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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Rätselrater, ein Denker; ein scharfer Intellekt
beherrscht auch die wunderlichsten Gebilde
seiner ausschweifenden, heißen Phantasie. Er
waltet in jenem Grenzreiche, wo der Men¬
schenverstand entweder in leeren Wahnsinn
oder in genial gehobene Trunkenheit fällt;
die Wahrscheinlichkeiten, die er anrührt und
gleichsam mit Plötzlichen Lichtstrahle aus frem¬
der Finsternis beleuchtet, verlieren fast das
Ungewöhnliche und dünken uns nach und nach
wie Selbstverständlichkeiten. Das Nebensäch¬
lichste, Geringste wächst zu schier ungeahnter
Bedeutung; im Grotesken liegt stets ein Pro¬
blem verborgen. Wer sich über Poe näher
unterrichten will, der lese -- außer den
Werken! -- vor allem die wundersamen Auf¬
sätze Baudelaires, die der Verlag Bruns
gleichfalls herausgegeben hat in der vortreff¬
lichen Aufgabe von Baudelaires Werken; sie
bilden in ihrer warmen Anteilnahme, in ihrem

[Spaltenumbruch]

schwerduftenden Stil das Schönste, was über
den großen Amerikaner gesagt ist.

Diese vier Bände, die bis jetzt erschienen
sind, bergen die Kriminalerzählungen, die
humoristischen, grotesken und grausigen No¬
vellen und die Abenteuergeschichten. Die Über¬
setzungen lesen sich vortrefflich und bewahren
einen Hauch von Edgar Poch glashellen,
klarem Stile. Marcus Behmer schmückte die
Bücher mit Zeichnungen; es ist eine Wonne,
die Prächtigen Bände in Händen zu halten
und an stillen Abenden zu Gefährten zu wählen.
So möge auf dieses überaus wertvolle, ver¬
dienstreiche Unternehmen des eifrigen Ver¬
lages nachdrücklich hingewiesen sein. Es über¬
mittelt den Deutschen einen echten, seltenen
Dichter. Die moralisierenden Philister aber
mögen geruhig zetern, wie die Leute in Spieß-
burgh, als eS dreizehn schläget Freien Geistern
ist Poe ein bestimmendes Ereignis I

Lrnst Ludwig Schellcnberg [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher Aufsähe nur mit ausdritcklicher Erlauinis des Verlags gestattet,
verantwortlich: der Herausgeber George Eleinow in Berlin-Schöneberg. -- Manuslriptsendungen und Briei"
werden erbeten unter der Adresse: A" de" HerlMSgeier der Grenzbotr" in Berlin-Friedena", Hrdwiaftr. 1".
Fernsprecher der Schristleitung: Amt Abt-.no SKSO, de" Verlag": Amt Lützow SSI".
Verlag: Verlag der "renzooten S. in. b. H. in Berlin SV. 11.
"ruck: .Der lNeich"b"te' ". in. i. H. in Berlin SV/. 11, Dess-ner Straf," "SM.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Rätselrater, ein Denker; ein scharfer Intellekt
beherrscht auch die wunderlichsten Gebilde
seiner ausschweifenden, heißen Phantasie. Er
waltet in jenem Grenzreiche, wo der Men¬
schenverstand entweder in leeren Wahnsinn
oder in genial gehobene Trunkenheit fällt;
die Wahrscheinlichkeiten, die er anrührt und
gleichsam mit Plötzlichen Lichtstrahle aus frem¬
der Finsternis beleuchtet, verlieren fast das
Ungewöhnliche und dünken uns nach und nach
wie Selbstverständlichkeiten. Das Nebensäch¬
lichste, Geringste wächst zu schier ungeahnter
Bedeutung; im Grotesken liegt stets ein Pro¬
blem verborgen. Wer sich über Poe näher
unterrichten will, der lese — außer den
Werken! — vor allem die wundersamen Auf¬
sätze Baudelaires, die der Verlag Bruns
gleichfalls herausgegeben hat in der vortreff¬
lichen Aufgabe von Baudelaires Werken; sie
bilden in ihrer warmen Anteilnahme, in ihrem

[Spaltenumbruch]

schwerduftenden Stil das Schönste, was über
den großen Amerikaner gesagt ist.

