Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] halten an dem, was den besonderen Wert Damit berühren wir einen letzten Punkt. Ländern dienen. Folgerichtig hätte es als Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] halten an dem, was den besonderen Wert Damit berühren wir einen letzten Punkt. Ländern dienen. Folgerichtig hätte es als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325917"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1624" prev="#ID_1623"> halten an dem, was den besonderen Wert<lb/> des Seminars in seiner jetzigen Gestaltung<lb/> ausmacht. Das Seminar ist die einzige<lb/> staatliche Schule, an der man den praktischen<lb/> Gebrauch einer großen Anzahl fremder<lb/> Sprachen vollständig erlernen kann. Wer<lb/> anderweitig diesen Zweck erreichen will, ist<lb/> auf Privatunterricht oder Privatschulen an¬<lb/> gewiesen; die Universität kommt für derartige<lb/> Praktische Interessen kaum in Frage. Neben<lb/> diesen Praktischen aber müssen die rein wissen¬<lb/> schaftlichen Interessen in dem vorher ange¬<lb/> deuteten Sinne in vollem Maße zur Geltung<lb/> kommen: der wissenschaftliche Botrieb der<lb/> fremden Sprachen und die Einführung in die<lb/> geistige Kultur muß zu dem Praktischen<lb/> Sprachunterricht und der Kenntnis der<lb/> .Realien hinzutreten. Weiter würde es sich<lb/> wahrscheinlich empfehlen, den Kreis der be¬<lb/> handelten Sprachen weiter auszudehnen, be¬<lb/> sonders gewisse nicht vertretene europäische<lb/> Sprachen und etwa die Sprachen der Südsee<lb/> heranzuziehen. Die Verbindung rein Prak¬<lb/> tischer mit streng wissenschaftlichen Zwecken<lb/> trägt natürlich Schwierigkeiten in sich; aber<lb/> diese sind grundsätzlich von keiner anderen<lb/> Art, als sie auch bei den technischen Hoch¬<lb/> schulen bestehen. Für die Praktischen Zwecke<lb/> sind schon heute in allen Sprachen Lektoren<lb/> angestellt; daneben würden vielleicht weitere<lb/> Assistenten in Frage kommen. Jedenfalls<lb/> müßten die Professoren von diesen praktischen<lb/> Arbeiten erheblich entlastet werden, um für<lb/> den wissenschaftlichen Unterricht Zeit und<lb/> Kraft zu gewinnen. Wie an den übrigen<lb/> Hochschulen, würde ihnen die Leitung und<lb/> Beaufsichtigung der von den Assistenten und<lb/> Lektoren geleisteten Arbeiten verbleiben müssen.<lb/> Einzig das Hamburger Kolonialinstitut käme<lb/> als eine Anstalt von verwandten Zielen in<lb/> Betracht; aber in unserem deutschen Reiche<lb/> mit seinem heutigen wirtschaftlichen Leben<lb/> sollte doch Wohl auch für zwei derartige An¬<lb/> stalten Raum sein und vor allem dürfte das<lb/> Reich selbst sich diese Aufgabe nicht durch einen<lb/> Einzelstaat aus der Hand nehmen lassen.</p> <p xml:id="ID_1625" next="#ID_1626"> Damit berühren wir einen letzten Punkt.<lb/> Das Orientalische Seminar ist im Jahre 1887<lb/> ins Leben gerufen. Es sollte in erster Linie<lb/> der Heranbildung von Reichsbeamten für den<lb/> Auslandsdienst in asiatischen und afrikanischen</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1626" prev="#ID_1625"> Ländern dienen. Folgerichtig hätte es als<lb/> eine Reichsanstalt errichtet werden müssen.