Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

meist ganz genommen, für etwas größere
Betriebe stark eingeschränkt. Erntet der Ar¬
beiter statt 160 Zentner Kartoffeln beispiels¬
weise nur 90, so muß eine Zuchtsau fort;
auch die zweite am liebsten. Denn die 30
Zentner, die für die Familie, die Ziege, die
Hühner, zuweilen das Schlachtschwein, nicht
gebraucht werden, lassen sich besser durch Ver¬
kauf von Eßkartosseln, als durch Verfütterung
verwerten. 30 Zentner 5 2,60 Mark sind
76 Mark. Soviel ist an der Zuchtsau längst
nicht zu verdienen; denn die Ferkel kosten ja
kein Geld bei der Futterknappheit, nur Arbeit;
sind überhaupt kaum loszuwerden. Also
erstens teure Kartoffeln füttern, womöglich zu¬
laufen, und dann die Ferkel halb verschenken:
das wäre sehr unvorteilhaft. -- Aus solchen
Erwägungen schafft auch der kleine selbstän¬
dige Landwirt aus seinem Schweinebestande
oft zuerst die Zuchtsau fort, deren Fütterung
für längere Zeit keinen Nutzen, sondern Kosten
bringt.

Von größeren Viehverwertungsgenossen¬
schaften kann man erfahren, wieviel gut
brauchbare junge Muttersauen im Herbst 1911
abgeschafft worden sind. Die Zahlen der
großen Schlachtviehmärkte geben kein richtiges
Bild; die schweren Sauen kommen nur zum
Teil dorthin. Die behalten gern die Fleischer
in der Abgabegegend. "Man schätzt mich in
der Steuer nach der Zahl der Tiere, die ich
schlachte," meinte einer, "da komme ich besser
weg, wenn die Schweinchen 4 anstatt 2 Zentner
wiegen".

War durchschnittlich etwa der Oktober 1911
der Termin, zu dein die Sauen von seiten
kleinerer Landwirte wegen Futtermangels
zum Teil abgeschafft wurden -- manche
früher, manche später --, so wurden von ihren
Besitzern vielleicht im Mai 1912, als die
Hoffnung auf bessere Zeit erwachte, Ferkel
gekauft. Aber gewiß nur ein Teil der Leute
tat es in der Absicht, die Ferkelzucht wieder
aufzunehmen; sie ist mühsam und hat zuletzt
Verlust gebracht. Jedenfalls gab es bei
denen, die damit wieder anfingen -- Winter¬
ferkel kränkeln -- zumeist Frühjahr 1913 erst
wieder Ferkel; wenig, weil von Erstlings-
snuen. Wie knapp sie waren und noch sind,
zeigen die Preise; unter 20 Mark wurde aus
der ersten Hand das sechs Wochen alte Tier

[Spaltenumbruch]

bis vor kurzem nicht verkauft; muntere, gesunde
Achtwochenferkel bringen wohl heute noch gut
30 Mark. Viele Landwirte stellen bei solchen
Preisen Schweine zur Mast nicht ein.

Danach ist anzunehmen, daß die Schlacht¬
schweine noch teuer sein werden, wenn die
jetzigen Ferkel als solche heran sind, No¬
vember, Dezember 1913.

Also im Winter 1913/14 hohe Fleisch¬
preise als Nachwirkung der Futtermißernte
1911.

Die Viehzählung in Preußen am 1. De¬
zember 1911 ergab rund 17 250 000
Schweine, die vom 2. Dezember 1912 deren
15 450 000; also 1 800 000 weniger als im
Vorjahr, d.h. 1ip/z Prozent. Die sind im
wesentlichen daran schuld, daß die Preise so
hohe wurden.