Diese vier Bände, die bis jetzt erschienen
sind, bergen die Kriminalerzählungen, die
humoristischen, grotesken und grausigen No¬
vellen und die Abenteuergeschichten. Die Über¬
setzungen lesen sich vortrefflich und bewahren
einen Hauch von Edgar Poch glashellen,
klarem Stile. Marcus Behmer schmückte die
Bücher mit Zeichnungen; es ist eine Wonne,
die Prächtigen Bände in Händen zu halten
und an stillen Abenden zu Gefährten zu wählen.
So möge auf dieses überaus wertvolle, ver¬
dienstreiche Unternehmen des eifrigen Ver¬
lages nachdrücklich hingewiesen sein. Es über¬
mittelt den Deutschen einen echten, seltenen
Dichter. Die moralisierenden Philister aber
mögen geruhig zetern, wie die Leute in Spieß-
burgh, als eS dreizehn schläget Freien Geistern
ist Poe ein bestimmendes Ereignis I

Lrnst Ludwig Schellcnberg [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher Aufsähe nur mit ausdritcklicher Erlauinis des Verlags gestattet,
verantwortlich: der Herausgeber George Eleinow in Berlin-Schöneberg. — Manuslriptsendungen und Briei«
werden erbeten unter der Adresse: A» de» HerlMSgeier der Grenzbotr» in Berlin-Friedena«, Hrdwiaftr. 1».
Fernsprecher der Schristleitung: Amt Abt-.no SKSO, de» Verlag»: Amt Lützow SSI».
Verlag: Verlag der «renzooten S. in. b. H. in Berlin SV. 11.
»ruck: .Der lNeich»b»te' «. in. i. H. in Berlin SV/. 11, Dess-ner Straf,« »SM.


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[0500] Maßgebliches und Unmaßgebliches Rätselrater, ein Denker; ein scharfer Intellekt beherrscht auch die wunderlichsten Gebilde seiner ausschweifenden, heißen Phantasie. Er waltet in jenem Grenzreiche, wo der Men¬ schenverstand entweder in leeren Wahnsinn oder in genial gehobene Trunkenheit fällt; die Wahrscheinlichkeiten, die er anrührt und gleichsam mit Plötzlichen Lichtstrahle aus frem¬ der Finsternis beleuchtet, verlieren fast das Ungewöhnliche und dünken uns nach und nach wie Selbstverständlichkeiten. Das Nebensäch¬ lichste, Geringste wächst zu schier ungeahnter Bedeutung; im Grotesken liegt stets ein Pro¬ blem verborgen. Wer sich über Poe näher unterrichten will, der lese — außer den Werken! — vor allem die wundersamen Auf¬ sätze Baudelaires, die der Verlag Bruns gleichfalls herausgegeben hat in der vortreff¬ lichen Aufgabe von Baudelaires Werken; sie bilden in ihrer warmen Anteilnahme, in ihrem schwerduftenden Stil das Schönste, was über den großen Amerikaner gesagt ist. Diese vier Bände, die bis jetzt erschienen sind, bergen die Kriminalerzählungen, die humoristischen, grotesken und grausigen No¬ vellen und die Abenteuergeschichten. Die Über¬ setzungen lesen sich vortrefflich und bewahren einen Hauch von Edgar Poch glashellen, klarem Stile. Marcus Behmer schmückte die Bücher mit Zeichnungen; es ist eine Wonne, die Prächtigen Bände in Händen zu halten und an stillen Abenden zu Gefährten zu wählen. So möge auf dieses überaus wertvolle, ver¬ dienstreiche Unternehmen des eifrigen Ver¬ lages nachdrücklich hingewiesen sein. Es über¬ mittelt den Deutschen einen echten, seltenen Dichter. Die moralisierenden Philister aber mögen geruhig zetern, wie die Leute in Spieß- burgh, als eS dreizehn schläget Freien Geistern ist Poe ein bestimmendes Ereignis I Lrnst Ludwig Schellcnberg Nachdruck sämtlicher Aufsähe nur mit ausdritcklicher Erlauinis des Verlags gestattet, verantwortlich: der Herausgeber George Eleinow in Berlin-Schöneberg. — Manuslriptsendungen und Briei« werden erbeten unter der Adresse: A» de» HerlMSgeier der Grenzbotr» in Berlin-Friedena«, Hrdwiaftr. 1». Fernsprecher der Schristleitung: Amt Abt-.no SKSO, de» Verlag»: Amt Lützow SSI». Verlag: Verlag der «renzooten S. in. b. H. in Berlin SV. 11. »ruck: .Der lNeich»b»te' «. in. i. H. in Berlin SV/. 11, Dess-ner Straf,« »SM.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/500>, abgerufen am 27.07.2024.