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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Führung und Verpflegung der Millionenheere

auf spätere höhere Stellungen vorbereiten. Dann verliert das Wort "Strategie"
seinen beängstigenden Klang und strategische Erwägungen und Rücksichten er¬
halten dieselbe Berechtigung wie die taktischen. Ohne diese wird man das Wesen
der modernen Kriegführung nicht verstehen. Mit Recht sagt der General der
Infanterie Freiherr von Falkenhausen: "Die Notwendigkeit ernster und gründ¬
licher Gedankenrichtung auf den zu erwartenden Verlauf von bevorstehenden
Kriegshandlungen beschränkt sich nicht auf die verhältnismäßig geringe Zahl
der bei den obersten Heeresbehörden mitwirkenden Offiziere, auch nicht auf die
höheren Führer und den Generalstab, die zu umfassender Tätigkeit oder Mit¬
wirkung bei der Verwendung größerer Truppenkörper berufen sind. Die jetzige
Zeit verlangt von jedem Offizier, der an seinem Platze erfolgreich wirken will,
daß er einen klaren und geschulten Einblick gewinnt in den Betrieb des ver¬
wickelten Mechanismus, den die Massenheere der Jetztzeit darstellen. Wie in
jeder Wissenschaft und jeder Lebenshandlung ist ein Überblick über das Ganze
notwendig für Kenntnis und Leistung im einzelnen."

Neben diesem theoretischen Studium müssen aber auch die Friedensübungen
selbst sich den Verhältnissen des "Großen Krieges" anpassen, soweit dies im
Frieden überhaupt möglich ist. Nur bei solchen Übungen gewinnen die höheren
Führer die notwendige Übung und lernen die Reibungen des Ernstfalles kennen.
Deshalb werden die Kaisermanöver dem Ernstfalle entsprechend im großen
Rahmen angelegt und durchgeführt. Häufig werden besondere Armeestäbe auf¬
gestellt, Kolonnen und Trains werden in kriegsgemäßer Weise gebildet. Die
Zahl der jährlich übenden Kavalleriedivisionen ist vermehrt, ein Teil der Übungen
ist von den Truppenübungsplätzen weg in das Gelände verlegt worden. Größere
Aufklärungsübungen finden statt. Einzelne Armeekorps halten Manöver gegen
markierter Feind unter Leitung der Armeeinspekteure ab. Pionier- und Festungs¬
kriegsübungen finden statt. Man steht also überall das Bestreben, den Ver¬
hältnissen des "Großen Krieges" Rechnung zu tragen und die Ausbildung
kriegsgemäß zu gestalten. Verheißungsvolle Ansätze sind vorhanden. Es ist
aber notwendig, daß sie noch weiter ausgebildet werden und daß namentlich
die höheren Führer noch mehr wie bisher Gelegenheit haben, ihre Verbände in
großem Rahmen zu führen. Wenn das Geld bewilligt würde, daß auch die
anderen Korps jährlich solche Herbstübungen großen Stiles ausführen könnten,
so brächte das deutsche Volk ein nationales Opfer, das in der Zukunft Zinsen
bringen wird.




Von wesentlichem Einfluß auf die Führung wird ferner der Platz des
Führers sein, den dieser während der Operationen wählt. Die technischen Ver¬
bindungsmittel werden in großen Verhältnissen den Aufenthaltsort des Führers
bestimmen, der nicht dort liegt, wo eine weite Aussicht und Umblick ist, sondern
wohin sich gute und schnelle Verbindung herstellen läßt. Der Führer muß


Führung und Verpflegung der Millionenheere

auf spätere höhere Stellungen vorbereiten. Dann verliert das Wort „Strategie"
seinen beängstigenden Klang und strategische Erwägungen und Rücksichten er¬
halten dieselbe Berechtigung wie die taktischen. Ohne diese wird man das Wesen
der modernen Kriegführung nicht verstehen. Mit Recht sagt der General der
Infanterie Freiherr von Falkenhausen: „Die Notwendigkeit ernster und gründ¬
licher Gedankenrichtung auf den zu erwartenden Verlauf von bevorstehenden
Kriegshandlungen beschränkt sich nicht auf die verhältnismäßig geringe Zahl
der bei den obersten Heeresbehörden mitwirkenden Offiziere, auch nicht auf die
höheren Führer und den Generalstab, die zu umfassender Tätigkeit oder Mit¬
wirkung bei der Verwendung größerer Truppenkörper berufen sind. Die jetzige
Zeit verlangt von jedem Offizier, der an seinem Platze erfolgreich wirken will,
daß er einen klaren und geschulten Einblick gewinnt in den Betrieb des ver¬
wickelten Mechanismus, den die Massenheere der Jetztzeit darstellen. Wie in
jeder Wissenschaft und jeder Lebenshandlung ist ein Überblick über das Ganze
notwendig für Kenntnis und Leistung im einzelnen."

