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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Aunst

Eine nationale Porträtgalerie. Ein
Plan, der fast so alt ist wie das Deutsche
Reich, ist jetzt endlich zur Ausführung gelangt.
Bereits 1872 und im folgenden Jahre forderte
Kaiser Wilhelm der Erste zu wiederholten
Malen den Kultusminister auf, Vorbereitungen
zu treffen zur Einrichtung einer Bildnis¬
galerie, "um der Nation ihre großen Männer
und deren Wirksamkeit gegenwärtig zu er¬
halten. Seine Majestät beklagte, daß z. B.
von Stein, Hardenberg, Humboldt sich nir¬
gends Porträts fänden." Ein Gutachten über
eine solche Sammlung arbeitete im Auftrage
des Ministers Leopold von Ranke aus. Eigene
Räume in der gerade damals im Bau be¬
findlichen Nationalgalerie sollten zur Aufnahme
und wirkungsvollen Gruppierung der Bild¬
nisse geschaffen werden. Da jedoch die ein¬
zigen hierfür geeigneten Säle schon für die
Corneliusschen Kartons vorausbestimmt waren
und andere Räumlichkeiten nicht zur Ver¬
fügung standen, geriet die ganze Angelegen¬
heit ins Stocken, und zwar so gründlich, daß
man nicht einmal daran dachte, das Wich¬
tigste -- die Bilder selbst -- anzukaufen.
Damit begann man erst, als im Jahre 1873
der Kronprinz Friedrich Wilhelm als Pro¬
tektor der königlichen Kunstsammlungen die
dringende Mahnung aussprach, endlich den
wirklichen und sichtbaren Anfang zur Rea¬
lisierung eines Planes zu machen, der ihm
sehr am Herzen liege, und den er vor einer
Verschleppung und Versäumnis zu bewahren
wünsche, die in späteren Jahren vielleicht nicht
wieder gutzumachen wäre. Man kaufte und
bestellte nun zwar eine Reihe von Porträts
hervorragender Männer der Diplomatie, des
Militärs, der Künste, der Wissenschaften, der
Technik; aber da man die Kunstwerke nicht
zusammenhängend gruppieren konnte, ver¬
fehlten sie den Zweck, dem sie dienen jollten.
Sie vergrößerten lediglich den Bestand der
Rationalgalerie. Immerhin war doch ein
Grundstock vorhanden, auf dem man hätte
weiterbauen können. Aber schon nach diesem
ersten Schritte blieb man wieder im Sande
stecken. Dreißig Jahre lang geschah -- außer
gelegentlichen Erwerbungen von Porträts --
in der Sache nichts, bis 1907 der General¬

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direktor Bode dem Abgcordnetenhnuse ein
Programm über die Entwicklung der könig¬
lichen Museen und die Entlastung einzelner
Abteilungen vorlegte. Darin war auch aus
den alten, fast vergessenen Plan zurückgegriffen.
Direktor Justi machte 1910 dem Kultusminister
den Vorschlag, die Porträts bedentender Per¬
sönlichkeiten aus der Nationalgalerie auszu¬
scheiden und in der Schinkelschen Banakademie
zu einer Bildnissammlung zu vereinigen.
Der Antrag fand die Zustimmung der ma߬
gebenden Instanzen. Somit war die Platz¬
frage befriedigend gelöst. Vom Landtage,
wo man die Vorlage verständnisvoll begrüßte,
wurden die zur Einrichtung der neuen Galerie
geforderten Mittel bewilligt, so daß die
"Bildnissammlung der königlichen Nntional-
galerie" zum Regierungsjubiläum des Kaisers
eröffnet werden konnte.

