Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Mit dem Kaiser auf Reisen

und links kleine Seitenfjorde, aus deren Hintergrund gewaltige Gletscher her¬
vorragen. Die immer höher und wilder werdenden Berge des Uferrandes
geben in Verbindung mit dem fruchtbaren, schmalen Streifen, der vom Meere
zu ihnen heranreicht, ein prächtiges Bild. Die Häuser der einzelnen Gehöfte,
die hi->r liegen, sehen wie verlorene Wachtposten in dieser großen Natur aus;
ab und zu gewahrt man einen melancholischen Fischer in kleinem Kahne auf
dem Wasser, und an den steilen Bergwänden sieht man Herden von Ziegen
klettern, während unten am Bergrande Züge von freigehenden Pferden sich
bewegen.

Gegen 5 Uhr erblickt man zur Rechten, weit vorspringend auf einem
fruchtbaren Strandstreifen, von gewaltigen Gletschern überragt, Vangsnäs,
Frithjofs Frammäs, und gegenüber zur Linken des Schiffs Balestrand, wo
König Bete gewohnt hat und noch sein Grab gezeigt wird.

Von Vangsnäs geht die Fahrt immer mehr südlich in den Aurlandsfjord.
Das Fahrwasser verengt sich bedeutend und wird von beiden Seiten von ge¬
waltigen, 1000 bis 1200 Meter hohen Felswänden begrenzt.

Um sich einen Begriff von der Höhe dieser Felsen zu machen, muß man
w Betracht ziehen, daß der Beschauer auf dem Meeresspiegel sich befindet und
von da aus hinaufschaut, während in anderen Gebirgsländern. wo die absolute,
vom Meeresspiegel an gerechnete Höhe der Berge eine viel bedeutendere ist,
der Beschauer selbst schon in beträchtlicher Höhe über dem Meeresspiegel steht
und für ihn also nur diejenige Höhe sichtbar ist. welche die Differenz zwischen
der Höhe seines Standpunktes und derjenigen des Berggipfels bildet. Seltener
werden hier die menschlichen Wohnungen, die entweder auf schmalen, teils vom
Wasser angespülten, teils vom Berge abgerutschten Landstreifen erbaut oder in
eine Bergrinne hineingezwängt sind; hier und da steht ein freundliches Kirchlein
mit Hellem Anstrich, nur von ein paar Häusern umgeben, auf einem etwas
breiteren Landstreifen; zu diesen Kirchen kommen dann meilenweit die Bewohner
auf ihren Booten.

Immer enger wird der Fjord, bis er beim Eintritt in den Näröfjord sich
zum Flußtal verengt. Dicht vor sich steht man zu beiden Seiten die gewaltigen
Felsen, bald mit glatten Wänden senkrecht ins Wasser abfallend, bald mit
niederem Holz bewachsen und von einem schmalen Streifen Landes am Fuße
umzogen.

Da und dort leuchtet eine Schneefläche hervor, während von allen Seiten
Bäche von den Felsen Herabkommen. Da stürzt in einem tiefen Fall von hoher
Wand ein Gießbach in die Tiefe, wie von einer Wolke von dem zerstäubenden
Wasser umgeben, dort braust der Gletscherbach in gewaltig wilden Sprüngen
und Kaskaden über die Felsblöcke und Geröll, und in zahllosen silbernen
Fäden ziehen sich in allen Spalten und Rinnen die kleineren Wasserläufe herab.
Vom Himmel heben sich in dämonisch gezackten Formen die Ränder der Berge
ab, bald in gewölbte Kuppeln, bald in nabelartige Spitzen auslaufend. Das


Mit dem Kaiser auf Reisen

und links kleine Seitenfjorde, aus deren Hintergrund gewaltige Gletscher her¬
vorragen. Die immer höher und wilder werdenden Berge des Uferrandes
geben in Verbindung mit dem fruchtbaren, schmalen Streifen, der vom Meere
zu ihnen heranreicht, ein prächtiges Bild. Die Häuser der einzelnen Gehöfte,
die hi->r liegen, sehen wie verlorene Wachtposten in dieser großen Natur aus;
ab und zu gewahrt man einen melancholischen Fischer in kleinem Kahne auf
dem Wasser, und an den steilen Bergwänden sieht man Herden von Ziegen
klettern, während unten am Bergrande Züge von freigehenden Pferden sich
bewegen.

Gegen 5 Uhr erblickt man zur Rechten, weit vorspringend auf einem
fruchtbaren Strandstreifen, von gewaltigen Gletschern überragt, Vangsnäs,
Frithjofs Frammäs, und gegenüber zur Linken des Schiffs Balestrand, wo
König Bete gewohnt hat und noch sein Grab gezeigt wird.

Von Vangsnäs geht die Fahrt immer mehr südlich in den Aurlandsfjord.
Das Fahrwasser verengt sich bedeutend und wird von beiden Seiten von ge¬
waltigen, 1000 bis 1200 Meter hohen Felswänden begrenzt.

