 ----- 14 000 Mark, also 560 Mark aufzubringen;
die ihm obliegende Last beträgt also für den Hektar noch 37,33 Mark, zusammen
31,90 -I- 37.33 69,23 Mark. Das wäre weit mehr als das Doppelte der
jetzt zu zahlenden Rente, während Herr von Chlapowski ja äußersten Falles
schon mit dem Doppelten zufrieden ist. Ob der Ansiedler die Kosten für Ge¬
bäude und Inventar usw. voll bezahlt hat oder ob er sie noch verzinst, ist
natürlich gleichgültig. Oder verlangt der Herr Verfasser vielleicht, daß sich die
Ansiedler die Zinsen für Gebäude und Betriebskapital nicht anrechnen lassen
sollen? Das wäre neu! Wollte man den vom Verfasser angegebenen Höchst¬
satz, d. h. das Dreifache von 31.90 ----- 95.70 Mark als Rente festsetzen, so
würde man dem Ansiedler nicht nur jeden Reinertrag, sondern auch seinen
Arbeitsverdienst ganz oder zum größeren Teil entziehen. Dann würden sich
schwerlich noch Bewerber um Ansiedlungsstellen finden. Damit wäre den
Bestrebungen des Herrn von Chlapowski allerdings am erfolgreichsten gedient.

Nach alledem ist die eine der beiden gegenübergestellten Zahlen unrichtig,*)



Sie ist auch deshalb unrichtig, weil Verfasser bei Ermittlung der Ansiedlerrenten die
ganze Hektarenzahl durch Stellen einschließlich Urland, Heide, Wald, Moor in Rechnung stellt,
bei den vier Gutsbetrieben nur die landwirtschaftlich benutzten Flächen (S. 288,298,290). Seine
Angaben sind auch insofern mangelhaft, als die Renten aus den letzten Jahren nicht angegeben
werden; eS ist als sicher anzunehmen, daß sie der Preissteigerung entsprechend höher angesetzt sind.
Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation

In diesen Tatsachen liege die wirtschaftliche Überlegenheit der großen
Güter begründet. Diese These finde ihre Bestätigung in der geringen Höhe
der von den Ansiedlern bezahlten Renten, die nach genauer Berechnung für
alle bis Ende 1910 ausgelegten Stellen für den Hektar 25,45 oder für den
Morgen 6,36 Mark, für die nach 1904, also zur Zeit der höheren Güterpreise,
aufgeteilten Güter für den Hektar 31,90 oder 7,97 Mark für den Morgen be¬
trügen. Im Großbetrieb würden, sobald die Vorbedingungen sür einen inten¬
siven Betrieb gegeben seien, und bei befriedigenden Kulturzustande Reinertrage
erzielt, die die üblichen Ansiedlerrenten um das Vierfache, ja noch mehr, über¬
träfen. Aus allen diesen Gründen hält sich der Verfasser für berechtigt, die
Ansiedler als Staatspensionäre auf Kosten der Allgemeinheit zu bezeichnen, ti.e
Verdoppelung oder Verdreifachung der bisherigen Renten zu fordern und die
Fortsetzung der Ansiedlungspolitik als eine kostspielige Entwertung des Grund
und Bodens zu bezeichnen.

Mit diesen scharfen Anklagen hätte der Verfasser etwas vorsichtiger sein
sollen. Durch seine Gegenüberstellung der aus einzelnen Großbetrieben erzielten
Reinertrage und der Ansiedlerrenten hat Herr von Chlapowski allen seinen
Darlegungen den Boden entzogen. Eine Vergleichung von Rente und Rein¬
ertrag ist unzulässig. Die Ansiedlerrente wird lediglich vom Grund und Boden
entrichtet. Rechnet man mit dem Verfasser (Seite 273) für die Gebäude einer
15 Hektar großen Stelle 9000 Mark, außerdem für Inventar und Betriebs¬
kapital 5000 Mark, so hat der Ansiedler außer der Staatsrente noch die gesetz¬
lichen Zinsen von 9000 5000 ----- 14 000 Mark, also 560 Mark aufzubringen;
die ihm obliegende Last beträgt also für den Hektar noch 37,33 Mark, zusammen
31,90 -I- 37.33 69,23 Mark. Das wäre weit mehr als das Doppelte der
jetzt zu zahlenden Rente, während Herr von Chlapowski ja äußersten Falles
schon mit dem Doppelten zufrieden ist. Ob der Ansiedler die Kosten für Ge¬
bäude und Inventar usw. voll bezahlt hat oder ob er sie noch verzinst, ist
natürlich gleichgültig. Oder verlangt der Herr Verfasser vielleicht, daß sich die
Ansiedler die Zinsen für Gebäude und Betriebskapital nicht anrechnen lassen
sollen? Das wäre neu! Wollte man den vom Verfasser angegebenen Höchst¬
satz, d. h. das Dreifache von 31.90 ----- 95.70 Mark als Rente festsetzen, so
würde man dem Ansiedler nicht nur jeden Reinertrag, sondern auch seinen
Arbeitsverdienst ganz oder zum größeren Teil entziehen. Dann würden sich
schwerlich noch Bewerber um Ansiedlungsstellen finden. Damit wäre den
Bestrebungen des Herrn von Chlapowski allerdings am erfolgreichsten gedient.

