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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Mit dem Kaiser auf Reisen

soll nicht erörtert werden; es sprechen genug persönliche dafür: die bis dahin
unbefriedigt gelassene Reiselust des Monarchen, seine große Vorliebe für die
Marine.

Bismarck hat auch zu den politischen Reiseplänen und der Art ihrer Ausführung
den Kopf geschüttelt, aber sich schließlich doch nicht ernsthaft widersetzt, sich vielmehr
damit begnügt, dem Kaiser in den Personen seines Sohnes Herbert, damals Staats¬
sekretär des Auswärtigen Amtes, und des Legationsrath von Kiderlen-Waechter
Begleiter beizugeben, die ihm über alle Einzelheiten des Verlaufs der Reisen
zuverlässig berichten konnten. Die Beobachtungen des Staatssekretärs haben in¬
dessen die Bedenken des Kanzlers nicht nur nicht zerstreut, sondern verstärkt,
und als der Plan zum ersten Male auftauchte, außer den offiziellen Reisen
eine Vergnügungsfahrt nach Norwegen zu unternehmen, hat Bismarck ihn im
Keime zu unterdrücken versucht. Alle die Eigenschaften des Kaisers, die ihm die
Sympathien aller derer erwerben, die mit ihm in außeramtliche persönliche
Berührung treten, hat Bismarck als weltkluger Staatsmann beargwöhnt. Die
große persönliche Liebenswürdigkeit des dritten Kaisers, seine Bereitwilligkeit
auf interessante Anregungen einzugehen, ohne viel zu fragen woher sie
kommen, verbunden mit soldatischem Freimut, daneben der nicht fortzuleug¬
nende Hang, die Realitäten des Lebens durch die Kunst zu verbrämen, was
leicht romantischen Neigungen Nahrung gibt, -- alle diese Eigenschaften, so
fürchtete Bismarck, könnten fremden, besonders ausländischen Einflüssen die Wege
zum Kaiser ebnen und die Durchführung politischer Aufgaben stören und zwar
um so leichter, als die Kürze der Regierung Friedrichs des Dritten den
jungen Kaiser gehindert hat, sich bereits allseitig und gründlich für
seinen erhabenen und verantwortungsvollen Beruf vorzubereiten; noch andert¬
halb Jahre vor dem Tode des großen Dulders, wie Bismarck den Kaiser
Friedrich nannte, konnte der Prinz Wilhelm nicht ahnen, daß die Nation seiner
so bald bedürfen würde.

Man wird die Bedenken des ersten Kanzlers und Erbauers des Reiches ver¬
stehen, dessen Tätigkeit zu einem nicht unerheblichen Teil in der Abwehr fürst¬
licher und fremder Einflüsse, die sich bei seinem Allerhöchsten Herrn durchsetzen
wollten, bestanden hat. Aber ebenso wird man den Monarchen begreifen, der, auf
die mit seinen Reisen verbundenen Gefahren aufmerksam gemacht, sich sein persön¬
liches Vergnügen nicht schmälern lassen wollte, nachdem er die Überzeugung,
ihnen ausweichen oder begegnen zu können, gewonnen hatte.

Der junge Kaiser hat um seine erste Nordlandsreise im Jahre 1889
einen harten Kampf führen müssen. Schon im Jahre 1888, als der Kaiser,
angeregt durch die Schönheiten einer Schärenfahrt zwischen Rußland und Schweden
und bezaubert durch das malerisch-imposante Bild der Hafeneinfahrt von Stockholm,
den Wunsch äußerte, auch die norwegische Küste kennen zu lernen, hat Bismarck
Schwierigkeiten bereitet, -- im übrigen verbot sich die Fahrt wegen der vorgerückten
Jahreszeit und den einmal angefangenen politischen Besuchen von selbst. Als


Mit dem Kaiser auf Reisen

soll nicht erörtert werden; es sprechen genug persönliche dafür: die bis dahin
unbefriedigt gelassene Reiselust des Monarchen, seine große Vorliebe für die
Marine.

Bismarck hat auch zu den politischen Reiseplänen und der Art ihrer Ausführung
den Kopf geschüttelt, aber sich schließlich doch nicht ernsthaft widersetzt, sich vielmehr
damit begnügt, dem Kaiser in den Personen seines Sohnes Herbert, damals Staats¬
sekretär des Auswärtigen Amtes, und des Legationsrath von Kiderlen-Waechter
Begleiter beizugeben, die ihm über alle Einzelheiten des Verlaufs der Reisen
zuverlässig berichten konnten. Die Beobachtungen des Staatssekretärs haben in¬
dessen die Bedenken des Kanzlers nicht nur nicht zerstreut, sondern verstärkt,
und als der Plan zum ersten Male auftauchte, außer den offiziellen Reisen
eine Vergnügungsfahrt nach Norwegen zu unternehmen, hat Bismarck ihn im
Keime zu unterdrücken versucht. Alle die Eigenschaften des Kaisers, die ihm die
Sympathien aller derer erwerben, die mit ihm in außeramtliche persönliche
Berührung treten, hat Bismarck als weltkluger Staatsmann beargwöhnt. Die
große persönliche Liebenswürdigkeit des dritten Kaisers, seine Bereitwilligkeit
auf interessante Anregungen einzugehen, ohne viel zu fragen woher sie
kommen, verbunden mit soldatischem Freimut, daneben der nicht fortzuleug¬
nende Hang, die Realitäten des Lebens durch die Kunst zu verbrämen, was
leicht romantischen Neigungen Nahrung gibt, — alle diese Eigenschaften, so
fürchtete Bismarck, könnten fremden, besonders ausländischen Einflüssen die Wege
zum Kaiser ebnen und die Durchführung politischer Aufgaben stören und zwar
um so leichter, als die Kürze der Regierung Friedrichs des Dritten den
jungen Kaiser gehindert hat, sich bereits allseitig und gründlich für
seinen erhabenen und verantwortungsvollen Beruf vorzubereiten; noch andert¬
halb Jahre vor dem Tode des großen Dulders, wie Bismarck den Kaiser
Friedrich nannte, konnte der Prinz Wilhelm nicht ahnen, daß die Nation seiner
so bald bedürfen würde.

