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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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juristische Ausbildung des Referendars, der
dadurch die beste Gelegenheit hat, sich in der
Kunst zu üben, rechtserhebliche Tatbestände
aller Art richtig aufzufassen, richtig wiederzu¬
geben und juristisch richtig einzuwerten. Gleich¬
zeitig kann dadurch dem Interesse der Presse
insofern gedient werden, als dadurch den
berechtigten Klagen über - die Unzulänglich¬
keit der Gerichtsberichterstattung unserer Presse
Abhilfe geschaffen werden soll.

Den Hauptgrund für die auch von der
Presse zugegebenen Mängel auf dem Gebiete
der Gerichtsberichterstattung der Presse sieht
Professor Reiche! in der meist sehr mangelhaften
fachmännischer Vorbildung der Berichterstatter.
In Wirklichkeit ist das aber nur ein äußerer
Grund, dem unschwer abzuhelfen wäre. Der
wahre und letzte Grund der unzulänglichen
Gerichtsberichterstattung liegt vielmehr in der
mangelhaften, völlig ungenügenden Infor¬
mation der Presse über die tagtäglich vor
unseren Gerichten zur Verhandlung gelan¬
genden Sachen. Es gibt keine Stelle, welche
die Presse regelmäßig und ausreichend hier¬
über informieren würde, oder an der sich
die Presse eine solche Information holen
könnte. Eine Ausnahme machen nur die
Schwurgerichte, deren Tagesordnungen vor
jeder Sitzungsperiode veröffentlicht worden.
Die Gerichtsberichte über die Schwurgerichts¬
verhandlungen geben denn auch im allge¬
meinen zu Klagen wenig Anlaß. Hier ist
eben die Presse in der Lage, zu den ein¬
zelnen Sitzungen befähigte Berichterstatter zu
entsenden. Anders ist es mit unseren Schöffen-
und Amtsgerichten, Straf- und Zivilkammern.
Hier erfährt die Presse nur durch Zufall oder
durch besonders günstige Umstände, welche
Sachen in den einzelnen Sitzungen zur Ver¬
handlung stehen. Im allgemeinen weiß sie
nichts darüber. Sie weiß also auch vorher
nicht, welche unter den vielen Sachen vor¬
aussichtlich für die Öffentlichkeit Interesse
haben, welche nicht, und wohin sie mithin
einen befähigten, rechtskundigen Berichterstatter,
eventuell auch ein Mitglied der Redaktion zu
entsenden hatte, und wohin nicht. So ist sie
eben in ihrer Gerichtsberichterstattung auf den
gewöhnlichen, nieist sehr mangelhaft fach¬
männisch vorgebildeten Gerichtsberichterstatter
angewiesen. Und auch dieser hängt in seiner

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ganzen Tätigkeit vielfach vom Zufall ab. Er
wird sich bestreben, dahin zugehen, wo "voraus¬
sichtlich" etwas Wichtiges zur Verhandlung
kommt, damit die Zeitung seine Berichte auf¬
nimmt und er auf diese Weise etwas verdient.
Diese Berichterstatter werden ja meist nach
der Zellenzahl der abgedruckten Berichte von
den Redaktionen der einzelnen Blätter ho¬
noriert. So wird der Berichterstatter oft
zwischen Schöffengericht und Strafkammer,
zwischen Amtsgericht und Zivilkammer --
die ja vielfach nebeneinander tagen -- hin
und herpendeln, um schließlich doch das
wirklich Wichtige zu versäumen oder nur
Bruchstücke zu hören, die er sich dann selbst
durch unzuverlässige Erkundigungen ergänzt.
Vielleicht wird er auch des lieben Verdienstes
halber Unwesentliches aufbauschen, ja ganze
Geschichten erfinden. Alles das ist schon da¬
gewesen. Die Redaktion hat ja keine Kon¬
trolle darüber, nur durch Zufall erfährt sie da¬
von. Wollte eine Redaktion eine zuverlässige und
umfassende Gerichtsberichterstattung Pflegen, so
müßte sie für Amts- und Schöffengericht, für
jede Zivil- und Strafkammer einen stän¬
digen fachmännischer Berichterstatter haben,
der den Verhandlungen der einzelnen Ge¬
richte von Anfang bis zum Schluß beiwohnte.
