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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

König Wilhelm an Herzog Ernst den Zweiten.

4. April 186".

Schon im July 1865 rüstete ich, da ich Krieg befürchten mußte. Gastein
erhielt den Frieden.

Seitdem wurde es schlimmer als zuvor.

Daher Kriegs Luft; aber auf Minister Äußerung pflegt man nicht döfensiv
Rüstungen in dem jetzigen Maße wie in Böhmen anzuordnen.

Wir wissen sehr wohl, was in Böhmen stehet, wer in seinem Standbezirk
stehet, was auf dem Marsch ist.

Man will uns täuschen, weil noch alles auf dem Friedensfuß, und spricht
von Judenkrawall Unterdrückung, die im südlichen Böhmen stattfinden und
nicht im nördlichen, wo alle Truppen konzentriert sind.

Pferdelieferungen sind stipuliert, aber Pferde noch nicht abgeliefert.

Das alles fand statt, ehe in Preußen auch nur ein Mann und Pferd
gerührt ward. Vom 13. bis 28. März sah ich dem allen staunend zu! Dann
erst traf ich die bekannten Anordnungen. .

Wie kann man also behaupten, daß Preußen Offensivabsichtxn hegte?
Gegen die man sich schützen müsse!

Österreich hat alle Anordnungen getroffen, um so schnell wie Preußen
mobil werden zu können, p>u8 einer Anzahl von zwölf Kavallerieregimentern in
Böhmen.

Dies ist Antwort auf den M-Brief; und meine Antwort nach Wien auf
die Carolui-Note wird Dir alles nähere zeigen.

W. 4. April 66.

Es scheint fast, als ob der König gegen den Willen und ohne Vorwissen,
des Ministers die rücksichtslose Form der Antwort unterlassen hat. Auch sonst
ist das Verhalten des Königs in der kurzen Zeitspanne, in die die koburgisch-
englischen Beeinflussungsversuche fallen, die in ihrer Wirkung durch ungünstige
Berichte des preußischen Botschafters in Paris über Napoleons Verhalten umer-
stützt wurden, nicht frei von Schwankungen.

Am 3. April erbittet der König die Antwort auf die österreichische Note
vom 31. März, die er auf Abekens Zureden, trotz seiner Empfindung,, sie sei
doch etwas sehr kalt und schroff im Vergleich zu der Österreichs, schon genehmigt
hatte, zurück, um sie nochmals durchzulesen. Trotz des wiederholten energischen
Protestes Bismarcks nimmt der König einzelne Änderungen vor. In Berlin
kommen auch sofort Gerüchte auf, der König zaudere, so entschlossen gegen
Österreich vorzugehen, wie Bismarck wolle. Schärfer als vorher erhebt die
Friedenspartei ihre Stimme. So erklärt damals der liberale Führer Theodor
Bethmann-Hollweg: wenn das so fortgehe, werde er sein Gut verkaufen und
sich anderswo ansiedeln; denn in einem Lande, in dem solche Tollheiten getrieben
würden, könne man nicht bleiben. Von der Ursache dieser Wirkungen ziehen
die Worte des eingeweihten Kriegsministers Roon den Schleier. Denn gerade


Fürstliche Gegner Bismarcks

König Wilhelm an Herzog Ernst den Zweiten.

4. April 186«.

Schon im July 1865 rüstete ich, da ich Krieg befürchten mußte. Gastein
erhielt den Frieden.

Seitdem wurde es schlimmer als zuvor.

Daher Kriegs Luft; aber auf Minister Äußerung pflegt man nicht döfensiv
Rüstungen in dem jetzigen Maße wie in Böhmen anzuordnen.

Wir wissen sehr wohl, was in Böhmen stehet, wer in seinem Standbezirk
stehet, was auf dem Marsch ist.

Man will uns täuschen, weil noch alles auf dem Friedensfuß, und spricht
von Judenkrawall Unterdrückung, die im südlichen Böhmen stattfinden und
nicht im nördlichen, wo alle Truppen konzentriert sind.

Pferdelieferungen sind stipuliert, aber Pferde noch nicht abgeliefert.

Das alles fand statt, ehe in Preußen auch nur ein Mann und Pferd
gerührt ward. Vom 13. bis 28. März sah ich dem allen staunend zu! Dann
erst traf ich die bekannten Anordnungen. .

Wie kann man also behaupten, daß Preußen Offensivabsichtxn hegte?
Gegen die man sich schützen müsse!

Österreich hat alle Anordnungen getroffen, um so schnell wie Preußen
mobil werden zu können, p>u8 einer Anzahl von zwölf Kavallerieregimentern in
Böhmen.

Dies ist Antwort auf den M-Brief; und meine Antwort nach Wien auf
die Carolui-Note wird Dir alles nähere zeigen.