Rechnet man durchschnittlich im Jahr von
jedem Muttertier zwölf Ferkel und nimmt
man das Durchschnittsalter der Schweine auf
zwölf Monate an, so ergibt sich, daß das
Fehlen von 160 000 Sauen das Weniger von
1800 000 Schweinen verursacht hat. Wahr¬
scheinlich, daß die Zahl nicht genau stimmt;
es mögen auch 140 000 oder 160 000 feh¬
lende Sauen daran schuld sein. Andere
Gründe aber liegen meines Erachtens nicht
vor; denn die Abschaffung der unreifen
Schweine infolge Futtermangels von 1911
her hatte für Dezember 1912 keinen Ein¬
fluß mehr.

Mir scheint nun diese Zahl von 160 000
Sauen -- auf jede Provinz kommen 12 500,
auf jeden Kreis vielleicht 300 -- nicht groß
im Vergleich zu der Wirkung, die ihr Fehlen
gehabt hat: Anhalten der Fleischteuerung und
Knappheit weit über die Zeit der Futter¬
knappheit hinaus. Allenfalls zwei bis drei
Monate pausieren hätten die braven Tiere
sollen in ihrer Zweckbeschäftigung, Ferkel zur
Welt zu bringen; anstatt dessen wurden sie
tot gemacht. Denen, die sie abgeschafft haben,
war das nicht zu verdenken; so um 4 Mil¬
lionen Mark hätte das Überhalten der
160 000 Tiere Arbeiter und kleinste Landwirte
zunächst Wohl gekostet,weil sie die Nahrung hätten
kaufen müssen und von "nebenher mit durch¬
füttern" in so kleinen Betrieben keine Rede
sein kann. Es müßten sich aber Wohl Ma߬
nahmen durchführen lassen, durch die erreicht

[Ende Spaltensatz]
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

meist ganz genommen, für etwas größere
Betriebe stark eingeschränkt. Erntet der Ar¬
beiter statt 160 Zentner Kartoffeln beispiels¬
weise nur 90, so muß eine Zuchtsau fort;
auch die zweite am liebsten. Denn die 30
Zentner, die für die Familie, die Ziege, die
Hühner, zuweilen das Schlachtschwein, nicht
gebraucht werden, lassen sich besser durch Ver¬
kauf von Eßkartosseln, als durch Verfütterung
verwerten. 30 Zentner 5 2,60 Mark sind
76 Mark. Soviel ist an der Zuchtsau längst
nicht zu verdienen; denn die Ferkel kosten ja
kein Geld bei der Futterknappheit, nur Arbeit;
sind überhaupt kaum loszuwerden. Also
erstens teure Kartoffeln füttern, womöglich zu¬
laufen, und dann die Ferkel halb verschenken:
das wäre sehr unvorteilhaft. — Aus solchen
Erwägungen schafft auch der kleine selbstän¬
dige Landwirt aus seinem Schweinebestande
oft zuerst die Zuchtsau fort, deren Fütterung
für längere Zeit keinen Nutzen, sondern Kosten
bringt.

Von größeren Viehverwertungsgenossen¬
schaften kann man erfahren, wieviel gut
brauchbare junge Muttersauen im Herbst 1911
abgeschafft worden sind. Die Zahlen der
großen Schlachtviehmärkte geben kein richtiges
Bild; die schweren Sauen kommen nur zum
Teil dorthin. Die behalten gern die Fleischer
in der Abgabegegend. „Man schätzt mich in
der Steuer nach der Zahl der Tiere, die ich
schlachte," meinte einer, „da komme ich besser
weg, wenn die Schweinchen 4 anstatt 2 Zentner
wiegen".