Das ist aber den meisten Blättern schon aus
finanziellen Gründen unmöglich. Auch die an
einzelnen Gerichten erfolgte "Kartellierung"
mehrerer Berichterstatter genügt nicht. Das
einzige wirksame Mittel zur Abhilfe wäre,
wenn unsere Gerichte sich entschließen könnten,
den einzelnen Blättern rechtzeitig ein Ver¬
zeichnis der an den einzelnen Terminen zur
Verhandlung kommenden Sachen, die kurz
charakterisiert sein müßten, zugängig zu machen.
Die Blätter wären dadurch in der Lage, aus
leichte Weise durch Entsendung eines fach¬
männischer Berichterstatters oder eines Re-
dnktionsmitgliedcs in die ihr Interesse bean¬
spruchenden Verhandlungen für eine zuläng¬
liche Berichterstattung zu sorgen, und sie
würden auch gerne einen entsprechenden Betrag
zur Deckung der durch die Anfertigung der
Verzeichnisse entstehenden Unkosten tragen.
Einen Teil dieser Berichterstattung könnten
ja auch die bei der Presse volontierenden
Referendare übernehmen. Damit allein möchte
ich aber die Tätigkeit der Referendare bei

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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juristische Ausbildung des Referendars, der
dadurch die beste Gelegenheit hat, sich in der
Kunst zu üben, rechtserhebliche Tatbestände
aller Art richtig aufzufassen, richtig wiederzu¬
geben und juristisch richtig einzuwerten. Gleich¬
zeitig kann dadurch dem Interesse der Presse
insofern gedient werden, als dadurch den
berechtigten Klagen über - die Unzulänglich¬
keit der Gerichtsberichterstattung unserer Presse
Abhilfe geschaffen werden soll.

Den Hauptgrund für die auch von der
Presse zugegebenen Mängel auf dem Gebiete
der Gerichtsberichterstattung der Presse sieht
Professor Reiche! in der meist sehr mangelhaften
fachmännischer Vorbildung der Berichterstatter.
In Wirklichkeit ist das aber nur ein äußerer
Grund, dem unschwer abzuhelfen wäre. Der
wahre und letzte Grund der unzulänglichen
Gerichtsberichterstattung liegt vielmehr in der
mangelhaften, völlig ungenügenden Infor¬
mation der Presse über die tagtäglich vor
unseren Gerichten zur Verhandlung gelan¬
genden Sachen. Es gibt keine Stelle, welche
die Presse regelmäßig und ausreichend hier¬
über informieren würde, oder an der sich
die Presse eine solche Information holen
könnte. Eine Ausnahme machen nur die
Schwurgerichte, deren Tagesordnungen vor
jeder Sitzungsperiode veröffentlicht worden.
Die Gerichtsberichte über die Schwurgerichts¬
verhandlungen geben denn auch im allge¬
meinen zu Klagen wenig Anlaß. Hier ist
eben die Presse in der Lage, zu den ein¬
zelnen Sitzungen befähigte Berichterstatter zu
entsenden. Anders ist es mit unseren Schöffen-
und Amtsgerichten, Straf- und Zivilkammern.
Hier erfährt die Presse nur durch Zufall oder
durch besonders günstige Umstände, welche
Sachen in den einzelnen Sitzungen zur Ver¬
handlung stehen. Im allgemeinen weiß sie
nichts darüber. Sie weiß also auch vorher
nicht, welche unter den vielen Sachen vor¬
aussichtlich für die Öffentlichkeit Interesse
haben, welche nicht, und wohin sie mithin
einen befähigten, rechtskundigen Berichterstatter,
eventuell auch ein Mitglied der Redaktion zu
entsenden hatte, und wohin nicht. So ist sie
eben in ihrer Gerichtsberichterstattung auf den
gewöhnlichen, nieist sehr mangelhaft fach¬
männisch vorgebildeten Gerichtsberichterstatter
angewiesen. Und auch dieser hängt in seiner

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ganzen Tätigkeit vielfach vom Zufall ab. Er
wird sich bestreben, dahin zugehen, wo „voraus¬
sichtlich" etwas Wichtiges zur Verhandlung
kommt, damit die Zeitung seine Berichte auf¬
nimmt und er auf diese Weise etwas verdient.
