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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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deutschen Geschichtsforschern geschaffen hat,
erscheint uns in seiner Darstellung der
Persönlichkeit Wilhelms des Zweiten wieder
als ein ungemein feiner Analytiker. Der
Aufsatz wird jeden um so mehr ansprechen,
als er, abgesehen von seinem sachlichen In¬
halt, mit großer Wärme und Liebe zur Person
des Kaisers geschrieben ist, die Schiemann
durch zahlreiche mit dem Kaiser zusammen
unternommene Reisen besonders vertraut
geworden ist. Ich meine, allein wegen der
beiden erwähnten Aufsätze sollte sich niemand
scheuen, das groß angelegte Werk zu kaufen
und zu lesen, um so mehr, als es um den Preis
von nur 6,so Mark erhältlich ist. Alle anderen
Aufsätze, die die Politische Seite des Wirkens des
kaiserlichen Jubilars beurteilen, sind von hervor¬
ragenden Fachmännern geschrieben und schon
deshalb nicht minder wertvoll: W. von Massow,
der den Lesern der Grenzboten schon lange be¬
kannt, schreibt über Auswärtige Politik, Wil¬
helm Lexis, der Nationalökonom, über Volks¬
wirtschaft und soziale Fragen, Georg Strutz
überFinanz- und Steuerreformen, Regierungs¬
rat Gerstmeyer über Kolonialpolitik. Doch
es würde zu weit führen, alle die Namen
hier aufzuführen; sie sind alle einander gleich
wert.

Ganz interessante Einblicke in das Wesen
des Kaisers gibt der bekannte Geograph,
Geheimer Regierungsrat Paul Giißfeldt,
der den Monarchen auf vierundzwanzig Nord¬
landsreisen begleitet hat. Was auf dem Raum
von wenigen Seiten gesagt werden kann, ist
naturgemäß nicht erschöpfend, und so sei bei
dieser Gelegenheit auf das umfangreiche Werk
Güßfeldts hingewiesen, dessen zweite Auflage
bei den Gebrüdern Paetel, Berlin, bereits 1892
erschien: "Kaiser Wilhelms II. Reisen nach
Norwegen in den Jahren 1889 bis 1892"
(Preis 28 Mark). Es ist ein Prachtwerk mit
vielen geographischen und naturwissenschaft¬
lichen Einzelheiten, aber auch mit vielen
Details persönlichen Charakters, und gerade
deshalb erscheint es angebracht, anläßlich des
Kaiserjubiläums daran zu erinnern. Weitere
Einzelheiten über die Kaiserreisen wird der
Leser in den Grenzboten finden. Bereits in
diesem Heft beginne ich mit Veröffentlichungen
aus dem Nachlaß des verstorbenen Staats¬
sekretärs Kiderlen-Waechter, die sich ausschlie߬

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lich auf die Kaiserreisen und deren Drum und
Dran beziehen.

