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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Sturm

Der alte Wenkendorff hielt sie zurück: "Hat keinen Zweck, Mädchen! Den
Schubiak findest du nie. Es werden wohl mehrere an dem Spaß beteiligt sein!"

"Ja" fuhr er fort, "was machen wir jetzt mit euch? Wir müssen nach
Hause fahren! Sollen wir euch drei Frauen ganz allein hier lassen? Ich glaube
nicht, daß was passieren wird. Aber natürlich -- unheimlich ist es für euch,
bis Wolff Joachim kommt. ..."

Seiner Überlegung kam der Maler zu Hilfe: "Wenn es mir gestattet ist
-- ich bleibe gerne bei den Damen!"

Über Wenkendorffs eben noch besorgtes Gesicht flog ein joviales Lächeln:
"Richtig, der Herr Maler, das wird besonders der Frau Gräfin willkommen
sein. Abgemacht -- Sie bleiben da und halten sich für jeden Fall bereit!"

"Machen wirr, machen wirr!" ließ sich der Russe gutmütig vernehmen:
"Ich halte mir auch bereit. Wirr spielen Karrten und trrinken dazu!" Er
legte seinen dicken Arm freundschaftlich um Madelnngs Asketenfigur und drückte
sie fest an sich.

Da konnte sich keiner des Lachens erwehren und selbst Mara mußte mit
einstimmen.

"Es ist eine große Ehre für dich!" sagte Frau Pastor Tannebaum zu
ihrem Vetter beim Abschied. . . .

Unten im Hof fuhr ein Wagen nach dem anderen an der Rampe vor.
Die Laternen flackerten im Winde.

"Sie brauchen sich um Ihre Mutter nicht zu sorgen!" versicherte Doktor
Schlosser nochmals. "Ich habe ihr Morphium gegeben -- sie schläft ganz
ruhig!"

"Kopf hoch!" sagte auch der alte Wenkendorff zu Mara, und Edles flüsterte
ihr halb ernst, halb neckisch ins Ohr: "Verlieb dich nicht!"

Schledehausens Wagen war der letzte. Er hatte im Kondor noch mit dem
alten Maddis verhandelt und klopfte ihm jetzt, im Begriff einzusteigen, freundlich
auf die Schulter:"

"Fünfzig Jahre sind Sie auf Borkull, und Sie haben es immer gut gehabt.
Denken Sie daran, Maddis!"

Bald wurde es ganz still auf dem Hof.

Schwer und dumpf war das Tor ins Schloß gefallen. In der Ferne
verhallte das Rollen der Räder und der rasche Hufschlag der Pferde.

"Ich bin doch froh, daß er da ist!" dachte Mara, als sie ihr Fenster
gegen den Wind verschloß. Zerrissene Wolken jagten über den Mond, und
der Wind pfiff und heulte um das alte Herrenhaus.

Madelung aber ging noch lange in seinem hohen Zimmer auf und ab
und strich sich befriedigt über das Kinn.

"Da wären wir!" sprach er zu sich selbst. . . .

(Fortsetzung folgt)




Sturm

Der alte Wenkendorff hielt sie zurück: „Hat keinen Zweck, Mädchen! Den
Schubiak findest du nie. Es werden wohl mehrere an dem Spaß beteiligt sein!"

„Ja" fuhr er fort, „was machen wir jetzt mit euch? Wir müssen nach
Hause fahren! Sollen wir euch drei Frauen ganz allein hier lassen? Ich glaube
nicht, daß was passieren wird. Aber natürlich — unheimlich ist es für euch,
bis Wolff Joachim kommt. ..."

Seiner Überlegung kam der Maler zu Hilfe: „Wenn es mir gestattet ist
— ich bleibe gerne bei den Damen!"

Über Wenkendorffs eben noch besorgtes Gesicht flog ein joviales Lächeln:
„Richtig, der Herr Maler, das wird besonders der Frau Gräfin willkommen
sein. Abgemacht — Sie bleiben da und halten sich für jeden Fall bereit!"

„Machen wirr, machen wirr!" ließ sich der Russe gutmütig vernehmen:
„Ich halte mir auch bereit. Wirr spielen Karrten und trrinken dazu!" Er
legte seinen dicken Arm freundschaftlich um Madelnngs Asketenfigur und drückte
sie fest an sich.

Da konnte sich keiner des Lachens erwehren und selbst Mara mußte mit
einstimmen.

„Es ist eine große Ehre für dich!" sagte Frau Pastor Tannebaum zu
ihrem Vetter beim Abschied. . . .