Diese Berichterstatter werden ja meist nach
der Zellenzahl der abgedruckten Berichte von
den Redaktionen der einzelnen Blätter ho¬
noriert. So wird der Berichterstatter oft
zwischen Schöffengericht und Strafkammer,
zwischen Amtsgericht und Zivilkammer —
die ja vielfach nebeneinander tagen — hin
und herpendeln, um schließlich doch das
wirklich Wichtige zu versäumen oder nur
Bruchstücke zu hören, die er sich dann selbst
durch unzuverlässige Erkundigungen ergänzt.
Vielleicht wird er auch des lieben Verdienstes
halber Unwesentliches aufbauschen, ja ganze
Geschichten erfinden. Alles das ist schon da¬
gewesen. Die Redaktion hat ja keine Kon¬
trolle darüber, nur durch Zufall erfährt sie da¬
von. Wollte eine Redaktion eine zuverlässige und
umfassende Gerichtsberichterstattung Pflegen, so
müßte sie für Amts- und Schöffengericht, für
jede Zivil- und Strafkammer einen stän¬
digen fachmännischer Berichterstatter haben,
der den Verhandlungen der einzelnen Ge¬
richte von Anfang bis zum Schluß beiwohnte.
Das ist aber den meisten Blättern schon aus
finanziellen Gründen unmöglich. Auch die an
einzelnen Gerichten erfolgte „Kartellierung"
mehrerer Berichterstatter genügt nicht. Das
einzige wirksame Mittel zur Abhilfe wäre,
wenn unsere Gerichte sich entschließen könnten,
den einzelnen Blättern rechtzeitig ein Ver¬
zeichnis der an den einzelnen Terminen zur
Verhandlung kommenden Sachen, die kurz
charakterisiert sein müßten, zugängig zu machen.
Die Blätter wären dadurch in der Lage, aus
leichte Weise durch Entsendung eines fach¬
männischer Berichterstatters oder eines Re-
dnktionsmitgliedcs in die ihr Interesse bean¬
spruchenden Verhandlungen für eine zuläng¬
liche Berichterstattung zu sorgen, und sie
würden auch gerne einen entsprechenden Betrag
zur Deckung der durch die Anfertigung der
Verzeichnisse entstehenden Unkosten tragen.
Einen Teil dieser Berichterstattung könnten
ja auch die bei der Presse volontierenden
Referendare übernehmen. Damit allein möchte
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[0399] Maßgebliches und Unmaßgebliches juristische Ausbildung des Referendars, der dadurch die beste Gelegenheit hat, sich in der Kunst zu üben, rechtserhebliche Tatbestände aller Art richtig aufzufassen, richtig wiederzu¬ geben und juristisch richtig einzuwerten. Gleich¬ zeitig kann dadurch dem Interesse der Presse insofern gedient werden, als dadurch den berechtigten Klagen über - die Unzulänglich¬ keit der Gerichtsberichterstattung unserer Presse Abhilfe geschaffen werden soll. Den Hauptgrund für die auch von der Presse zugegebenen Mängel auf dem Gebiete der Gerichtsberichterstattung der Presse sieht Professor Reiche! in der meist sehr mangelhaften fachmännischer Vorbildung der Berichterstatter. In Wirklichkeit ist das aber nur ein äußerer Grund, dem unschwer abzuhelfen wäre. Der wahre und letzte Grund der unzulänglichen Gerichtsberichterstattung liegt vielmehr in der mangelhaften, völlig ungenügenden Infor¬ mation der Presse über die tagtäglich vor unseren Gerichten zur Verhandlung gelan¬ genden Sachen. Es gibt keine Stelle, welche die Presse regelmäßig und ausreichend hier¬ über informieren würde, oder an der sich die Presse eine solche Information holen könnte. Eine Ausnahme machen nur die Schwurgerichte, deren Tagesordnungen vor jeder Sitzungsperiode