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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Nach der Entspannung

Verdammung und des Verkennens betrogen ist, so wähnt sie sich "bezaubert"
und heult in Wut auf.

Hat, um es nicht bei der unbestimmten Andeutung von vorhin zu belassen, dieses
Künstlerleben in seinem erfolgreichen Willen zur Geltung nicht eine zwingende
Ähnlichkeit mit dem Genius, der vor hundert Jahren Europa -- bezauberte?
Im Leben Napoleons findet sich just dieselbe Technik, sich um jeden Preis
durchzusetzen. Und bald nach seinem Tode hören wir eine ähnliche, auf dieselbe
Tonart gestimmte Kritik (Thiers u. a.), die die tausend Disharmonien und
unsympathischen Episoden eifrig zusammenträgt.

Und hätten beide nichts anderes aufzuweisen (sie Habens am Ende doch),
als diesen Urwillen zum persönlichen Erfolg mit dieser massenbezaubernden
Wirkung, diesen Genius, zu zwingen, sie hätten für den menschlichen Richter
alle Mittel durch eben diesen Genius geheiligt und wären unvergänglich.

Dieses Leben vollends hat ein Werk hinterlassen, das es doppelt recht¬
fertigt.

Und von diesem Werk, Herr Emil Ludwig, sprechen wir bei der nächsten
Gelegenheit.




Nach der Entspannung
Deutsche lvirtschaftsinteressen im Ausland

Hoffnung, daß die politische Entspannung eine schnelle und
t^V" ^ durchgreifende Rückwirkung auf das internationale Wirtfchafts-
>M>l'° ausüben werde, hat sich bisher nicht erfüllt. Insbesondere

läßt die Entwicklung der Geldverhältnisse durchaus nicht erkennen,
M^"" ol^ü daß sich die so sehnlich erwünschte Wendung zum Bessern an¬
bahnt. Noch immer steht der internationale Geldmarkt unter dem Drucke einer
außergewöhnlichen Spannung. Nirgends freilich mehr als in Deutschland, wo
die Reichsbank sich ganz außerstande sieht, den sechsprozentigen Zinsfuß zu
ermäßigen und wo dementsprechend auch die Zinssätze des Marktes eine
exorbitante Höhe bewahren. Diese Erscheinung ist indessen weniger auffallend,
wenn man bedenkt, daß die politischen Verhältnisse nicht in letzter Linie oder
gar ausschließlich die Steigerung der Zinssätze verursacht haben. Vielmehr ist
die Ursache für die letztere durchaus in der internationalen Konjunktur und
dem damit verbundenem Geldbedarf zu suchen. Selbstverständlich haben die
politischen Unruhen und die Kriegsbefürchtungen die Situation verschärft, weil
sie eine große Zurückhaltung des Kapitals zur natürlichen Folge hatten. Aber
es scheint fast, als sei die unmittelbare Einwirkung der Tesaurierung auf den


Nach der Entspannung

Verdammung und des Verkennens betrogen ist, so wähnt sie sich „bezaubert"
und heult in Wut auf.

Hat, um es nicht bei der unbestimmten Andeutung von vorhin zu belassen, dieses
Künstlerleben in seinem erfolgreichen Willen zur Geltung nicht eine zwingende
Ähnlichkeit mit dem Genius, der vor hundert Jahren Europa — bezauberte?
Im Leben Napoleons findet sich just dieselbe Technik, sich um jeden Preis
durchzusetzen. Und bald nach seinem Tode hören wir eine ähnliche, auf dieselbe
Tonart gestimmte Kritik (Thiers u. a.), die die tausend Disharmonien und
unsympathischen Episoden eifrig zusammenträgt.

Und hätten beide nichts anderes aufzuweisen (sie Habens am Ende doch),
als diesen Urwillen zum persönlichen Erfolg mit dieser massenbezaubernden
Wirkung, diesen Genius, zu zwingen, sie hätten für den menschlichen Richter
alle Mittel durch eben diesen Genius geheiligt und wären unvergänglich.

Dieses Leben vollends hat ein Werk hinterlassen, das es doppelt recht¬
fertigt.

Und von diesem Werk, Herr Emil Ludwig, sprechen wir bei der nächsten
Gelegenheit.