<lb/> Tatsächlich wurde ein Vertrag zwischen dem<lb/> Reiche und Preußen geschlossen, wonach sich<lb/> beide in die Kosten teilten und Preußen,<lb/> hauptsächlich weil es dem Reiche an einer<lb/> Behörde für Unterrichtsverwaltung überhaupt<lb/> gebrach, die Verwaltung übernahm. Daß<lb/> Berlin zum Sitz bestimmt wurde, war fast<lb/> selbstverständlich. Daß die Anstalt dann aber<lb/> an die Berliner Universität äußerlich ange¬<lb/> gliedert und als ein Seminar an ihr be¬<lb/> zeichnet wurde, beruht auf einer rein äußer¬<lb/> lichen Analogie, die nach jeder Richtung hin<lb/> in die Irre führt. Die Seminare an den<lb/> Universitäten dienen der Vertiefung des<lb/> Studiums in einem einzelnen an der<lb/> Universität betriebenen Fache. Nicht ein¬<lb/> mal für diejenigen orientalischen Sprachen,<lb/> für die eine ordentliche Professur an<lb/> der Berliner Universität besteht, trifft<lb/> dieses Verhältnis des Seminars zum Uni¬<lb/> versitätsunterricht zu. Das Seminar hat<lb/> völlig andere Aufgaben, ein anderes Publi¬<lb/> kum und andere Zulassungsbedingungen.<lb/> Ebenso sind seine Lehrer nicht Assistenten<lb/> und andere jüngere Leute in vorüber¬<lb/> gehender Stellung, sondern vorwiegend<lb/> ältere Gelehrte mit völlig selbständigem Wir¬<lb/> kungskreis, deren Stellung einer Professur an<lb/> der Universität entspricht oder vielmehr ent¬<lb/> sprechen sollte. Daher ist auch der Name<lb/> eines Seminars so unpassend wie möglich.<lb/> Anläßlich des fünfundzwanzigjährigen Be¬<lb/> stehens unserer Anstalt wurde im vorigen<lb/> Jahre eine amtliche Denkschrift über sie her¬<lb/> ausgegeben, in der sie als eine „öffentliche<lb/> akademische Hochschule", an anderer Stelle<lb/> als eine „orientalische und Kolonialakademie"<lb/> bezeichnet wird. Dieses Wort enthält ein<lb/> ganzes Programm in sich. Möge es nun<lb/> auch verwirklicht werden. Wir leben in einer<lb/> Zeit gewaltiger Kraftentfaltung, in der alles<lb/> stürmisch vorwärts drängt, überall neue Bahnen<lb/> beschritten und insbesondere auch im Hoch-<lb/> schulleben nicht nur die Anzahl der Hoch¬<lb/> schulen vermehrt, sondern auch neue Arten<lb/> von solchen geschaffen werden. Will in dieser<lb/> allgemeinen Bewegung allein das Orien¬<lb/> talische Seminar fortfahren als bescheidenes<lb/> Veilchen im Stillen zu blühen?</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0397]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
halten an dem, was den besonderen Wert
des Seminars in seiner jetzigen Gestaltung
ausmacht. Das Seminar ist die einzige
staatliche Schule, an der man den praktischen
Gebrauch einer großen Anzahl fremder
Sprachen vollständig erlernen kann. Wer
anderweitig diesen Zweck erreichen will, ist
auf Privatunterricht oder Privatschulen an¬
gewiesen; die Universität kommt für derartige
Praktische Interessen kaum in Frage. Neben
diesen Praktischen aber müssen die rein wissen¬
schaftlichen Interessen in dem vorher ange¬
deuteten Sinne in vollem Maße zur Geltung
kommen: der wissenschaftliche Botrieb der
fremden Sprachen und die Einführung in die
geistige Kultur muß zu dem Praktischen
Sprachunterricht und der Kenntnis der
.Realien hinzutreten. Weiter würde es sich
wahrscheinlich empfehlen, den Kreis der be¬
handelten Sprachen weiter auszudehnen, be¬
sonders gewisse nicht vertretene europäische
Sprachen und etwa die Sprachen der Südsee
heranzuziehen. Die Verbindung rein Prak¬
tischer mit streng wissenschaftlichen Zwecken
trägt natürlich Schwierigkeiten in sich; aber
diese sind grundsätzlich von keiner anderen
Art, als sie auch bei den technischen Hoch¬
schulen bestehen. Für die Praktischen Zwecke
sind schon heute in allen Sprachen Lektoren
angestellt; daneben würden vielleicht weitere
Assistenten in Frage kommen. Jedenfalls
müßten die Professoren von diesen praktischen
Arbeiten erheblich entlastet werden, um für
den wissenschaftlichen Unterricht Zeit und
Kraft zu gewinnen. Wie an den übrigen
Hochschulen, würde ihnen die Leitung und
Beaufsichtigung der von den Assistenten und
Lektoren geleisteten Arbeiten verbleiben müssen.
