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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Sturm

Diese neue Nachbarschaft vermehrte sein Unbehagen. Sein Gegengruß
. fiel befremdet und frostig aus, was aber die Dame nicht weiter berührte. Sie
bat auf deutsch um die Speisekarte und begann sofort ein Gespräch mit Paul.

"Sie sind heut schlechter Laune, Graf! Aber man kann nicht jeden Tag
gewinnen."

"Sie irren sich in meiner Person!" war Pauls kühle Erwiderung. Er
wandte sich schroff ab und verwünschte im stillen seine ganze Expedition.

Durch die deutschen Worte hinter sich aufmerksam gemacht, sah sich der
alte Baron vorsichtig um. Sein anfangs gleichgültiges Auge leuchtete in plötz¬
lichem Erkennen auf.

"Ah, ah!" sagte er aufspringend. "Du bist es, Paul! Wie nett, daß
man Dich endlich mal in Monte Carlo sieht, noch dazu in so angenehmer Ge¬
sellschaft." Er verbeugte sich vor der fremden Dame und schüttelte seinem
Sohn herzlich die Hand. Seine lebhafte Begrüßung ließ Paul gar nicht zu
Worte kommen, und ehe ihm noch eine Abwehr möglich war, sah er sich den
Gästen des Vaters vorgestellt.

Mit einen: Schwall liebenswürdiger Fragen zogen sie ihn und seine un¬
bekannte Tischnachbarin in ihren Kreis und machten ihn sofort zum Mittelpunkt
des Interesses.

"II est eomme 8on pere" rief die kleine Blondine, entzückt zu ihm auf¬
blickend und streichelte mit ihren beringten Fingern seine aristokratische Hand.

>,()uLl bei Komme!" sagte eine andere. ,Ma8 it a ach ^sux me-
IanLkoIique8!" eine Dritte.

"II a Wujour3 Je8 ^sux n'xö8 8ur les 1ivre8!" erklärte der Alte und klopfte
dem Sohn mit freundlichem Vorwurf auf die Schulter. Zu der deutschen Dame
gewandt, meinte er: "Sie werden seine Augen bald lustig machen, meine Gnädigste."

Da rückte die blonde Ninon ihren Stuhl an Pauls Seite und schmiegte
sich an seinen Arm. "Noi werden machen lustig diese blaue übsche Augen!"
Der Alte zupfte sie an ihrem Ohrläppchen.

"LKanZement 6e I'amour?" fragte er mit lustigem Augenzwinkern.
"OK, mon ami, je vsux 1'ainsi' comme uns 8<zeur!" gab sie schmollend
zur Antwort. Aber sie zog sich doch sofort auf ihren Platz zurück und trank
ihrem alten Freund mit kokettem Augenaufschlag zu.

Da gelang es Paul, den Vater auf chemisch zu verständigen.

"Mach bitte dieser peinlichen Situation ein Ende! Ich muß Dich allein
sprechen. Ich bringe schlimme Nachrichten von Hause!"

Wie aus den Wolken gefallen, lehnte sich Baron Alexander zurück und
sah mit entsetzter Verständnislosigkeit in seines Sohnes finsteres Auge.

Paul stand auf: "Ja bitte, sofort!" wiederholte er dringend.

Der Baron hüstelte verlegen: "die Herrschaften entschuldigen mich für
einen Augenblick." Dann folgte er Paul, der sich mit kühlem Gruß zum Gehen
gewandt hatte.


Sturm

Diese neue Nachbarschaft vermehrte sein Unbehagen. Sein Gegengruß
. fiel befremdet und frostig aus, was aber die Dame nicht weiter berührte. Sie
bat auf deutsch um die Speisekarte und begann sofort ein Gespräch mit Paul.

„Sie sind heut schlechter Laune, Graf! Aber man kann nicht jeden Tag
gewinnen."

„Sie irren sich in meiner Person!" war Pauls kühle Erwiderung. Er
wandte sich schroff ab und verwünschte im stillen seine ganze Expedition.

Durch die deutschen Worte hinter sich aufmerksam gemacht, sah sich der
alte Baron vorsichtig um. Sein anfangs gleichgültiges Auge leuchtete in plötz¬
lichem Erkennen auf.

„Ah, ah!" sagte er aufspringend. „Du bist es, Paul! Wie nett, daß
man Dich endlich mal in Monte Carlo sieht, noch dazu in so angenehmer Ge¬
sellschaft." Er verbeugte sich vor der fremden Dame und schüttelte seinem
Sohn herzlich die Hand. Seine lebhafte Begrüßung ließ Paul gar nicht zu
Worte kommen, und ehe ihm noch eine Abwehr möglich war, sah er sich den
Gästen des Vaters vorgestellt.

Mit einen: Schwall liebenswürdiger Fragen zogen sie ihn und seine un¬
bekannte Tischnachbarin in ihren Kreis und machten ihn sofort zum Mittelpunkt
des Interesses.

„II est eomme 8on pere" rief die kleine Blondine, entzückt zu ihm auf¬
blickend und streichelte mit ihren beringten Fingern seine aristokratische Hand.