W. 4. April 66.

Es scheint fast, als ob der König gegen den Willen und ohne Vorwissen,
des Ministers die rücksichtslose Form der Antwort unterlassen hat. Auch sonst
ist das Verhalten des Königs in der kurzen Zeitspanne, in die die koburgisch-
englischen Beeinflussungsversuche fallen, die in ihrer Wirkung durch ungünstige
Berichte des preußischen Botschafters in Paris über Napoleons Verhalten umer-
stützt wurden, nicht frei von Schwankungen.

Am 3. April erbittet der König die Antwort auf die österreichische Note
vom 31. März, die er auf Abekens Zureden, trotz seiner Empfindung,, sie sei
doch etwas sehr kalt und schroff im Vergleich zu der Österreichs, schon genehmigt
hatte, zurück, um sie nochmals durchzulesen. Trotz des wiederholten energischen
Protestes Bismarcks nimmt der König einzelne Änderungen vor. In Berlin
kommen auch sofort Gerüchte auf, der König zaudere, so entschlossen gegen
Österreich vorzugehen, wie Bismarck wolle. Schärfer als vorher erhebt die
Friedenspartei ihre Stimme. So erklärt damals der liberale Führer Theodor
Bethmann-Hollweg: wenn das so fortgehe, werde er sein Gut verkaufen und
sich anderswo ansiedeln; denn in einem Lande, in dem solche Tollheiten getrieben
würden, könne man nicht bleiben. Von der Ursache dieser Wirkungen ziehen
die Worte des eingeweihten Kriegsministers Roon den Schleier. Denn gerade


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[0036] Fürstliche Gegner Bismarcks König Wilhelm an Herzog Ernst den Zweiten. 4. April 186«. Schon im July 1865 rüstete ich, da ich Krieg befürchten mußte. Gastein erhielt den Frieden. Seitdem wurde es schlimmer als zuvor. Daher Kriegs Luft; aber auf Minister Äußerung pflegt man nicht döfensiv Rüstungen in dem jetzigen Maße wie in Böhmen anzuordnen. Wir wissen sehr wohl, was in Böhmen stehet, wer in seinem Standbezirk stehet, was auf dem Marsch ist. Man will uns täuschen, weil noch alles auf dem Friedensfuß, und spricht von Judenkrawall Unterdrückung, die im südlichen Böhmen stattfinden und nicht im nördlichen, wo alle Truppen konzentriert sind. Pferdelieferungen sind stipuliert, aber Pferde noch nicht abgeliefert. Das alles fand statt, ehe in Preußen auch nur ein Mann und Pferd gerührt ward. Vom 13. bis 28. März sah ich dem allen staunend zu! Dann erst traf ich die bekannten Anordnungen. . Wie kann man also behaupten, daß Preußen Offensivabsichtxn hegte? Gegen die man sich schützen müsse! Österreich hat alle Anordnungen getroffen, um so schnell wie Preußen mobil werden zu können, p>u8 einer Anzahl von zwölf Kavallerieregimentern in Böhmen. Dies ist Antwort auf den M-Brief; und meine Antwort nach Wien auf die Carolui-Note wird Dir alles nähere zeigen. W. 4. April 66. Es scheint fast, als ob der König gegen den Willen und ohne Vorwissen, des Ministers die rücksichtslose Form der Antwort unterlassen hat. Auch sonst ist das Verhalten des Königs in der kurzen Zeitspanne, in die die koburgisch- englischen Beeinflussungsversuche fallen, die in ihrer Wirkung durch ungünstige Berichte des preußischen Botschafters in Paris über Napoleons Verhalten umer- stützt wurden, nicht frei von Schwankungen. Am 3. April erbittet der König die Antwort auf die österreichische Note vom 31. März, die er auf Abekens Zureden, trotz seiner Empfindung,, sie sei doch etwas sehr kalt und schroff im Vergleich zu der Österreichs, schon genehmigt hatte, zurück, um sie nochmals durchzulesen. Trotz des wiederholten energischen Protestes Bismarcks nimmt der König einzelne Änderungen vor. In Berlin kommen auch sofort Gerüchte auf, der König zaudere, so entschlossen gegen Österreich vorzugehen, wie Bismarck wolle. Schärfer als vorher erhebt die Friedenspartei ihre Stimme. So erklärt damals der liberale Führer Theodor Bethmann-Hollweg: wenn das so fortgehe, werde er sein Gut verkaufen und sich anderswo ansiedeln; denn in einem Lande, in dem solche Tollheiten getrieben würden, könne man nicht bleiben. Von der Ursache dieser Wirkungen ziehen die Worte des eingeweihten Kriegsministers Roon den Schleier. Denn gerade

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/36>, abgerufen am 27.07.2024.