Neben den Werken, deren Aufgabe es ist,
uns die Person des Kaisers menschlich näher zu
bringen, machen sich,, und es will mir
scheinen über Gebühr, Auslassungen von
Pessimisten breit, die sich aus zum Teil un¬
erfindlichen Gründen nicht zu einer festlich
gehobenen Stimmung durchzuringen vermoch¬
ten. Eine im Hammerverlag zu Leipzig er¬
schienene Broschüre "Der Kaiser und das
Offizierkorps" kann in diesem Zusammen¬
hange trotz vielfacher Übertreibungen und
Schiefheiten, die darin enthalten sind, immer¬
hin noch als lesenswert bezeichnet werden.
Das gleiche gilt von dem Aufsatz des Stutt¬
garter Historikers Egclhaaf in Heft 9 der
Deutschen Rundschau, der sich mit der Politik
des Kaisers in den letzten Jahren beschäftigt,
ohne ihr gerecht werden zu können. Ganz
verfehlt, vor allen Dingen in der Form, sind
die Aufsätze von 0r. Richard Bahr in Heft 9
des Turners und von einem Anonymus in
Heft K der Neuen Rundschau. Bahr hat in
der Sache zwar recht: gewisse Äußerungen
des Kaisers, die sich in die Persönlichen An¬
gelegenheiten der Staatsbürger einmischen,
haben böses Blut gemacht, -- aber stehen
ihnen nicht mindestens ebensoviel Äußerungen
gegenübet, mit denen er Millionen, ja der
ganzen Nation aus dem Herzen sprach? Ich
meine, an solchen Jubiläumstagen, wie wir
sie jetzt feiern, sollte man mit diesen mehr
persönlichen Ansichten, wenn sie auch mit denen
vieler laufender guter Keuscher Bürger über¬
einstimmen, zurückhaltend sein. Der Haupt¬
zweck und Wert der Feiern ist doch, daß wir
durch sie gezwungen werden und auch die
Möglichkeit erhalten, uns über den Streit der
Tagesmeinungen und die Last der Tages¬
arbeit zu erheben und einmal versuchen,
Rückschau und Umschau zu halten. Die
fünfundzwanzig Jahre Regierung
Wilhelms des Zweiten sind zugleich
fünfundzwanzig Jahre einer erfolg¬
reichen Arbeit des deutschen Volkes, die
zu Pessimismus keine Veranlassung
gibt. Wer als Publizist sich berufen fühlt, seiner
Nation Wege zu weisen, sollte die sich beim
Kaiserjubiläum bietende Gelegenheit, ihr
Selbstbewußtsein zu stärken, nicht vorüber-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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deutschen Geschichtsforschern geschaffen hat,
erscheint uns in seiner Darstellung der
Persönlichkeit Wilhelms des Zweiten wieder
als ein ungemein feiner Analytiker. Der
Aufsatz wird jeden um so mehr ansprechen,
als er, abgesehen von seinem sachlichen In¬
halt, mit großer Wärme und Liebe zur Person
des Kaisers geschrieben ist, die Schiemann
durch zahlreiche mit dem Kaiser zusammen
unternommene Reisen besonders vertraut
geworden ist. Ich meine, allein wegen der
beiden erwähnten Aufsätze sollte sich niemand
scheuen, das groß angelegte Werk zu kaufen
und zu lesen, um so mehr, als es um den Preis
von nur 6,so Mark erhältlich ist. Alle anderen
Aufsätze, die die Politische Seite des Wirkens des
kaiserlichen Jubilars beurteilen, sind von hervor¬
ragenden Fachmännern geschrieben und schon
deshalb nicht minder wertvoll: W. von Massow,
der den Lesern der Grenzboten schon lange be¬
kannt, schreibt über Auswärtige Politik, Wil¬
helm Lexis, der Nationalökonom, über Volks¬
wirtschaft und soziale Fragen, Georg Strutz
überFinanz- und Steuerreformen, Regierungs¬
rat Gerstmeyer über Kolonialpolitik. Doch
es würde zu weit führen, alle die Namen
hier aufzuführen; sie sind alle einander gleich
wert.

Ganz interessante Einblicke in das Wesen
des Kaisers gibt der bekannte Geograph,
Geheimer Regierungsrat Paul Giißfeldt,
der den Monarchen auf vierundzwanzig Nord¬
landsreisen begleitet hat. Was auf dem Raum
von wenigen Seiten gesagt werden kann, ist
naturgemäß nicht erschöpfend, und so sei bei
dieser Gelegenheit auf das umfangreiche Werk
Güßfeldts hingewiesen, dessen zweite Auflage
bei den Gebrüdern Paetel, Berlin, bereits 1892
erschien: „Kaiser Wilhelms II. Reisen nach
Norwegen in den Jahren 1889 bis 1892"
(Preis 28 Mark). Es ist ein Prachtwerk mit
vielen geographischen und naturwissenschaft¬
lichen Einzelheiten, aber auch mit vielen
Details persönlichen Charakters, und gerade
deshalb erscheint es angebracht, anläßlich des
Kaiserjubiläums daran zu erinnern. Weitere
Einzelheiten über die Kaiserreisen wird der
Leser in den Grenzboten finden. Bereits in
diesem Heft beginne ich mit Veröffentlichungen
aus dem Nachlaß des verstorbenen Staats¬
sekretärs Kiderlen-Waechter, die sich ausschlie߬

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lich auf die Kaiserreisen und deren Drum und
Dran beziehen.