>,()uLl bei Komme!" sagte eine andere. ,Ma8 it a ach ^sux me-
IanLkoIique8!" eine Dritte.

„II a Wujour3 Je8 ^sux n'xö8 8ur les 1ivre8!" erklärte der Alte und klopfte
dem Sohn mit freundlichem Vorwurf auf die Schulter. Zu der deutschen Dame
gewandt, meinte er: „Sie werden seine Augen bald lustig machen, meine Gnädigste."

Da rückte die blonde Ninon ihren Stuhl an Pauls Seite und schmiegte
sich an seinen Arm. „Noi werden machen lustig diese blaue übsche Augen!"
Der Alte zupfte sie an ihrem Ohrläppchen.

„LKanZement 6e I'amour?" fragte er mit lustigem Augenzwinkern.
„OK, mon ami, je vsux 1'ainsi' comme uns 8<zeur!" gab sie schmollend
zur Antwort. Aber sie zog sich doch sofort auf ihren Platz zurück und trank
ihrem alten Freund mit kokettem Augenaufschlag zu.

Da gelang es Paul, den Vater auf chemisch zu verständigen.

„Mach bitte dieser peinlichen Situation ein Ende! Ich muß Dich allein
sprechen. Ich bringe schlimme Nachrichten von Hause!"

Wie aus den Wolken gefallen, lehnte sich Baron Alexander zurück und
sah mit entsetzter Verständnislosigkeit in seines Sohnes finsteres Auge.

Paul stand auf: „Ja bitte, sofort!" wiederholte er dringend.

Der Baron hüstelte verlegen: „die Herrschaften entschuldigen mich für
einen Augenblick." Dann folgte er Paul, der sich mit kühlem Gruß zum Gehen
gewandt hatte.


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[0540] Sturm Diese neue Nachbarschaft vermehrte sein Unbehagen. Sein Gegengruß . fiel befremdet und frostig aus, was aber die Dame nicht weiter berührte. Sie bat auf deutsch um die Speisekarte und begann sofort ein Gespräch mit Paul. „Sie sind heut schlechter Laune, Graf! Aber man kann nicht jeden Tag gewinnen." „Sie irren sich in meiner Person!" war Pauls kühle Erwiderung. Er wandte sich schroff ab und verwünschte im stillen seine ganze Expedition. Durch die deutschen Worte hinter sich aufmerksam gemacht, sah sich der alte Baron vorsichtig um. Sein anfangs gleichgültiges Auge leuchtete in plötz¬ lichem Erkennen auf. „Ah, ah!" sagte er aufspringend. „Du bist es, Paul! Wie nett, daß man Dich endlich mal in Monte Carlo sieht, noch dazu in so angenehmer Ge¬ sellschaft." Er verbeugte sich vor der fremden Dame und schüttelte seinem Sohn herzlich die Hand. Seine lebhafte Begrüßung ließ Paul gar nicht zu Worte kommen, und ehe ihm noch eine Abwehr möglich war, sah er sich den Gästen des Vaters vorgestellt. Mit einen: Schwall liebenswürdiger Fragen zogen sie ihn und seine un¬ bekannte Tischnachbarin in ihren Kreis und machten ihn sofort zum Mittelpunkt des Interesses. „II est eomme 8on pere" rief die kleine Blondine, entzückt zu ihm auf¬ blickend und streichelte mit ihren beringten Fingern seine aristokratische Hand. >,()uLl bei Komme!" sagte eine andere. ,Ma8 it a ach ^sux me- IanLkoIique8!" eine Dritte. „II a Wujour3 Je8 ^sux n'xö8 8ur les 1ivre8!" erklärte der Alte und klopfte dem Sohn mit freundlichem Vorwurf auf die Schulter. Zu der deutschen Dame gewandt, meinte er: „Sie werden seine Augen bald lustig machen, meine Gnädigste." Da rückte die blonde Ninon ihren Stuhl an Pauls Seite und schmiegte sich an seinen Arm. „Noi werden machen lustig diese blaue übsche Augen!" Der Alte zupfte sie an ihrem Ohrläppchen. „LKanZement 6e I'amour?" fragte er mit lustigem Augenzwinkern. „OK, mon ami, je vsux 1'ainsi' comme uns 8<zeur!" gab sie schmollend zur Antwort. Aber sie zog sich doch sofort auf ihren Platz zurück und trank ihrem alten Freund mit kokettem Augenaufschlag zu. Da gelang es Paul, den Vater auf chemisch zu verständigen. „Mach bitte dieser peinlichen Situation ein Ende! Ich muß Dich allein sprechen. Ich bringe schlimme Nachrichten von Hause!" Wie aus den Wolken gefallen, lehnte sich Baron Alexander zurück und sah mit entsetzter Verständnislosigkeit in seines Sohnes finsteres Auge. Paul stand auf: „Ja bitte, sofort!" wiederholte er dringend. Der Baron hüstelte verlegen: „die Herrschaften entschuldigen mich für einen Augenblick." Dann folgte er Paul, der sich mit kühlem Gruß zum Gehen gewandt hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/540>, abgerufen am 28.07.2024.