War durchschnittlich etwa der Oktober 1911
der Termin, zu dein die Sauen von seiten
kleinerer Landwirte wegen Futtermangels
zum Teil abgeschafft wurden — manche
früher, manche später —, so wurden von ihren
Besitzern vielleicht im Mai 1912, als die
Hoffnung auf bessere Zeit erwachte, Ferkel
gekauft. Aber gewiß nur ein Teil der Leute
tat es in der Absicht, die Ferkelzucht wieder
aufzunehmen; sie ist mühsam und hat zuletzt
Verlust gebracht. Jedenfalls gab es bei
denen, die damit wieder anfingen — Winter¬
ferkel kränkeln — zumeist Frühjahr 1913 erst
wieder Ferkel; wenig, weil von Erstlings-
snuen. Wie knapp sie waren und noch sind,
zeigen die Preise; unter 20 Mark wurde aus
der ersten Hand das sechs Wochen alte Tier

[Spaltenumbruch]

bis vor kurzem nicht verkauft; muntere, gesunde
Achtwochenferkel bringen wohl heute noch gut
30 Mark. Viele Landwirte stellen bei solchen
Preisen Schweine zur Mast nicht ein.

Danach ist anzunehmen, daß die Schlacht¬
schweine noch teuer sein werden, wenn die
jetzigen Ferkel als solche heran sind, No¬
vember, Dezember 1913.

Also im Winter 1913/14 hohe Fleisch¬
preise als Nachwirkung der Futtermißernte
1911.

Die Viehzählung in Preußen am 1. De¬
zember 1911 ergab rund 17 250 000
Schweine, die vom 2. Dezember 1912 deren
15 450 000; also 1 800 000 weniger als im
Vorjahr, d.h. 1ip/z Prozent. Die sind im
wesentlichen daran schuld, daß die Preise so
hohe wurden.

Rechnet man durchschnittlich im Jahr von
jedem Muttertier zwölf Ferkel und nimmt
man das Durchschnittsalter der Schweine auf
zwölf Monate an, so ergibt sich, daß das
Fehlen von 160 000 Sauen das Weniger von
1800 000 Schweinen verursacht hat. Wahr¬
scheinlich, daß die Zahl nicht genau stimmt;
es mögen auch 140 000 oder 160 000 feh¬
lende Sauen daran schuld sein. Andere
Gründe aber liegen meines Erachtens nicht
vor; denn die Abschaffung der unreifen
Schweine infolge Futtermangels von 1911
her hatte für Dezember 1912 keinen Ein¬
fluß mehr.

Mir scheint nun diese Zahl von 160 000
Sauen — auf jede Provinz kommen 12 500,
auf jeden Kreis vielleicht 300 — nicht groß
im Vergleich zu der Wirkung, die ihr Fehlen
gehabt hat: Anhalten der Fleischteuerung und
Knappheit weit über die Zeit der Futter¬
knappheit hinaus. Allenfalls zwei bis drei
Monate pausieren hätten die braven Tiere
sollen in ihrer Zweckbeschäftigung, Ferkel zur
Welt zu bringen; anstatt dessen wurden sie
tot gemacht. Denen, die sie abgeschafft haben,
war das nicht zu verdenken; so um 4 Mil¬
lionen Mark hätte das Überhalten der
160 000 Tiere Arbeiter und kleinste Landwirte
zunächst Wohl gekostet,weil sie die Nahrung hätten
kaufen müssen und von „nebenher mit durch¬
füttern" in so kleinen Betrieben keine Rede
sein kann. Es müßten sich aber Wohl Ma߬
nahmen durchführen lassen, durch die erreicht