Neben den Werken, deren Aufgabe es ist,
uns die Person des Kaisers menschlich näher zu
bringen, machen sich,, und es will mir
scheinen über Gebühr, Auslassungen von
Pessimisten breit, die sich aus zum Teil un¬
erfindlichen Gründen nicht zu einer festlich
gehobenen Stimmung durchzuringen vermoch¬
ten. Eine im Hammerverlag zu Leipzig er¬
schienene Broschüre „Der Kaiser und das
Offizierkorps" kann in diesem Zusammen¬
hange trotz vielfacher Übertreibungen und
Schiefheiten, die darin enthalten sind, immer¬
hin noch als lesenswert bezeichnet werden.
Das gleiche gilt von dem Aufsatz des Stutt¬
garter Historikers Egclhaaf in Heft 9 der
Deutschen Rundschau, der sich mit der Politik
des Kaisers in den letzten Jahren beschäftigt,
ohne ihr gerecht werden zu können. Ganz
verfehlt, vor allen Dingen in der Form, sind
die Aufsätze von 0r. Richard Bahr in Heft 9
des Turners und von einem Anonymus in
Heft K der Neuen Rundschau. Bahr hat in
der Sache zwar recht: gewisse Äußerungen
des Kaisers, die sich in die Persönlichen An¬
gelegenheiten der Staatsbürger einmischen,
haben böses Blut gemacht, — aber stehen
ihnen nicht mindestens ebensoviel Äußerungen
gegenübet, mit denen er Millionen, ja der
ganzen Nation aus dem Herzen sprach? Ich
meine, an solchen Jubiläumstagen, wie wir
sie jetzt feiern, sollte man mit diesen mehr
persönlichen Ansichten, wenn sie auch mit denen
vieler laufender guter Keuscher Bürger über¬
einstimmen, zurückhaltend sein. Der Haupt¬
zweck und Wert der Feiern ist doch, daß wir
durch sie gezwungen werden und auch die
Möglichkeit erhalten, uns über den Streit der
Tagesmeinungen und die Last der Tages¬
arbeit zu erheben und einmal versuchen,
Rückschau und Umschau zu halten. Die
fünfundzwanzig Jahre Regierung
Wilhelms des Zweiten sind zugleich
fünfundzwanzig Jahre einer erfolg¬
reichen Arbeit des deutschen Volkes, die
zu Pessimismus keine Veranlassung
gibt. Wer als Publizist sich berufen fühlt, seiner
Nation Wege zu weisen, sollte die sich beim
Kaiserjubiläum bietende Gelegenheit, ihr
Selbstbewußtsein zu stärken, nicht vorüber-