Nach alledem ist die eine der beiden gegenübergestellten Zahlen unrichtig,*)



Sie ist auch deshalb unrichtig, weil Verfasser bei Ermittlung der Ansiedlerrenten die
ganze Hektarenzahl durch Stellen einschließlich Urland, Heide, Wald, Moor in Rechnung stellt,
bei den vier Gutsbetrieben nur die landwirtschaftlich benutzten Flächen (S. 288,298,290). Seine
Angaben sind auch insofern mangelhaft, als die Renten aus den letzten Jahren nicht angegeben
werden; eS ist als sicher anzunehmen, daß sie der Preissteigerung entsprechend höher angesetzt sind.
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[0082] Schon wieder ein Gegner der inneren Kolonisation In diesen Tatsachen liege die wirtschaftliche Überlegenheit der großen Güter begründet. Diese These finde ihre Bestätigung in der geringen Höhe der von den Ansiedlern bezahlten Renten, die nach genauer Berechnung für alle bis Ende 1910 ausgelegten Stellen für den Hektar 25,45 oder für den Morgen 6,36 Mark, für die nach 1904, also zur Zeit der höheren Güterpreise, aufgeteilten Güter für den Hektar 31,90 oder 7,97 Mark für den Morgen be¬ trügen. Im Großbetrieb würden, sobald die Vorbedingungen sür einen inten¬ siven Betrieb gegeben seien, und bei befriedigenden Kulturzustande Reinertrage erzielt, die die üblichen Ansiedlerrenten um das Vierfache, ja noch mehr, über¬ träfen. Aus allen diesen Gründen hält sich der Verfasser für berechtigt, die Ansiedler als Staatspensionäre auf Kosten der Allgemeinheit zu bezeichnen, ti.e Verdoppelung oder Verdreifachung der bisherigen Renten zu fordern und die Fortsetzung der Ansiedlungspolitik als eine kostspielige Entwertung des Grund und Bodens zu bezeichnen. Mit diesen scharfen Anklagen hätte der Verfasser etwas vorsichtiger sein sollen. Durch seine Gegenüberstellung der aus einzelnen Großbetrieben erzielten Reinertrage und der Ansiedlerrenten hat Herr von Chlapowski allen seinen Darlegungen den Boden entzogen. Eine Vergleichung von Rente und Rein¬ ertrag ist unzulässig. Die Ansiedlerrente wird lediglich vom Grund und Boden entrichtet. Rechnet man mit dem Verfasser (Seite 273) für die Gebäude einer 15 Hektar großen Stelle 9000 Mark, außerdem für Inventar und Betriebs¬ kapital 5000 Mark, so hat der Ansiedler außer der Staatsrente noch die gesetz¬ lichen Zinsen von 9000 5000 ----- 14 000 Mark, also 560 Mark aufzubringen; die ihm obliegende Last beträgt also für den Hektar noch 37,33 Mark, zusammen 31,90 -I- 37.33 69,23 Mark. Das wäre weit mehr als das Doppelte der jetzt zu zahlenden Rente, während Herr von Chlapowski ja äußersten Falles schon mit dem Doppelten zufrieden ist. Ob der Ansiedler die Kosten für Ge¬ bäude und Inventar usw. voll bezahlt hat oder ob er sie noch verzinst, ist natürlich gleichgültig. Oder verlangt der Herr Verfasser vielleicht, daß sich die Ansiedler die Zinsen für Gebäude und Betriebskapital nicht anrechnen lassen sollen? Das wäre neu! Wollte man den vom Verfasser angegebenen Höchst¬ satz, d. h. das Dreifache von 31.90 ----- 95.70 Mark als Rente festsetzen, so würde man dem Ansiedler nicht nur jeden Reinertrag, sondern auch seinen Arbeitsverdienst ganz oder zum größeren Teil entziehen. Dann würden sich schwerlich noch Bewerber um Ansiedlungsstellen finden. Damit wäre den Bestrebungen des Herrn von Chlapowski allerdings am erfolgreichsten gedient. Nach alledem ist die eine der beiden gegenübergestellten Zahlen unrichtig,*) Sie ist auch deshalb unrichtig, weil Verfasser bei Ermittlung der Ansiedlerrenten die ganze Hektarenzahl durch Stellen einschließlich Urland, Heide, Wald, Moor in Rechnung stellt, bei den vier Gutsbetrieben nur die landwirtschaftlich benutzten Flächen (S. 288,298,290). Seine Angaben sind auch insofern mangelhaft, als die Renten aus den letzten Jahren nicht angegeben werden; eS ist als sicher anzunehmen, daß sie der Preissteigerung entsprechend höher angesetzt sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/82>, abgerufen am 22.12.2024.