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0639" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326159"/>
              <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
              <cb type="start"/>
              <p xml:id="ID_3079" prev="#ID_3078"> meist ganz genommen, für etwas größere<lb/>
Betriebe stark eingeschränkt. Erntet der Ar¬<lb/>
beiter statt 160 Zentner Kartoffeln beispiels¬<lb/>
weise nur 90, so muß eine Zuchtsau fort;<lb/>
auch die zweite am liebsten. Denn die 30<lb/>
Zentner, die für die Familie, die Ziege, die<lb/>
Hühner, zuweilen das Schlachtschwein, nicht<lb/>
gebraucht werden, lassen sich besser durch Ver¬<lb/>
kauf von Eßkartosseln, als durch Verfütterung<lb/>
verwerten. 30 Zentner 5 2,60 Mark sind<lb/>
76 Mark. Soviel ist an der Zuchtsau längst<lb/>
nicht zu verdienen; denn die Ferkel kosten ja<lb/>
kein Geld bei der Futterknappheit, nur Arbeit;<lb/>
sind überhaupt kaum loszuwerden. Also<lb/>
erstens teure Kartoffeln füttern, womöglich zu¬<lb/>
laufen, und dann die Ferkel halb verschenken:<lb/>
das wäre sehr unvorteilhaft. &#x2014; Aus solchen<lb/>
Erwägungen schafft auch der kleine selbstän¬<lb/>
dige Landwirt aus seinem Schweinebestande<lb/>
oft zuerst die Zuchtsau fort, deren Fütterung<lb/>
für längere Zeit keinen Nutzen, sondern Kosten<lb/>
bringt.</p>
              <p xml:id="ID_3080"> Von größeren Viehverwertungsgenossen¬<lb/>
schaften kann man erfahren, wieviel gut<lb/>
brauchbare junge Muttersauen im Herbst 1911<lb/>
abgeschafft worden sind. Die Zahlen der<lb/>
großen Schlachtviehmärkte geben kein richtiges<lb/>
Bild; die schweren Sauen kommen nur zum<lb/>
Teil dorthin. Die behalten gern die Fleischer<lb/>
in der Abgabegegend. &#x201E;Man schätzt mich in<lb/>
der Steuer nach der Zahl der Tiere, die ich<lb/>
schlachte," meinte einer, &#x201E;da komme ich besser<lb/>
weg, wenn die Schweinchen 4 anstatt 2 Zentner<lb/>
wiegen".</p>
              <p xml:id="ID_3081" next="#ID_3082"> War durchschnittlich etwa der Oktober 1911<lb/>
der Termin, zu dein die Sauen von seiten<lb/>
kleinerer Landwirte wegen Futtermangels<lb/>
zum Teil abgeschafft wurden &#x2014; manche<lb/>
früher, manche später &#x2014;, so wurden von ihren<lb/>
Besitzern vielleicht im Mai 1912, als die<lb/>
Hoffnung auf bessere Zeit erwachte, Ferkel<lb/>
gekauft. Aber gewiß nur ein Teil der Leute<lb/>
tat es in der Absicht, die Ferkelzucht wieder<lb/>
aufzunehmen; sie ist mühsam und hat zuletzt<lb/>
Verlust gebracht. Jedenfalls gab es bei<lb/>
denen, die damit wieder anfingen &#x2014; Winter¬<lb/>
ferkel kränkeln &#x2014; zumeist Frühjahr 1913 erst<lb/>
wieder Ferkel; wenig, weil von Erstlings-<lb/>
snuen. Wie knapp sie waren und noch sind,<lb/>
zeigen die Preise; unter 20 Mark wurde aus<lb/>
der ersten Hand das sechs Wochen alte Tier</p>
              <cb/><lb/>
              <p xml:id="ID_3082" prev="#ID_3081"> bis vor kurzem nicht verkauft; muntere, gesunde<lb/>
Achtwochenferkel bringen wohl heute noch gut<lb/>
30 Mark. Viele Landwirte stellen bei solchen<lb/>
Preisen Schweine zur Mast nicht ein.</p>
              <p xml:id="ID_3083"> Danach ist anzunehmen, daß die Schlacht¬<lb/>
schweine noch teuer sein werden, wenn die<lb/>
jetzigen Ferkel als solche heran sind, No¬<lb/>
vember, Dezember 1913.</p>