veröffentlicht worden. Die Gerichtsberichte über die Schwurgerichts¬ verhandlungen geben denn auch im allge¬ meinen zu Klagen wenig Anlaß. Hier ist eben die Presse in der Lage, zu den ein¬ zelnen Sitzungen befähigte Berichterstatter zu entsenden. Anders ist es mit unseren Schöffen- und Amtsgerichten, Straf- und Zivilkammern. Hier erfährt die Presse nur durch Zufall oder durch besonders günstige Umstände, welche Sachen in den einzelnen Sitzungen zur Ver¬ handlung stehen. Im allgemeinen weiß sie nichts darüber. Sie weiß also auch vorher nicht, welche unter den vielen Sachen vor¬ aussichtlich für die Öffentlichkeit Interesse haben, welche nicht, und wohin sie mithin einen befähigten, rechtskundigen Berichterstatter, eventuell auch ein Mitglied der Redaktion zu entsenden hatte, und wohin nicht. So ist sie eben in ihrer Gerichtsberichterstattung auf den gewöhnlichen, nieist sehr mangelhaft fach¬ männisch vorgebildeten Gerichtsberichterstatter angewiesen. Und auch dieser hängt in seiner ganzen Tätigkeit vielfach vom Zufall ab. Er wird sich bestreben, dahin zugehen, wo „voraus¬ sichtlich" etwas Wichtiges zur Verhandlung kommt, damit die Zeitung seine Berichte auf¬ nimmt und er auf diese Weise etwas verdient. Diese Berichterstatter werden ja meist nach der Zellenzahl der abgedruckten Berichte von den Redaktionen der einzelnen Blätter ho¬ noriert. So wird der Berichterstatter oft zwischen Schöffengericht und Strafkammer, zwischen Amtsgericht und Zivilkammer — die ja vielfach nebeneinander tagen — hin und herpendeln, um schließlich doch das wirklich Wichtige zu versäumen oder nur Bruchstücke zu hören, die er sich dann selbst durch unzuverlässige Erkundigungen ergänzt. Vielleicht wird er auch des lieben Verdienstes halber Unwesentliches aufbauschen, ja ganze Geschichten erfinden. Alles das ist schon da¬ gewesen. Die Redaktion hat ja keine Kon¬ trolle darüber, nur durch Zufall erfährt sie da¬ von. Wollte eine Redaktion eine zuverlässige und umfassende Gerichtsberichterstattung Pflegen, so müßte sie für Amts- und Schöffengericht, für jede Zivil- und Strafkammer einen stän¬ digen fachmännischer Berichterstatter haben, der den Verhandlungen der einzelnen Ge¬ richte von Anfang bis zum Schluß beiwohnte. Das ist aber den meisten Blättern schon aus finanziellen Gründen unmöglich. Auch die an einzelnen Gerichten erfolgte „Kartellierung" mehrerer Berichterstatter genügt nicht. Das einzige wirksame Mittel zur Abhilfe wäre, wenn unsere Gerichte sich entschließen könnten, den einzelnen Blättern rechtzeitig ein Ver¬ zeichnis der an den einzelnen Terminen zur Verhandlung kommenden Sachen, die kurz charakterisiert sein müßten, zugängig zu machen. Die Blätter wären dadurch in der Lage, aus leichte Weise durch Entsendung eines fach¬ männischer Berichterstatters oder eines Re- dnktionsmitgliedcs in die ihr Interesse bean¬ spruchenden Verhandlungen für eine zuläng¬ liche Berichterstattung zu sorgen, und sie würden auch gerne einen entsprechenden Betrag zur Deckung der durch die Anfertigung der Verzeichnisse entstehenden Unkosten tragen. Einen Teil dieser Berichterstattung könnten ja auch die bei der Presse volontierenden Referendare übernehmen. Damit allein möchte ich aber die Tätigkeit der Referendare bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/399>, abgerufen am 22.12.2024.