Nach der Entspannung
Deutsche lvirtschaftsinteressen im Ausland

Hoffnung, daß die politische Entspannung eine schnelle und
t^V« ^ durchgreifende Rückwirkung auf das internationale Wirtfchafts-
>M>l'° ausüben werde, hat sich bisher nicht erfüllt. Insbesondere

läßt die Entwicklung der Geldverhältnisse durchaus nicht erkennen,
M^«» ol^ü daß sich die so sehnlich erwünschte Wendung zum Bessern an¬
bahnt. Noch immer steht der internationale Geldmarkt unter dem Drucke einer
außergewöhnlichen Spannung. Nirgends freilich mehr als in Deutschland, wo
die Reichsbank sich ganz außerstande sieht, den sechsprozentigen Zinsfuß zu
ermäßigen und wo dementsprechend auch die Zinssätze des Marktes eine
exorbitante Höhe bewahren. Diese Erscheinung ist indessen weniger auffallend,
wenn man bedenkt, daß die politischen Verhältnisse nicht in letzter Linie oder
gar ausschließlich die Steigerung der Zinssätze verursacht haben. Vielmehr ist
die Ursache für die letztere durchaus in der internationalen Konjunktur und
dem damit verbundenem Geldbedarf zu suchen. Selbstverständlich haben die
politischen Unruhen und die Kriegsbefürchtungen die Situation verschärft, weil
sie eine große Zurückhaltung des Kapitals zur natürlichen Folge hatten. Aber
es scheint fast, als sei die unmittelbare Einwirkung der Tesaurierung auf den


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[0392] Nach der Entspannung Verdammung und des Verkennens betrogen ist, so wähnt sie sich „bezaubert" und heult in Wut auf. Hat, um es nicht bei der unbestimmten Andeutung von vorhin zu belassen, dieses Künstlerleben in seinem erfolgreichen Willen zur Geltung nicht eine zwingende Ähnlichkeit mit dem Genius, der vor hundert Jahren Europa — bezauberte? Im Leben Napoleons findet sich just dieselbe Technik, sich um jeden Preis durchzusetzen. Und bald nach seinem Tode hören wir eine ähnliche, auf dieselbe Tonart gestimmte Kritik (Thiers u. a.), die die tausend Disharmonien und unsympathischen Episoden eifrig zusammenträgt. Und hätten beide nichts anderes aufzuweisen (sie Habens am Ende doch), als diesen Urwillen zum persönlichen Erfolg mit dieser massenbezaubernden Wirkung, diesen Genius, zu zwingen, sie hätten für den menschlichen Richter alle Mittel durch eben diesen Genius geheiligt und wären unvergänglich. Dieses Leben vollends hat ein Werk hinterlassen, das es doppelt recht¬ fertigt. Und von diesem Werk, Herr Emil Ludwig, sprechen wir bei der nächsten Gelegenheit. Nach der Entspannung Deutsche lvirtschaftsinteressen im Ausland Hoffnung, daß die politische Entspannung eine schnelle und t^V« ^ durchgreifende Rückwirkung auf das internationale Wirtfchafts- >M>l'° ausüben werde, hat sich bisher nicht erfüllt. Insbesondere läßt die Entwicklung der Geldverhältnisse durchaus nicht erkennen, M^«» ol^ü daß sich die so sehnlich erwünschte Wendung zum Bessern an¬ bahnt. Noch immer steht der internationale Geldmarkt unter dem Drucke einer außergewöhnlichen Spannung. Nirgends freilich mehr als in Deutschland, wo die Reichsbank sich ganz außerstande sieht, den sechsprozentigen Zinsfuß zu ermäßigen und wo dementsprechend auch die Zinssätze des Marktes eine exorbitante Höhe bewahren. Diese Erscheinung ist indessen weniger auffallend, wenn man bedenkt, daß die politischen Verhältnisse nicht in letzter Linie oder gar ausschließlich die Steigerung der Zinssätze verursacht haben. Vielmehr ist die Ursache für die letztere durchaus in der internationalen Konjunktur und dem damit verbundenem Geldbedarf zu suchen. Selbstverständlich haben die politischen Unruhen und die Kriegsbefürchtungen die Situation verschärft, weil sie eine große Zurückhaltung des Kapitals zur natürlichen Folge hatten. Aber es scheint fast, als sei die unmittelbare Einwirkung der Tesaurierung auf den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/392>, abgerufen am 30.12.2024.