Unten im Hof fuhr ein Wagen nach dem anderen an der Rampe vor.
Die Laternen flackerten im Winde.

„Sie brauchen sich um Ihre Mutter nicht zu sorgen!" versicherte Doktor
Schlosser nochmals. „Ich habe ihr Morphium gegeben — sie schläft ganz
ruhig!"

„Kopf hoch!" sagte auch der alte Wenkendorff zu Mara, und Edles flüsterte
ihr halb ernst, halb neckisch ins Ohr: „Verlieb dich nicht!"

Schledehausens Wagen war der letzte. Er hatte im Kondor noch mit dem
alten Maddis verhandelt und klopfte ihm jetzt, im Begriff einzusteigen, freundlich
auf die Schulter:"

„Fünfzig Jahre sind Sie auf Borkull, und Sie haben es immer gut gehabt.
Denken Sie daran, Maddis!"

Bald wurde es ganz still auf dem Hof.

Schwer und dumpf war das Tor ins Schloß gefallen. In der Ferne
verhallte das Rollen der Räder und der rasche Hufschlag der Pferde.

„Ich bin doch froh, daß er da ist!" dachte Mara, als sie ihr Fenster
gegen den Wind verschloß. Zerrissene Wolken jagten über den Mond, und
der Wind pfiff und heulte um das alte Herrenhaus.

Madelung aber ging noch lange in seinem hohen Zimmer auf und ab
und strich sich befriedigt über das Kinn.

„Da wären wir!" sprach er zu sich selbst. . . .

(Fortsetzung folgt)




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[0438] Sturm Der alte Wenkendorff hielt sie zurück: „Hat keinen Zweck, Mädchen! Den Schubiak findest du nie. Es werden wohl mehrere an dem Spaß beteiligt sein!" „Ja" fuhr er fort, „was machen wir jetzt mit euch? Wir müssen nach Hause fahren! Sollen wir euch drei Frauen ganz allein hier lassen? Ich glaube nicht, daß was passieren wird. Aber natürlich — unheimlich ist es für euch, bis Wolff Joachim kommt. ..." Seiner Überlegung kam der Maler zu Hilfe: „Wenn es mir gestattet ist — ich bleibe gerne bei den Damen!" Über Wenkendorffs eben noch besorgtes Gesicht flog ein joviales Lächeln: „Richtig, der Herr Maler, das wird besonders der Frau Gräfin willkommen sein. Abgemacht — Sie bleiben da und halten sich für jeden Fall bereit!" „Machen wirr, machen wirr!" ließ sich der Russe gutmütig vernehmen: „Ich halte mir auch bereit. Wirr spielen Karrten und trrinken dazu!" Er legte seinen dicken Arm freundschaftlich um Madelnngs Asketenfigur und drückte sie fest an sich. Da konnte sich keiner des Lachens erwehren und selbst Mara mußte mit einstimmen. „Es ist eine große Ehre für dich!" sagte Frau Pastor Tannebaum zu ihrem Vetter beim Abschied. . . . Unten im Hof fuhr ein Wagen nach dem anderen an der Rampe vor. Die Laternen flackerten im Winde. „Sie brauchen sich um Ihre Mutter nicht zu sorgen!" versicherte Doktor Schlosser nochmals. „Ich habe ihr Morphium gegeben — sie schläft ganz ruhig!" „Kopf hoch!" sagte auch der alte Wenkendorff zu Mara, und Edles flüsterte ihr halb ernst, halb neckisch ins Ohr: „Verlieb dich nicht!" Schledehausens Wagen war der letzte. Er hatte im Kondor noch mit dem alten Maddis verhandelt und klopfte ihm jetzt, im Begriff einzusteigen, freundlich auf die Schulter:" „Fünfzig Jahre sind Sie auf Borkull, und Sie haben es immer gut gehabt. Denken Sie daran, Maddis!" Bald wurde es ganz still auf dem Hof. Schwer und dumpf war das Tor ins Schloß gefallen. In der Ferne verhallte das Rollen der Räder und der rasche Hufschlag der Pferde. „Ich bin doch froh, daß er da ist!" dachte Mara, als sie ihr Fenster gegen den Wind verschloß. Zerrissene Wolken jagten über den Mond, und der Wind pfiff und heulte um das alte Herrenhaus. Madelung aber ging noch lange in seinem hohen Zimmer auf und ab und strich sich befriedigt über das Kinn. „Da wären wir!" sprach er zu sich selbst. . . . (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/438>, abgerufen am 27.07.2024.