Man wird die Bedenken des ersten Kanzlers und Erbauers des Reiches ver¬
stehen, dessen Tätigkeit zu einem nicht unerheblichen Teil in der Abwehr fürst¬
licher und fremder Einflüsse, die sich bei seinem Allerhöchsten Herrn durchsetzen
wollten, bestanden hat. Aber ebenso wird man den Monarchen begreifen, der, auf
die mit seinen Reisen verbundenen Gefahren aufmerksam gemacht, sich sein persön¬
liches Vergnügen nicht schmälern lassen wollte, nachdem er die Überzeugung,
ihnen ausweichen oder begegnen zu können, gewonnen hatte.

Der junge Kaiser hat um seine erste Nordlandsreise im Jahre 1889
einen harten Kampf führen müssen. Schon im Jahre 1888, als der Kaiser,
angeregt durch die Schönheiten einer Schärenfahrt zwischen Rußland und Schweden
und bezaubert durch das malerisch-imposante Bild der Hafeneinfahrt von Stockholm,
den Wunsch äußerte, auch die norwegische Küste kennen zu lernen, hat Bismarck
Schwierigkeiten bereitet, — im übrigen verbot sich die Fahrt wegen der vorgerückten
Jahreszeit und den einmal angefangenen politischen Besuchen von selbst. Als


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[0508] Mit dem Kaiser auf Reisen soll nicht erörtert werden; es sprechen genug persönliche dafür: die bis dahin unbefriedigt gelassene Reiselust des Monarchen, seine große Vorliebe für die Marine. Bismarck hat auch zu den politischen Reiseplänen und der Art ihrer Ausführung den Kopf geschüttelt, aber sich schließlich doch nicht ernsthaft widersetzt, sich vielmehr damit begnügt, dem Kaiser in den Personen seines Sohnes Herbert, damals Staats¬ sekretär des Auswärtigen Amtes, und des Legationsrath von Kiderlen-Waechter Begleiter beizugeben, die ihm über alle Einzelheiten des Verlaufs der Reisen zuverlässig berichten konnten. Die Beobachtungen des Staatssekretärs haben in¬ dessen die Bedenken des Kanzlers nicht nur nicht zerstreut, sondern verstärkt, und als der Plan zum ersten Male auftauchte, außer den offiziellen Reisen eine Vergnügungsfahrt nach Norwegen zu unternehmen, hat Bismarck ihn im Keime zu unterdrücken versucht. Alle die Eigenschaften des Kaisers, die ihm die Sympathien aller derer erwerben, die mit ihm in außeramtliche persönliche Berührung treten, hat Bismarck als weltkluger Staatsmann beargwöhnt. Die große persönliche Liebenswürdigkeit des dritten Kaisers, seine Bereitwilligkeit auf interessante Anregungen einzugehen, ohne viel zu fragen woher sie kommen, verbunden mit soldatischem Freimut, daneben der nicht fortzuleug¬ nende Hang, die Realitäten des Lebens durch die Kunst zu verbrämen, was leicht romantischen Neigungen Nahrung gibt, — alle diese Eigenschaften, so fürchtete Bismarck, könnten fremden, besonders ausländischen Einflüssen die Wege zum Kaiser ebnen und die Durchführung politischer Aufgaben stören und zwar um so leichter, als die Kürze der Regierung Friedrichs des Dritten den jungen Kaiser gehindert hat, sich bereits allseitig und gründlich für seinen erhabenen und verantwortungsvollen Beruf vorzubereiten; noch andert¬ halb Jahre vor dem Tode des großen Dulders, wie Bismarck den Kaiser Friedrich nannte, konnte der Prinz Wilhelm nicht ahnen, daß die Nation seiner so bald bedürfen würde. Man wird die Bedenken des ersten Kanzlers und Erbauers des Reiches ver¬ stehen, dessen Tätigkeit zu einem nicht unerheblichen Teil in der Abwehr fürst¬ licher und fremder Einflüsse, die sich bei seinem Allerhöchsten Herrn durchsetzen wollten, bestanden hat. Aber ebenso wird man den Monarchen begreifen, der, auf die mit seinen Reisen verbundenen Gefahren aufmerksam gemacht, sich sein persön¬ liches Vergnügen nicht schmälern lassen wollte, nachdem er die Überzeugung, ihnen ausweichen oder begegnen zu können, gewonnen hatte. Der junge Kaiser hat um seine erste Nordlandsreise im Jahre 1889 einen harten Kampf führen müssen. Schon im Jahre 1888, als der Kaiser, angeregt durch die Schönheiten einer Schärenfahrt zwischen Rußland und Schweden und bezaubert durch das malerisch-imposante Bild der Hafeneinfahrt von Stockholm, den Wunsch äußerte, auch die norwegische Küste kennen zu lernen, hat Bismarck Schwierigkeiten bereitet, — im übrigen verbot sich die Fahrt wegen der vorgerückten Jahreszeit und den einmal angefangenen politischen Besuchen von selbst. Als

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/508>, abgerufen am 22.12.2024.