Freilich -- das sei gleich vorneweg be¬
tont --, was uns jetzt geboten wird, das
"darf durchaus nur als Anfang betrachtet
werden, als Versprechen". In diesem Sinne
will es Justi auch ausdrücklich aufgefaßt
wissen. "Nach dem Interesse jedoch, das
Seine Majestät der Kaiser und König, die
königliche Staatsregierung und der Landtag
der Monarchie für den Plan der Bildnis¬
sammlung bewiesen haben, steht zu hoffen,
daß im Laufe der nächsten Jahre weitere
Räume sowie Mittel zum gleichartigen Aus¬
bau der Sammlung bereitgestellt werden "
Diesem Wunsche kann man sich nur nach¬
drücklich anschließen. Auch durch Private
Stiftungen wird die Galerie gewiß manche
Bereicherung erfahren z darf doch jede
Familie stolz darauf sein, wenn das Bild
eines ihrer Angehörigen in diese Galerie aus¬
genommen wird.

Schon in ihrer jetzigen Verfassung macht
die Sammlung beim ersten flüchtigen Rund¬
gang einen durchaus erfreulichen und ver¬
heißungsvoller Eindruck, der sich bei eindrin¬
genderem Betrachten noch steigert. Mit feinem
Empfinden und entschiedenem Erfolg hat Justi
das vorhandene, sehr ungleichartige Material
in den wenigen, beschränkten Räumen verteilt.
Die Aufgabe, für die einzelnen Gruppen den
geeigneten dekorativen Rahmen zu schaffen,
hat der Archuekt der königlichen Museen, Bcm-
inspeklor Wille, reizvoll und diskret gelöst.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Aunst

Eine nationale Porträtgalerie. Ein
Plan, der fast so alt ist wie das Deutsche
Reich, ist jetzt endlich zur Ausführung gelangt.
Bereits 1872 und im folgenden Jahre forderte
Kaiser Wilhelm der Erste zu wiederholten
Malen den Kultusminister auf, Vorbereitungen
zu treffen zur Einrichtung einer Bildnis¬
galerie, „um der Nation ihre großen Männer
und deren Wirksamkeit gegenwärtig zu er¬
halten. Seine Majestät beklagte, daß z. B.
von Stein, Hardenberg, Humboldt sich nir¬
gends Porträts fänden." Ein Gutachten über
eine solche Sammlung arbeitete im Auftrage
des Ministers Leopold von Ranke aus. Eigene
Räume in der gerade damals im Bau be¬
findlichen Nationalgalerie sollten zur Aufnahme
und wirkungsvollen Gruppierung der Bild¬
nisse geschaffen werden. Da jedoch die ein¬
zigen hierfür geeigneten Säle schon für die
Corneliusschen Kartons vorausbestimmt waren
und andere Räumlichkeiten nicht zur Ver¬
fügung standen, geriet die ganze Angelegen¬
heit ins Stocken, und zwar so gründlich, daß
man nicht einmal daran dachte, das Wich¬
tigste — die Bilder selbst — anzukaufen.
Damit begann man erst, als im Jahre 1873
der Kronprinz Friedrich Wilhelm als Pro¬
tektor der königlichen Kunstsammlungen die
dringende Mahnung aussprach, endlich den
wirklichen und sichtbaren Anfang zur Rea¬
lisierung eines Planes zu machen, der ihm
sehr am Herzen liege, und den er vor einer
Verschleppung und Versäumnis zu bewahren
wünsche, die in späteren Jahren vielleicht nicht
wieder gutzumachen wäre. Man kaufte und
bestellte nun zwar eine Reihe von Porträts
hervorragender Männer der Diplomatie, des
Militärs, der Künste, der Wissenschaften, der
Technik; aber da man die Kunstwerke nicht
zusammenhängend gruppieren konnte, ver¬
fehlten sie den Zweck, dem sie dienen jollten.
Sie vergrößerten lediglich den Bestand der
Rationalgalerie. Immerhin war doch ein
Grundstock vorhanden, auf dem man hätte
weiterbauen können. Aber schon nach diesem
ersten Schritte blieb man wieder im Sande
stecken. Dreißig Jahre lang geschah — außer
gelegentlichen Erwerbungen von Porträts —
in der Sache nichts, bis 1907 der General¬

