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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Römische Kaiserinnen

lebendig und gültig war, das ist auf italischen Boden noch ein Jahrtausend
später erhalten.

Jedenfalls war in Rom am Ende der Republik in den höheren
Schichten die Frau in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung dem Manne
durchaus gleichgestellt, wie sie auch politisch, namentlich im letzten vorchristlichen
Jahrhundert, vielfach eine bedeutende Rolle spielte: so zeigen uns Ciceros Briefe
z. B. Clodia, die "Lesbia" Catulls, auch die Mutter, Schwester und Gattin
des Brutus als politisch einflußreiche Damen.

Wenn sich also in der Gleichstellung der Frau mit dem Manne in wichtigen
Dingen, in "rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit, höherer Geistes¬
bildung und großer Bewegungsfreiheit", Ähnlichkeit mit modernen Anschauungen
und Zuständen ergibt, so war es anders mit der Ehe. Für diese vertritt der
Römer, wenigstens der Angehörige des alten Adels, den Standpunkt, daß Ehe
und Familie "lediglich die Werkzeuge politischer Herrschaft" und "Mittel zur
Mehrung und Stärkung der Macht jeder großen Familie" seien, und läßt den
Gedanken, daß eine Frau auf das Recht der eigenen Gattenwahl Anspruch
erheben könne, niemals aufkommen. Die Frau wird nicht als Weggenossin
angesehen, die der Mann sür Freud und Leid sich wählt, weil ihn zu ihr die
stärkste persönliche Neigung zieht, weil er gerade diese als die geeignetste be¬
trachtet, sein Lebenswerk zu teilen oder zu verstehen -- eine Auffassung, wie sie
unsere Zeit als eine "der letzten und feinsten Blüten des modernen Individualis¬
mus", gezeitigt hat --, sondern es sind eben politische und wirtschaftliche Gründe,
die zur Ehe veranlassen. Darum dürfen wir uns nicht wundern, in einer in¬
schriftlich erhaltenen Leichenrede, die ein Witwer seiner verstorbenen Gattin
hält, ganz praktische, nüchterne Erörterungen über die Tätigkeit und Tüchtigkeit
der Verstorbenen in Geldangelegenheiten zu finden oder auf einem Grabstein
zu lesen:


"Zwei Söhne gebar sie: einen ließ auf Erden sie
Zurück, den andern barg sie in der Erde Schoß.
Sie war lion artiger Rede und von edlem Gang,
Versah ihr Haus und spann ..."

Es war dem Römer eben natürlich, daß man von der Gattin in erster
Linie gesunde Kinder, eine dem Range des Mannes entsprechende Gewandtheit
im Auftreten und Tüchtigkeit als Hausfrau erwartete und verlangte. Dabei
darf aber nicht verkannt werden, daß einerseits zarte und innige Gefühle
zwischen Mann und Frau nicht fehlten, wie uns wieder Ciceros Briefe lehren
und so mancher Grabstein zeigt, anderseits die "auf Vernunftgründen auf¬
gebaute" Ehe der römischen Antike insofern eine gewisse Berechtigung hatte,
als der Familienorganismus eine Rolle spielte, wie er sie bei uns noch in den
Familien der Fürsten und der -- Bauern auch heute noch manchmal innehat.

War so die Ehe "eine von politischen Gründen diktierte Handlung", so
hielt man frühe Verlobungen und Heiraten für nützlich, leichte Ehescheidungen


Römische Kaiserinnen

lebendig und gültig war, das ist auf italischen Boden noch ein Jahrtausend
später erhalten.

Jedenfalls war in Rom am Ende der Republik in den höheren
Schichten die Frau in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung dem Manne
durchaus gleichgestellt, wie sie auch politisch, namentlich im letzten vorchristlichen
Jahrhundert, vielfach eine bedeutende Rolle spielte: so zeigen uns Ciceros Briefe
z. B. Clodia, die „Lesbia" Catulls, auch die Mutter, Schwester und Gattin
des Brutus als politisch einflußreiche Damen.

Wenn sich also in der Gleichstellung der Frau mit dem Manne in wichtigen
Dingen, in „rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit, höherer Geistes¬
bildung und großer Bewegungsfreiheit", Ähnlichkeit mit modernen Anschauungen
und Zuständen ergibt, so war es anders mit der Ehe. Für diese vertritt der
Römer, wenigstens der Angehörige des alten Adels, den Standpunkt, daß Ehe
und Familie „lediglich die Werkzeuge politischer Herrschaft" und „Mittel zur
Mehrung und Stärkung der Macht jeder großen Familie" seien, und läßt den
Gedanken, daß eine Frau auf das Recht der eigenen Gattenwahl Anspruch
erheben könne, niemals aufkommen. Die Frau wird nicht als Weggenossin
angesehen, die der Mann sür Freud und Leid sich wählt, weil ihn zu ihr die
stärkste persönliche Neigung zieht, weil er gerade diese als die geeignetste be¬
trachtet, sein Lebenswerk zu teilen oder zu verstehen — eine Auffassung, wie sie
unsere Zeit als eine „der letzten und feinsten Blüten des modernen Individualis¬
mus", gezeitigt hat —, sondern es sind eben politische und wirtschaftliche Gründe,
die zur Ehe veranlassen. Darum dürfen wir uns nicht wundern, in einer in¬
schriftlich erhaltenen Leichenrede, die ein Witwer seiner verstorbenen Gattin
hält, ganz praktische, nüchterne Erörterungen über die Tätigkeit und Tüchtigkeit
der Verstorbenen in Geldangelegenheiten zu finden oder auf einem Grabstein
zu lesen:


