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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismcircks

Vorteil gewährt, selbst wenn sie mißlingt, beschränkteren Patrioten gegenüber
als deutsche Bundestreue und edle Selbstverleugnung verwertet werden zu können.

Schauen wir deshalb der Frage etwas näher ins Gesicht, ob der Herzog
Ernst begründete Aussicht hat. mit seiner Vermittlerrolle zu reussieren, so müssen
wir zunächst das österreichische Dementi jener Rolle auf seinen wahren Wert
zurückführen. Wir sind in dieser Beziehung soweit unterrichtet, um zu wissen
woran wir sind, und daß die Handhabung doch nicht fein genug war, um die
Illusion bis ans Ende aufrecht erhalten zu können. Der Hauptgrund dieses
Mißerfolges war die Künstlichkeit, mit welcher das patriotische Schauspiel in
Szene gesetzt wurde. Umgeben mit dem ganzen politischen Apparat seiner
Familie und gewohnt, diesen stets in vollem Orchester spielen zu lassen, wider¬
fuhr Sr. Hoheit dem Herzoge von Koburg das eigentümliche Mißgeschick, eine
zu volltönende Resonanz seiner Melodie zu finden und in der vielstimmigen
Warnung vor der Gefährlichkeit der preußischen Politik, seine Vermittlerrolle
einfach als eine diplomatische Verschwörung enthüllt zu sehen. Man weiß in
Berlin, daß der Graf Bismarck dem Herzog von Koburg und seinen politischen
Freunden sehr unbequem ist; man weiß nicht minder, daß die leitenden Staats¬
männer in Wien wohl lieber mit einem anderen auswärtigen Minister Preußens
verhandelten. Und wie der Dichter sagt -- es macht der Vorteil den Ge¬
fährten. Um deswillen hätte es auch kaum der politischen Vergangenheit des
fürstlichen Vermittlers bedurft, um seine Aussaat hier auf einen unfruchtbaren
Boden fallen zu lassen. Man kennt den Mann, man kennt den Zweck, man
kennt die Mittel -- und es dürfte förderlicher gewesen sein, wenn man in Wien
den gewöhnlichen Geschäftsgang nicht verlassen hätte. Zur Begründung dieses
Wunsches wird es kaum vonnöten sein, dem Wiener Kabinett einen kurzen
Abriß der preußischen Geschichte und der österreichischen Politik seit den Tagen
des großen Kurfürsten bis auf den heutigen Tag vorzuführen. Die Geschichte der
letzten Jahre spricht laut und beredt genug, um die Wahrheit zu erhärten, daß in
Wien das diplomatische Hilfsbüchlein des großen Friedrich die meiste Anerkennung
gefunden hat. und daß uns deshalb auch nichts in dem Maße eine Aussicht auf einen
dauernden ehrenvollen Frieden gewährt, als wenn wir dem Wiener Kabinett keinen
Zweifel darüber lassen, daß wir mit demselben nicht über Ministerveränderung
in Preußen, sondern über die ebenbürtige Stellung in Deutschland verhandeln."

Die Artikel hatten ein interessantes Nachspiel. Die Kronprinzessin, empört
über die Art. wie ihrem Onkel mitgespielt war, bat ihre Schwiegermutter, die
Königin Augusta. dem König die beiden Artikel der Kreuzzeitung mit Protest
zu überreichen. Die Königin hat dies getan:

Königin Augusta an König Wilhelm*):

(wohl 7. April 1866)

Entschuldige diese Mitteilung (zwei Nummern der Kreuzzeitung Ur. 78 und 79)
Vickys. die ich pflichtgemäß zu Deiner Kenntnis bringe.
"



*) Vgl. Tempeltey 33 und 34 und Lorenz. "Kaiser Wilhelm und die Begründung des
Deutschen Reiches," S. SK7.
Fürstliche Gegner Bismcircks

Vorteil gewährt, selbst wenn sie mißlingt, beschränkteren Patrioten gegenüber
als deutsche Bundestreue und edle Selbstverleugnung verwertet werden zu können.

Schauen wir deshalb der Frage etwas näher ins Gesicht, ob der Herzog
Ernst begründete Aussicht hat. mit seiner Vermittlerrolle zu reussieren, so müssen
wir zunächst das österreichische Dementi jener Rolle auf seinen wahren Wert
zurückführen. Wir sind in dieser Beziehung soweit unterrichtet, um zu wissen
woran wir sind, und daß die Handhabung doch nicht fein genug war, um die
Illusion bis ans Ende aufrecht erhalten zu können. Der Hauptgrund dieses
Mißerfolges war die Künstlichkeit, mit welcher das patriotische Schauspiel in
Szene gesetzt wurde. Umgeben mit dem ganzen politischen Apparat seiner
Familie und gewohnt, diesen stets in vollem Orchester spielen zu lassen, wider¬
fuhr Sr. Hoheit dem Herzoge von Koburg das eigentümliche Mißgeschick, eine
zu volltönende Resonanz seiner Melodie zu finden und in der vielstimmigen
Warnung vor der Gefährlichkeit der preußischen Politik, seine Vermittlerrolle
einfach als eine diplomatische Verschwörung enthüllt zu sehen. Man weiß in
Berlin, daß der Graf Bismarck dem Herzog von Koburg und seinen politischen
Freunden sehr unbequem ist; man weiß nicht minder, daß die leitenden Staats¬
männer in Wien wohl lieber mit einem anderen auswärtigen Minister Preußens
verhandelten. Und wie der Dichter sagt — es macht der Vorteil den Ge¬
fährten. Um deswillen hätte es auch kaum der politischen Vergangenheit des
fürstlichen Vermittlers bedurft, um seine Aussaat hier auf einen unfruchtbaren
Boden fallen zu lassen. Man kennt den Mann, man kennt den Zweck, man
kennt die Mittel — und es dürfte förderlicher gewesen sein, wenn man in Wien
den gewöhnlichen Geschäftsgang nicht verlassen hätte. Zur Begründung dieses
Wunsches wird es kaum vonnöten sein, dem Wiener Kabinett einen kurzen
Abriß der preußischen Geschichte und der österreichischen Politik seit den Tagen
des großen Kurfürsten bis auf den heutigen Tag vorzuführen. Die Geschichte der
letzten Jahre spricht laut und beredt genug, um die Wahrheit zu erhärten, daß in
Wien das diplomatische Hilfsbüchlein des großen Friedrich die meiste Anerkennung
gefunden hat. und daß uns deshalb auch nichts in dem Maße eine Aussicht auf einen
dauernden ehrenvollen Frieden gewährt, als wenn wir dem Wiener Kabinett keinen
Zweifel darüber lassen, daß wir mit demselben nicht über Ministerveränderung
in Preußen, sondern über die ebenbürtige Stellung in Deutschland verhandeln."

Die Artikel hatten ein interessantes Nachspiel. Die Kronprinzessin, empört
über die Art. wie ihrem Onkel mitgespielt war, bat ihre Schwiegermutter, die
Königin Augusta. dem König die beiden Artikel der Kreuzzeitung mit Protest
zu überreichen. Die Königin hat dies getan:

Königin Augusta an König Wilhelm*):

(wohl 7. April 1866)

Entschuldige diese Mitteilung (zwei Nummern der Kreuzzeitung Ur. 78 und 79)
Vickys. die ich pflichtgemäß zu Deiner Kenntnis bringe.
"



*) Vgl. Tempeltey 33 und 34 und Lorenz. „Kaiser Wilhelm und die Begründung des
Deutschen Reiches," S. SK7.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/39>, abgerufen am 27.07.2024.