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direktor Bode dem Abgcordnetenhnuse ein
Programm über die Entwicklung der könig¬
lichen Museen und die Entlastung einzelner
Abteilungen vorlegte. Darin war auch aus
den alten, fast vergessenen Plan zurückgegriffen.
Direktor Justi machte 1910 dem Kultusminister
den Vorschlag, die Porträts bedentender Per¬
sönlichkeiten aus der Nationalgalerie auszu¬
scheiden und in der Schinkelschen Banakademie
zu einer Bildnissammlung zu vereinigen.
Der Antrag fand die Zustimmung der ma߬
gebenden Instanzen. Somit war die Platz¬
frage befriedigend gelöst. Vom Landtage,
wo man die Vorlage verständnisvoll begrüßte,
wurden die zur Einrichtung der neuen Galerie
geforderten Mittel bewilligt, so daß die
„Bildnissammlung der königlichen Nntional-
galerie" zum Regierungsjubiläum des Kaisers
eröffnet werden konnte.

Freilich — das sei gleich vorneweg be¬
tont —, was uns jetzt geboten wird, das
„darf durchaus nur als Anfang betrachtet
werden, als Versprechen". In diesem Sinne
will es Justi auch ausdrücklich aufgefaßt
wissen. „Nach dem Interesse jedoch, das
Seine Majestät der Kaiser und König, die
königliche Staatsregierung und der Landtag
der Monarchie für den Plan der Bildnis¬
sammlung bewiesen haben, steht zu hoffen,
daß im Laufe der nächsten Jahre weitere
Räume sowie Mittel zum gleichartigen Aus¬
bau der Sammlung bereitgestellt werden "
Diesem Wunsche kann man sich nur nach¬
drücklich anschließen. Auch durch Private
Stiftungen wird die Galerie gewiß manche
Bereicherung erfahren z darf doch jede
Familie stolz darauf sein, wenn das Bild
eines ihrer Angehörigen in diese Galerie aus¬
genommen wird.

Schon in ihrer jetzigen Verfassung macht
die Sammlung beim ersten flüchtigen Rund¬
gang einen durchaus erfreulichen und ver¬
heißungsvoller Eindruck, der sich bei eindrin¬
genderem Betrachten noch steigert. Mit feinem
Empfinden und entschiedenem Erfolg hat Justi
das vorhandene, sehr ungleichartige Material
in den wenigen, beschränkten Räumen verteilt.
Die Aufgabe, für die einzelnen Gruppen den
geeigneten dekorativen Rahmen zu schaffen,
hat der Archuekt der königlichen Museen, Bcm-
inspeklor Wille, reizvoll und diskret gelöst.