              <p xml:id="ID_3084"> Also im Winter 1913/14 hohe Fleisch¬<lb/>
preise als Nachwirkung der Futtermißernte<lb/>
1911.</p>
              <p xml:id="ID_3085"> Die Viehzählung in Preußen am 1. De¬<lb/>
zember 1911 ergab rund 17 250 000<lb/>
Schweine, die vom 2. Dezember 1912 deren<lb/>
15 450 000; also 1 800 000 weniger als im<lb/>
Vorjahr, d.h. 1ip/z Prozent. Die sind im<lb/>
wesentlichen daran schuld, daß die Preise so<lb/>
hohe wurden.</p>
              <p xml:id="ID_3086"> Rechnet man durchschnittlich im Jahr von<lb/>
jedem Muttertier zwölf Ferkel und nimmt<lb/>
man das Durchschnittsalter der Schweine auf<lb/>
zwölf Monate an, so ergibt sich, daß das<lb/>
Fehlen von 160 000 Sauen das Weniger von<lb/>
1800 000 Schweinen verursacht hat. Wahr¬<lb/>
scheinlich, daß die Zahl nicht genau stimmt;<lb/>
es mögen auch 140 000 oder 160 000 feh¬<lb/>
lende Sauen daran schuld sein. Andere<lb/>
Gründe aber liegen meines Erachtens nicht<lb/>
vor; denn die Abschaffung der unreifen<lb/>
Schweine infolge Futtermangels von 1911<lb/>
her hatte für Dezember 1912 keinen Ein¬<lb/>
fluß mehr.</p>
              <p xml:id="ID_3087" next="#ID_3088"> Mir scheint nun diese Zahl von 160 000<lb/>
Sauen &#x2014; auf jede Provinz kommen 12 500,<lb/>
auf jeden Kreis vielleicht 300 &#x2014; nicht groß<lb/>
im Vergleich zu der Wirkung, die ihr Fehlen<lb/>
gehabt hat: Anhalten der Fleischteuerung und<lb/>
Knappheit weit über die Zeit der Futter¬<lb/>
knappheit hinaus. Allenfalls zwei bis drei<lb/>
Monate pausieren hätten die braven Tiere<lb/>
sollen in ihrer Zweckbeschäftigung, Ferkel zur<lb/>
Welt zu bringen; anstatt dessen wurden sie<lb/>
tot gemacht. Denen, die sie abgeschafft haben,<lb/>
war das nicht zu verdenken; so um 4 Mil¬<lb/>
lionen Mark hätte das Überhalten der<lb/>
160 000 Tiere Arbeiter und kleinste Landwirte<lb/>
zunächst Wohl gekostet,weil sie die Nahrung hätten<lb/>
kaufen müssen und von &#x201E;nebenher mit durch¬<lb/>
füttern" in so kleinen Betrieben keine Rede<lb/>
sein kann. Es müßten sich aber Wohl Ma߬<lb/>
nahmen durchführen lassen, durch die erreicht</p>
              <cb type="end"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0639] Maßgebliches und Unmaßgebliches meist ganz genommen, für etwas größere Betriebe stark eingeschränkt. Erntet der Ar¬ beiter statt 160 Zentner Kartoffeln beispiels¬ weise nur 90, so muß eine Zuchtsau fort; auch die zweite am liebsten. Denn die 30 Zentner, die für die Familie, die Ziege, die Hühner, zuweilen das Schlachtschwein, nicht gebraucht werden, lassen sich besser durch Ver¬ kauf von Eßkartosseln, als durch Verfütterung verwerten. 30 Zentner 5 2,60 Mark sind 76 Mark. Soviel ist an der Zuchtsau längst nicht zu verdienen; denn die Ferkel kosten ja kein Geld bei der Futterknappheit, nur Arbeit; sind überhaupt kaum loszuwerden. Also erstens teure Kartoffeln füttern, womöglich zu¬ laufen, und dann die Ferkel halb verschenken: das wäre sehr unvorteilhaft. — Aus solchen Erwägungen schafft auch der kleine selbstän¬ dige Landwirt aus seinem Schweinebestande oft zuerst die Zuchtsau fort, deren Fütterung für längere Zeit keinen Nutzen, sondern Kosten bringt. Von größeren Viehverwertungsgenossen¬ schaften kann man erfahren, wieviel gut brauchbare junge Muttersauen