Einzig das Hamburger Kolonialinstitut käme
als eine Anstalt von verwandten Zielen in
Betracht; aber in unserem deutschen Reiche
mit seinem heutigen wirtschaftlichen Leben
sollte doch Wohl auch für zwei derartige An¬
stalten Raum sein und vor allem dürfte das
Reich selbst sich diese Aufgabe nicht durch einen
Einzelstaat aus der Hand nehmen lassen.
Damit berühren wir einen letzten Punkt.
Das Orientalische Seminar ist im Jahre 1887
ins Leben gerufen. Es sollte in erster Linie
der Heranbildung von Reichsbeamten für den
Auslandsdienst in asiatischen und afrikanischen
Ländern dienen. Folgerichtig hätte es als
eine Reichsanstalt errichtet werden müssen.
Tatsächlich wurde ein Vertrag zwischen dem
Reiche und Preußen geschlossen, wonach sich
beide in die Kosten teilten und Preußen,
hauptsächlich weil es dem Reiche an einer
Behörde für Unterrichtsverwaltung überhaupt
gebrach, die Verwaltung übernahm. Daß
Berlin zum Sitz bestimmt wurde, war fast
selbstverständlich. Daß die Anstalt dann aber
an die Berliner Universität äußerlich ange¬
gliedert und als ein Seminar an ihr be¬
zeichnet wurde, beruht auf einer rein äußer¬
lichen Analogie, die nach jeder Richtung hin
in die Irre führt. Die Seminare an den
Universitäten dienen der Vertiefung des
Studiums in einem einzelnen an der
Universität betriebenen Fache. Nicht ein¬
mal für diejenigen orientalischen Sprachen,
für die eine ordentliche Professur an
der Berliner Universität besteht, trifft
dieses Verhältnis des Seminars zum Uni¬
versitätsunterricht zu. Das Seminar hat
völlig andere Aufgaben, ein anderes Publi¬
kum und andere Zulassungsbedingungen.
Ebenso sind seine Lehrer nicht Assistenten
und andere jüngere Leute in vorüber¬
gehender Stellung, sondern vorwiegend
ältere Gelehrte mit völlig selbständigem Wir¬
kungskreis, deren Stellung einer Professur an
der Universität entspricht oder vielmehr ent¬
sprechen sollte. Daher ist auch der Name
eines Seminars so unpassend wie möglich.
Anläßlich des fünfundzwanzigjährigen Be¬
stehens unserer Anstalt wurde im vorigen
Jahre eine amtliche Denkschrift über sie her¬
ausgegeben, in der sie als eine „öffentliche
akademische Hochschule", an anderer Stelle
als eine „orientalische und Kolonialakademie"
bezeichnet wird. Dieses Wort enthält ein
ganzes Programm in sich. Möge es nun
auch verwirklicht werden. Wir leben in einer
Zeit gewaltiger Kraftentfaltung, in der alles
stürmisch vorwärts drängt, überall neue Bahnen
beschritten und insbesondere auch im Hoch-
schulleben nicht nur die Anzahl der Hoch¬
schulen vermehrt, sondern auch neue Arten
von solchen geschaffen werden. Will in dieser
allgemeinen Bewegung allein das Orien¬
talische Seminar fortfahren als bescheidenes
Veilchen im Stillen zu blühen?
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