Neben diesem theoretischen Studium müssen aber auch die Friedensübungen
selbst sich den Verhältnissen des „Großen Krieges" anpassen, soweit dies im
Frieden überhaupt möglich ist. Nur bei solchen Übungen gewinnen die höheren
Führer die notwendige Übung und lernen die Reibungen des Ernstfalles kennen.
Deshalb werden die Kaisermanöver dem Ernstfalle entsprechend im großen
Rahmen angelegt und durchgeführt. Häufig werden besondere Armeestäbe auf¬
gestellt, Kolonnen und Trains werden in kriegsgemäßer Weise gebildet. Die
Zahl der jährlich übenden Kavalleriedivisionen ist vermehrt, ein Teil der Übungen
ist von den Truppenübungsplätzen weg in das Gelände verlegt worden. Größere
Aufklärungsübungen finden statt. Einzelne Armeekorps halten Manöver gegen
markierter Feind unter Leitung der Armeeinspekteure ab. Pionier- und Festungs¬
kriegsübungen finden statt. Man steht also überall das Bestreben, den Ver¬
hältnissen des „Großen Krieges" Rechnung zu tragen und die Ausbildung
kriegsgemäß zu gestalten. Verheißungsvolle Ansätze sind vorhanden. Es ist
aber notwendig, daß sie noch weiter ausgebildet werden und daß namentlich
die höheren Führer noch mehr wie bisher Gelegenheit haben, ihre Verbände in
großem Rahmen zu führen. Wenn das Geld bewilligt würde, daß auch die
anderen Korps jährlich solche Herbstübungen großen Stiles ausführen könnten,
so brächte das deutsche Volk ein nationales Opfer, das in der Zukunft Zinsen
bringen wird.




Von wesentlichem Einfluß auf die Führung wird ferner der Platz des
Führers sein, den dieser während der Operationen wählt. Die technischen Ver¬
bindungsmittel werden in großen Verhältnissen den Aufenthaltsort des Führers
bestimmen, der nicht dort liegt, wo eine weite Aussicht und Umblick ist, sondern
wohin sich gute und schnelle Verbindung herstellen läßt. Der Führer muß


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[0556] Führung und Verpflegung der Millionenheere auf spätere höhere Stellungen vorbereiten. Dann verliert das Wort „Strategie" seinen beängstigenden Klang und strategische Erwägungen und Rücksichten er¬ halten dieselbe Berechtigung wie die taktischen. Ohne diese wird man das Wesen der modernen Kriegführung nicht verstehen. Mit Recht sagt der General der Infanterie Freiherr von Falkenhausen: „Die Notwendigkeit ernster und gründ¬ licher Gedankenrichtung auf den zu erwartenden Verlauf von bevorstehenden Kriegshandlungen beschränkt sich nicht auf die verhältnismäßig geringe Zahl der bei den obersten Heeresbehörden mitwirkenden Offiziere, auch nicht auf die höheren Führer und den Generalstab, die zu umfassender Tätigkeit oder Mit¬ wirkung bei der Verwendung größerer Truppenkörper berufen sind. Die jetzige Zeit verlangt von jedem Offizier, der an seinem Platze erfolgreich wirken will, daß er einen klaren und geschulten Einblick gewinnt in den Betrieb des ver¬ wickelten Mechanismus, den die Massenheere der Jetztzeit darstellen. Wie in jeder Wissenschaft und jeder Lebenshandlung ist ein Überblick über das Ganze notwendig für Kenntnis und Leistung im einzelnen." Neben diesem theoretischen Studium müssen aber auch die Friedensübungen selbst sich den Verhältnissen des „Großen Krieges" anpassen, soweit dies im Frieden überhaupt möglich ist. Nur bei solchen Übungen gewinnen die höheren Führer die notwendige Übung und lernen die Reibungen des Ernstfalles kennen. Deshalb werden die Kaisermanöver dem Ernstfalle entsprechend im großen Rahmen angelegt und durchgeführt. Häufig werden besondere Armeestäbe auf¬ gestellt, Kolonnen und Trains werden in kriegsgemäßer Weise gebildet. Die Zahl der jährlich übenden Kavalleriedivisionen ist vermehrt, ein Teil der Übungen ist von den Truppenübungsplätzen weg in das Gelände verlegt worden. Größere Aufklärungsübungen finden statt. Einzelne Armeekorps halten Manöver gegen markierter Feind unter Leitung der Armeeinspekteure ab. Pionier- und Festungs¬ kriegsübungen finden statt. Man steht also überall das Bestreben, den Ver¬ hältnissen des „Großen Krieges" Rechnung zu tragen und die Ausbildung kriegsgemäß zu gestalten. Verheißungsvolle Ansätze sind vorhanden. Es ist aber notwendig, daß sie noch weiter ausgebildet werden und daß namentlich die höheren Führer noch mehr wie bisher Gelegenheit haben, ihre Verbände in großem Rahmen zu führen. Wenn das Geld bewilligt würde, daß auch die anderen Korps jährlich solche Herbstübungen großen Stiles ausführen könnten, so brächte das deutsche Volk ein nationales Opfer, das in der Zukunft Zinsen bringen wird. Von wesentlichem Einfluß auf die Führung wird ferner der Platz des Führers sein, den dieser während der Operationen wählt. Die technischen Ver¬ bindungsmittel werden in großen Verhältnissen den Aufenthaltsort des Führers bestimmen, der nicht dort liegt, wo eine weite Aussicht und Umblick ist, sondern wohin sich gute und schnelle Verbindung herstellen läßt. Der Führer muß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/556>, abgerufen am 28.07.2024.