„Zwei Söhne gebar sie: einen ließ auf Erden sie
Zurück, den andern barg sie in der Erde Schoß.
Sie war lion artiger Rede und von edlem Gang,
Versah ihr Haus und spann ..."

Es war dem Römer eben natürlich, daß man von der Gattin in erster
Linie gesunde Kinder, eine dem Range des Mannes entsprechende Gewandtheit
im Auftreten und Tüchtigkeit als Hausfrau erwartete und verlangte. Dabei
darf aber nicht verkannt werden, daß einerseits zarte und innige Gefühle
zwischen Mann und Frau nicht fehlten, wie uns wieder Ciceros Briefe lehren
und so mancher Grabstein zeigt, anderseits die „auf Vernunftgründen auf¬
gebaute" Ehe der römischen Antike insofern eine gewisse Berechtigung hatte,
als der Familienorganismus eine Rolle spielte, wie er sie bei uns noch in den
Familien der Fürsten und der — Bauern auch heute noch manchmal innehat.

War so die Ehe „eine von politischen Gründen diktierte Handlung", so
hielt man frühe Verlobungen und Heiraten für nützlich, leichte Ehescheidungen


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[0589] Römische Kaiserinnen lebendig und gültig war, das ist auf italischen Boden noch ein Jahrtausend später erhalten. Jedenfalls war in Rom am Ende der Republik in den höheren Schichten die Frau in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung dem Manne durchaus gleichgestellt, wie sie auch politisch, namentlich im letzten vorchristlichen Jahrhundert, vielfach eine bedeutende Rolle spielte: so zeigen uns Ciceros Briefe z. B. Clodia, die „Lesbia" Catulls, auch die Mutter, Schwester und Gattin des Brutus als politisch einflußreiche Damen. Wenn sich also in der Gleichstellung der Frau mit dem Manne in wichtigen Dingen, in „rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit, höherer Geistes¬ bildung und großer Bewegungsfreiheit", Ähnlichkeit mit modernen Anschauungen und Zuständen ergibt, so war es anders mit der Ehe. Für diese vertritt der Römer, wenigstens der Angehörige des alten Adels, den Standpunkt, daß Ehe und Familie „lediglich die Werkzeuge politischer Herrschaft" und „Mittel zur Mehrung und Stärkung der Macht jeder großen Familie" seien, und läßt den Gedanken, daß eine Frau auf das Recht der eigenen Gattenwahl Anspruch erheben könne, niemals aufkommen. Die Frau wird nicht als Weggenossin angesehen, die der Mann sür Freud und Leid sich wählt, weil ihn zu ihr die stärkste persönliche Neigung zieht, weil er gerade diese als die geeignetste be¬ trachtet, sein Lebenswerk zu teilen oder zu verstehen — eine Auffassung, wie sie unsere Zeit als eine „der letzten und feinsten Blüten des modernen Individualis¬ mus", gezeitigt hat —, sondern es sind eben politische und wirtschaftliche Gründe, die zur Ehe veranlassen. Darum dürfen wir uns nicht wundern, in einer in¬ schriftlich erhaltenen Leichenrede, die ein Witwer seiner verstorbenen Gattin hält, ganz praktische, nüchterne Erörterungen über die Tätigkeit und Tüchtigkeit der Verstorbenen in Geldangelegenheiten zu finden oder auf einem Grabstein zu lesen: „Zwei Söhne gebar sie: einen ließ auf Erden sie Zurück, den andern barg sie in der Erde Schoß. Sie war lion artiger Rede und von edlem Gang, Versah ihr Haus und spann ..." Es war dem Römer eben natürlich, daß man von der Gattin in erster Linie gesunde Kinder, eine dem Range des Mannes entsprechende Gewandtheit im Auftreten und Tüchtigkeit als Hausfrau erwartete und verlangte. Dabei darf aber nicht verkannt werden, daß einerseits zarte und innige Gefühle zwischen Mann und Frau nicht fehlten, wie uns wieder Ciceros Briefe lehren und so mancher Grabstein zeigt, anderseits die „auf Vernunftgründen auf¬ gebaute" Ehe der römischen Antike insofern eine gewisse Berechtigung hatte, als der Familienorganismus eine Rolle spielte, wie er sie bei uns noch in den Familien der Fürsten und der — Bauern auch heute noch manchmal innehat. War so die Ehe „eine von politischen Gründen diktierte Handlung", so hielt man frühe Verlobungen und Heiraten für nützlich, leichte Ehescheidungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/589>, abgerufen am 27.07.2024.