Um sich einen Begriff von der Höhe dieser Felsen zu machen, muß man
w Betracht ziehen, daß der Beschauer auf dem Meeresspiegel sich befindet und
von da aus hinaufschaut, während in anderen Gebirgsländern. wo die absolute,
vom Meeresspiegel an gerechnete Höhe der Berge eine viel bedeutendere ist,
der Beschauer selbst schon in beträchtlicher Höhe über dem Meeresspiegel steht
und für ihn also nur diejenige Höhe sichtbar ist. welche die Differenz zwischen
der Höhe seines Standpunktes und derjenigen des Berggipfels bildet. Seltener
werden hier die menschlichen Wohnungen, die entweder auf schmalen, teils vom
Wasser angespülten, teils vom Berge abgerutschten Landstreifen erbaut oder in
eine Bergrinne hineingezwängt sind; hier und da steht ein freundliches Kirchlein
mit Hellem Anstrich, nur von ein paar Häusern umgeben, auf einem etwas
breiteren Landstreifen; zu diesen Kirchen kommen dann meilenweit die Bewohner
auf ihren Booten.

Immer enger wird der Fjord, bis er beim Eintritt in den Näröfjord sich
zum Flußtal verengt. Dicht vor sich steht man zu beiden Seiten die gewaltigen
Felsen, bald mit glatten Wänden senkrecht ins Wasser abfallend, bald mit
niederem Holz bewachsen und von einem schmalen Streifen Landes am Fuße
umzogen.