im Herbst 1911 abgeschafft worden sind. Die Zahlen der großen Schlachtviehmärkte geben kein richtiges Bild; die schweren Sauen kommen nur zum Teil dorthin. Die behalten gern die Fleischer in der Abgabegegend. „Man schätzt mich in der Steuer nach der Zahl der Tiere, die ich schlachte," meinte einer, „da komme ich besser weg, wenn die Schweinchen 4 anstatt 2 Zentner wiegen". War durchschnittlich etwa der Oktober 1911 der Termin, zu dein die Sauen von seiten kleinerer Landwirte wegen Futtermangels zum Teil abgeschafft wurden — manche früher, manche später —, so wurden von ihren Besitzern vielleicht im Mai 1912, als die Hoffnung auf bessere Zeit erwachte, Ferkel gekauft. Aber gewiß nur ein Teil der Leute tat es in der Absicht, die Ferkelzucht wieder aufzunehmen; sie ist mühsam und hat zuletzt Verlust gebracht. Jedenfalls gab es bei denen, die damit wieder anfingen — Winter¬ ferkel kränkeln — zumeist Frühjahr 1913 erst wieder Ferkel; wenig, weil von Erstlings- snuen. Wie knapp sie waren und noch sind, zeigen die Preise; unter 20 Mark wurde aus der ersten Hand das sechs Wochen alte Tier bis vor kurzem nicht verkauft; muntere, gesunde Achtwochenferkel bringen wohl heute noch gut 30 Mark. Viele Landwirte stellen bei solchen Preisen Schweine zur Mast nicht ein. Danach ist anzunehmen, daß die Schlacht¬ schweine noch teuer sein werden, wenn die jetzigen Ferkel als solche heran sind, No¬ vember, Dezember 1913. Also im Winter 1913/14 hohe Fleisch¬ preise als Nachwirkung der Futtermißernte 1911. Die Viehzählung in Preußen am 1. De¬ zember 1911 ergab rund 17 250 000 Schweine, die vom 2. Dezember 1912 deren 15 450 000; also 1 800 000 weniger als im Vorjahr, d.h. 1ip/z Prozent. Die sind im wesentlichen daran schuld, daß die Preise so hohe wurden. Rechnet man durchschnittlich im Jahr von jedem Muttertier zwölf Ferkel und nimmt man das Durchschnittsalter der Schweine auf zwölf Monate an, so ergibt sich, daß das Fehlen von 160 000 Sauen das Weniger von 1800 000 Schweinen verursacht hat. Wahr¬ scheinlich, daß die Zahl nicht genau stimmt; es mögen auch 140 000 oder 160 000 feh¬ lende Sauen daran schuld sein. Andere Gründe aber liegen meines Erachtens nicht vor; denn die Abschaffung der unreifen Schweine infolge Futtermangels von 1911 her hatte für Dezember 1912 keinen Ein¬ fluß mehr. Mir scheint nun diese Zahl von 160 000 Sauen — auf jede Provinz kommen 12 500, auf jeden Kreis vielleicht 300 — nicht groß im Vergleich zu der Wirkung, die ihr Fehlen gehabt hat: Anhalten der Fleischteuerung und Knappheit weit über die Zeit der Futter¬ knappheit hinaus. Allenfalls zwei bis drei Monate pausieren hätten die braven Tiere sollen in ihrer Zweckbeschäftigung, Ferkel zur Welt zu bringen; anstatt dessen wurden sie tot gemacht. Denen, die sie abgeschafft haben, war das nicht zu verdenken; so um 4 Mil¬ lionen Mark hätte das Überhalten der 160 000 Tiere Arbeiter und kleinste Landwirte zunächst Wohl gekostet,weil sie die Nahrung hätten kaufen müssen und von „nebenher mit durch¬ füttern" in so kleinen Betrieben keine Rede sein kann. Es müßten sich aber Wohl Ma߬ nahmen durchführen lassen, durch die erreicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/639
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/639>, abgerufen am 27.07.2024.