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[0544] Maßgebliches und Unmaßgebliches deutschen Geschichtsforschern geschaffen hat, erscheint uns in seiner Darstellung der Persönlichkeit Wilhelms des Zweiten wieder als ein ungemein feiner Analytiker. Der Aufsatz wird jeden um so mehr ansprechen, als er, abgesehen von seinem sachlichen In¬ halt, mit großer Wärme und Liebe zur Person des Kaisers geschrieben ist, die Schiemann durch zahlreiche mit dem Kaiser zusammen unternommene Reisen besonders vertraut geworden ist. Ich meine, allein wegen der beiden erwähnten Aufsätze sollte sich niemand scheuen, das groß angelegte Werk zu kaufen und zu lesen, um so mehr, als es um den Preis von nur 6,so Mark erhältlich ist. Alle anderen Aufsätze, die die Politische Seite des Wirkens des kaiserlichen Jubilars beurteilen, sind von hervor¬ ragenden Fachmännern geschrieben und schon deshalb nicht minder wertvoll: W. von Massow, der den Lesern der Grenzboten schon lange be¬ kannt, schreibt über Auswärtige Politik, Wil¬ helm Lexis, der Nationalökonom, über Volks¬ wirtschaft und soziale Fragen, Georg Strutz überFinanz- und Steuerreformen, Regierungs¬ rat Gerstmeyer über Kolonialpolitik. Doch es würde zu weit führen, alle die Namen hier aufzuführen; sie sind alle einander gleich wert. Ganz interessante Einblicke in das Wesen des Kaisers gibt der bekannte Geograph, Geheimer Regierungsrat Paul Giißfeldt, der den Monarchen auf vierundzwanzig Nord¬ landsreisen begleitet hat. Was auf dem Raum von wenigen Seiten gesagt werden kann, ist naturgemäß nicht erschöpfend, und so sei bei dieser Gelegenheit auf das umfangreiche Werk Güßfeldts hingewiesen, dessen zweite Auflage bei den Gebrüdern Paetel, Berlin, bereits 1892 erschien: „Kaiser Wilhelms II. Reisen nach Norwegen in den Jahren 1889 bis 1892" (Preis 28 Mark). Es ist ein Prachtwerk mit vielen geographischen und naturwissenschaft¬ lichen Einzelheiten, aber auch mit vielen Details persönlichen Charakters, und gerade deshalb erscheint es angebracht, anläßlich des Kaiserjubiläums daran zu erinnern. Weitere Einzelheiten über die Kaiserreisen wird der Leser in den Grenzboten finden. Bereits in diesem Heft beginne ich mit Veröffentlichungen aus dem Nachlaß des verstorbenen Staats¬ sekretärs Kiderlen-Waechter, die sich ausschlie߬ lich auf die Kaiserreisen und deren Drum und Dran beziehen. Neben den Werken, deren Aufgabe es ist, uns die Person des Kaisers menschlich näher zu bringen, machen sich,, und es will mir scheinen über Gebühr, Auslassungen von Pessimisten breit, die sich aus zum Teil un¬ erfindlichen Gründen nicht zu einer festlich gehobenen Stimmung durchzuringen vermoch¬ ten. Eine im Hammerverlag zu Leipzig er¬ schienene Broschüre „Der Kaiser und das Offizierkorps" kann in diesem Zusammen¬ hange trotz vielfacher Übertreibungen und Schiefheiten, die darin enthalten sind, immer¬ hin noch als lesenswert bezeichnet werden. Das gleiche gilt von dem Aufsatz des Stutt¬ garter Historikers Egclhaaf in Heft 9 der Deutschen Rundschau, der sich mit der Politik des Kaisers in den letzten Jahren beschäftigt, ohne ihr gerecht werden zu können. Ganz verfehlt, vor allen Dingen in der Form, sind die Aufsätze von 0r. Richard Bahr in Heft 9 des Turners und von einem Anonymus in Heft K der Neuen Rundschau. Bahr hat in der Sache zwar recht: gewisse Äußerungen des Kaisers, die sich in die Persönlichen An¬ gelegenheiten der Staatsbürger einmischen, haben böses Blut gemacht, — aber stehen ihnen nicht mindestens ebensoviel Äußerungen gegenübet, mit denen er Millionen, ja der ganzen Nation aus dem Herzen sprach? Ich meine, an solchen Jubiläumstagen, wie wir sie jetzt feiern, sollte man mit diesen mehr persönlichen Ansichten, wenn sie auch mit denen vieler laufender guter Keuscher Bürger über¬ einstimmen, zurückhaltend sein. Der Haupt¬ zweck und Wert der Feiern ist doch, daß wir durch sie gezwungen werden und auch die Möglichkeit erhalten, uns über den Streit der Tagesmeinungen und die Last der Tages¬ arbeit zu erheben und einmal versuchen, Rückschau und Umschau zu halten. Die fünfundzwanzig Jahre Regierung Wilhelms des Zweiten sind zugleich fünfundzwanzig Jahre einer erfolg¬ reichen Arbeit des deutschen Volkes, die zu Pessimismus keine Veranlassung gibt. Wer als Publizist sich berufen fühlt, seiner Nation Wege zu weisen, sollte die sich beim Kaiserjubiläum bietende Gelegenheit, ihr Selbstbewußtsein zu stärken, nicht vorüber-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/544>, abgerufen am 27.07.2024.