Da und dort leuchtet eine Schneefläche hervor, während von allen Seiten
Bäche von den Felsen Herabkommen. Da stürzt in einem tiefen Fall von hoher
Wand ein Gießbach in die Tiefe, wie von einer Wolke von dem zerstäubenden
Wasser umgeben, dort braust der Gletscherbach in gewaltig wilden Sprüngen
und Kaskaden über die Felsblöcke und Geröll, und in zahllosen silbernen
Fäden ziehen sich in allen Spalten und Rinnen die kleineren Wasserläufe herab.
Vom Himmel heben sich in dämonisch gezackten Formen die Ränder der Berge
ab, bald in gewölbte Kuppeln, bald in nabelartige Spitzen auslaufend. Das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0575" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326095"/>
          <fw type="header" place="top"> Mit dem Kaiser auf Reisen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2645" prev="#ID_2644"> und links kleine Seitenfjorde, aus deren Hintergrund gewaltige Gletscher her¬<lb/>
vorragen. Die immer höher und wilder werdenden Berge des Uferrandes<lb/>
geben in Verbindung mit dem fruchtbaren, schmalen Streifen, der vom Meere<lb/>
zu ihnen heranreicht, ein prächtiges Bild. Die Häuser der einzelnen Gehöfte,<lb/>
die hi-&gt;r liegen, sehen wie verlorene Wachtposten in dieser großen Natur aus;<lb/>
ab und zu gewahrt man einen melancholischen Fischer in kleinem Kahne auf<lb/>
dem Wasser, und an den steilen Bergwänden sieht man Herden von Ziegen<lb/>
klettern, während unten am Bergrande Züge von freigehenden Pferden sich<lb/>
bewegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2646"> Gegen 5 Uhr erblickt man zur Rechten, weit vorspringend auf einem<lb/>
fruchtbaren Strandstreifen, von gewaltigen Gletschern überragt, Vangsnäs,<lb/>
Frithjofs Frammäs, und gegenüber zur Linken des Schiffs Balestrand, wo<lb/>
König Bete gewohnt hat und noch sein Grab gezeigt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2647"> Von Vangsnäs geht die Fahrt immer mehr südlich in den Aurlandsfjord.<lb/>
Das Fahrwasser verengt sich bedeutend und wird von beiden Seiten von ge¬<lb/>
waltigen, 1000 bis 1200 Meter hohen Felswänden begrenzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2648"> Um sich einen Begriff von der Höhe dieser Felsen zu machen, muß man<lb/>
w Betracht ziehen, daß der Beschauer auf dem Meeresspiegel sich befindet und<lb/>
von da aus hinaufschaut, während in anderen Gebirgsländern. wo die absolute,<lb/>
vom Meeresspiegel an gerechnete Höhe der Berge eine viel bedeutendere ist,<lb/>
der Beschauer selbst schon in beträchtlicher Höhe über dem Meeresspiegel steht<lb/>
und für ihn also nur diejenige Höhe sichtbar ist. welche die Differenz zwischen<lb/>
der Höhe seines Standpunktes und derjenigen des Berggipfels bildet. Seltener<lb/>
werden hier die menschlichen Wohnungen, die entweder auf schmalen, teils vom<lb/>
Wasser angespülten, teils vom Berge abgerutschten Landstreifen erbaut oder in<lb/>
eine Bergrinne hineingezwängt sind; hier und da steht ein freundliches Kirchlein<lb/>
mit Hellem Anstrich, nur von ein paar Häusern umgeben, auf einem etwas<lb/>
breiteren Landstreifen; zu diesen Kirchen kommen dann meilenweit die Bewohner<lb/>
auf ihren Booten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2649"> Immer enger wird der Fjord, bis er beim Eintritt in den Näröfjord sich<lb/>
zum Flußtal verengt. Dicht vor sich steht man zu beiden Seiten die gewaltigen<lb/>
Felsen, bald mit glatten Wänden senkrecht ins Wasser abfallend, bald mit<lb/>
niederem Holz bewachsen und von einem schmalen Streifen Landes am Fuße<lb/>
umzogen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2650" next="#ID_2651"> Da und dort leuchtet eine Schneefläche hervor, während von allen Seiten<lb/>
Bäche von den Felsen Herabkommen. Da stürzt in einem tiefen Fall von hoher<lb/>
Wand ein Gießbach in die Tiefe, wie von einer Wolke von dem zerstäubenden<lb/>
Wasser umgeben, dort braust der Gletscherbach in gewaltig wilden Sprüngen<lb/>
und Kaskaden über die Felsblöcke und Geröll, und in zahllosen silbernen<lb/>
Fäden ziehen sich in allen Spalten und Rinnen die kleineren Wasserläufe herab.<lb/>
Vom Himmel heben sich in dämonisch gezackten Formen die Ränder der Berge<lb/>
ab, bald in gewölbte Kuppeln, bald in nabelartige Spitzen auslaufend. Das</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0575] Mit dem Kaiser auf Reisen und links kleine Seitenfjorde, aus deren Hintergrund gewaltige Gletscher her¬ vorragen. Die immer höher und wilder werdenden Berge des Uferrandes geben in Verbindung mit dem fruchtbaren, schmalen Streifen, der vom Meere zu ihnen heranreicht, ein prächtiges Bild. Die Häuser der einzelnen Gehöfte, die hi->r liegen, sehen wie verlorene Wachtposten in dieser großen Natur aus; ab und zu gewahrt man einen melancholischen Fischer in kleinem Kahne auf dem Wasser, und an den steilen Bergwänden sieht man Herden von Ziegen klettern, während unten am Bergrande Züge von freigehenden Pferden sich bewegen. Gegen 5 Uhr erblickt man zur Rechten, weit vorspringend auf einem fruchtbaren Strandstreifen, von gewaltigen Gletschern überragt, Vangsnäs, Frithjofs Frammäs, und gegenüber zur Linken des Schiffs Balestrand, wo König Bete gewohnt hat und noch sein Grab gezeigt wird. Von Vangsnäs geht die Fahrt immer mehr südlich in den Aurlandsfjord. Das Fahrwasser verengt sich bedeutend und wird von beiden Seiten von ge¬ waltigen, 1000 bis 1200 Meter hohen Felswänden begrenzt. Um sich einen Begriff von der Höhe dieser Felsen zu machen, muß man w Betracht ziehen, daß der Beschauer auf dem Meeresspiegel sich befindet und von da aus hinaufschaut, während in anderen Gebirgsländern. wo die absolute, vom Meeresspiegel an gerechnete Höhe der Berge eine viel bedeutendere ist, der Beschauer selbst schon in beträchtlicher Höhe über dem Meeresspiegel steht und für ihn also nur diejenige Höhe sichtbar ist. welche die Differenz zwischen der Höhe seines Standpunktes und derjenigen des Berggipfels bildet. Seltener werden hier die menschlichen Wohnungen, die entweder auf schmalen, teils vom Wasser angespülten, teils vom Berge abgerutschten Landstreifen erbaut oder in eine Bergrinne hineingezwängt sind; hier und da steht ein freundliches Kirchlein mit Hellem Anstrich, nur von ein paar Häusern umgeben, auf einem etwas breiteren Landstreifen; zu diesen Kirchen kommen dann meilenweit die Bewohner auf ihren Booten. Immer enger wird der Fjord, bis er beim Eintritt in den Näröfjord sich zum Flußtal verengt. Dicht vor sich steht man zu beiden Seiten die gewaltigen Felsen, bald mit glatten Wänden senkrecht ins Wasser abfallend, bald mit niederem Holz bewachsen und von einem schmalen Streifen Landes am Fuße umzogen. Da und dort leuchtet eine Schneefläche hervor, während von allen Seiten Bäche von den Felsen Herabkommen. Da stürzt in einem tiefen Fall von hoher Wand ein Gießbach in die Tiefe, wie von einer Wolke von dem zerstäubenden Wasser umgeben, dort braust der Gletscherbach in gewaltig wilden Sprüngen und Kaskaden über die Felsblöcke und Geröll, und in zahllosen silbernen Fäden ziehen sich in allen Spalten und Rinnen die kleineren Wasserläufe herab. Vom Himmel heben sich in dämonisch gezackten Formen die Ränder der Berge ab, bald in gewölbte Kuppeln, bald in nabelartige Spitzen auslaufend. Das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/575
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/575>, abgerufen am 28.07.2024.