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[0641] Maßgebliches und Unmaßgebliches Aunst Eine nationale Porträtgalerie. Ein Plan, der fast so alt ist wie das Deutsche Reich, ist jetzt endlich zur Ausführung gelangt. Bereits 1872 und im folgenden Jahre forderte Kaiser Wilhelm der Erste zu wiederholten Malen den Kultusminister auf, Vorbereitungen zu treffen zur Einrichtung einer Bildnis¬ galerie, „um der Nation ihre großen Männer und deren Wirksamkeit gegenwärtig zu er¬ halten. Seine Majestät beklagte, daß z. B. von Stein, Hardenberg, Humboldt sich nir¬ gends Porträts fänden." Ein Gutachten über eine solche Sammlung arbeitete im Auftrage des Ministers Leopold von Ranke aus. Eigene Räume in der gerade damals im Bau be¬ findlichen Nationalgalerie sollten zur Aufnahme und wirkungsvollen Gruppierung der Bild¬ nisse geschaffen werden. Da jedoch die ein¬ zigen hierfür geeigneten Säle schon für die Corneliusschen Kartons vorausbestimmt waren und andere Räumlichkeiten nicht zur Ver¬ fügung standen, geriet die ganze Angelegen¬ heit ins Stocken, und zwar so gründlich, daß man nicht einmal daran dachte, das Wich¬ tigste — die Bilder selbst — anzukaufen. Damit begann man erst, als im Jahre 1873 der Kronprinz Friedrich Wilhelm als Pro¬ tektor der königlichen Kunstsammlungen die dringende Mahnung aussprach, endlich den wirklichen und sichtbaren Anfang zur Rea¬ lisierung eines Planes zu machen, der ihm sehr am Herzen liege, und den er vor einer Verschleppung und Versäumnis zu bewahren wünsche, die in späteren Jahren vielleicht nicht wieder gutzumachen wäre. Man kaufte und bestellte nun zwar eine Reihe von Porträts hervorragender Männer der Diplomatie, des Militärs, der Künste, der Wissenschaften, der Technik; aber da man die Kunstwerke nicht zusammenhängend gruppieren konnte, ver¬ fehlten sie den Zweck, dem sie dienen jollten. Sie vergrößerten lediglich den Bestand der Rationalgalerie. Immerhin war doch ein Grundstock vorhanden, auf dem man hätte weiterbauen können. Aber schon nach diesem ersten Schritte blieb man wieder im Sande stecken. Dreißig Jahre lang geschah — außer gelegentlichen Erwerbungen von Porträts — in der Sache nichts, bis 1907 der General¬ direktor Bode dem Abgcordnetenhnuse ein Programm über die Entwicklung der könig¬ lichen Museen und die Entlastung einzelner Abteilungen vorlegte. Darin war auch aus den alten, fast vergessenen Plan zurückgegriffen. Direktor Justi machte 1910 dem Kultusminister den Vorschlag, die Porträts bedentender Per¬ sönlichkeiten aus der Nationalgalerie auszu¬ scheiden und in der Schinkelschen Banakademie zu einer Bildnissammlung zu vereinigen. Der Antrag fand die Zustimmung der ma߬ gebenden Instanzen. Somit war die Platz¬ frage befriedigend gelöst. Vom Landtage, wo man die Vorlage verständnisvoll begrüßte, wurden die zur Einrichtung der neuen Galerie geforderten Mittel bewilligt, so daß die „Bildnissammlung der königlichen Nntional- galerie" zum Regierungsjubiläum des Kaisers eröffnet werden konnte. Freilich — das sei gleich vorneweg be¬ tont —, was uns jetzt geboten wird, das „darf durchaus nur als Anfang betrachtet werden, als Versprechen". In diesem Sinne will es Justi auch ausdrücklich aufgefaßt wissen. „Nach dem Interesse jedoch, das Seine Majestät der Kaiser und König, die königliche Staatsregierung und der Landtag der Monarchie für den Plan der Bildnis¬ sammlung bewiesen haben, steht zu hoffen, daß im Laufe der nächsten Jahre weitere Räume sowie Mittel zum gleichartigen Aus¬ bau der Sammlung bereitgestellt werden " Diesem Wunsche kann man sich nur nach¬ drücklich anschließen. Auch durch Private Stiftungen wird die Galerie gewiß manche Bereicherung erfahren z darf doch jede Familie stolz darauf sein, wenn das Bild eines ihrer Angehörigen in diese Galerie aus¬ genommen wird. Schon in ihrer jetzigen Verfassung macht die Sammlung beim ersten flüchtigen Rund¬ gang einen durchaus erfreulichen und ver¬ heißungsvoller Eindruck, der sich bei eindrin¬ genderem Betrachten noch steigert. Mit feinem Empfinden und entschiedenem Erfolg hat Justi das vorhandene, sehr ungleichartige Material in den wenigen, beschränkten Räumen verteilt. Die Aufgabe, für die einzelnen Gruppen den geeigneten dekorativen Rahmen zu schaffen, hat der Archuekt der königlichen Museen, Bcm- inspeklor Wille, reizvoll und diskret gelöst.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/641>, abgerufen am 27.07.2024.