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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

nicht eine persönliche Zusammenkunft möglich ist. jetzt noch Erfolg verspreche.
Noch ist der König, wenn nicht alle Anzeichen trügen, nicht zum Äußersten
entschlossen; aber ein Tag zu spät, und das Schlimmste ist vielleicht unwider¬
ruflich geschehen. Ich bitte Dich persönlich, beide anliegende Handschreiben dem
Kaiser vorzulegen, mit der Bitte um die größte Diskretion, und mir dieselben,
Ernst. ohne eine Abschrift zu dulden, wieder zurückzusenden....

Jn Wien wurde den Ratschlägen, die der Herzog empfohlen, nicht ent¬
sprochen. Bei der gespannten Lage konnte von einem persönlichen Zusammen¬
treffen der Herrscher nicht mehr die Rede sein. Auch von einem Handschreiben
des Kaisers wurde abgesehen. Dagegen entwarf Mensdorff nach den ihm in
dem herzoglichen Schreiben an die Hand gegebenen Gesichtspunkten ein Schreiben
an seinen Vetter augenscheinlich zu dem Zweck, daß es von ihm nach Berlin
weitergegeben werden sollte. In einem Punkt ging der österreichische Minister¬
präsident sogar über die Vorschläge des Herzogs von Koburg hinaus. Er hob
zwar hervor, daß es dem Kaiser Franz Joseph nicht zugemutet werden könne,
daß er österreichisches Blut habe vergießen lassen, um einseitig Preußen zum
Nachteil der österreichischen Stellung im Bunde zu vergrößern. Anderseits
deutete er jedoch an, daß die durch die Gasteiner Konvention Preußen ein¬
geräumte Bevorzugung bei der schließlichen Lösung gewiß noch eine präzisere
Form erlangt haben würde. Es entsprach dieser Hinweis ganz seiner Auf¬
fassung, die er in Wien der Kriegspartei gegenüber vertrat, Österreich möge
sich um den Preis einiger Zugeständnisse in Deutschland mit König Wilhelm
über den Kopf seines Ministers hinweg verständigen.

Doch hören wir den Wortlaut des Briefes:

Graf Mensdorff an Herzog Ernst den Zweiten*).

Wien, 31. März 1866.

Baron v. Meyern wird Dir berichten, wie wenig hier irgend jemand an
einen Angriff auf Preußen denkt. Das in Berlin eingeschlagene Verfahren läßt
sich schwer anders erklären, als daß man eben hofft, indem man leichtsinnig
mit der in Deutschlands friedliche Gauen geschleuderten Brandfackel einen in
seinen Folgen unberechenbaren Weltbrand entzündet, in dem daraus entstehenden
Chaos einige Vorteile für Preußen zu fischen. Werden sie des Preises wert sein?

Mit Perfidie hat man dem König alles, was von österreichischer Seite
geschehen ist, als feindliche Demonstrationen gegen seine Person und seine Ehre
und alle gehässigen Artikel einer, dank der ihr gewährten Freiheit, schranken¬
losen Presse als österreichischer Jnspirierung entsprungen darzustellen gesucht.
Einige Dislozierungen, die hauptsächlich wegen der in Böhmen stattgehabten
Unruhen vorgenommen wurden und welche sich schließlich auf die Verstärkung



") Im Auszug Sei Tempeltey S. 26 ff.
Fürstliche Gegner Bismarcks

nicht eine persönliche Zusammenkunft möglich ist. jetzt noch Erfolg verspreche.
Noch ist der König, wenn nicht alle Anzeichen trügen, nicht zum Äußersten
entschlossen; aber ein Tag zu spät, und das Schlimmste ist vielleicht unwider¬
ruflich geschehen. Ich bitte Dich persönlich, beide anliegende Handschreiben dem
Kaiser vorzulegen, mit der Bitte um die größte Diskretion, und mir dieselben,
Ernst. ohne eine Abschrift zu dulden, wieder zurückzusenden....

Jn Wien wurde den Ratschlägen, die der Herzog empfohlen, nicht ent¬
sprochen. Bei der gespannten Lage konnte von einem persönlichen Zusammen¬
treffen der Herrscher nicht mehr die Rede sein. Auch von einem Handschreiben
des Kaisers wurde abgesehen. Dagegen entwarf Mensdorff nach den ihm in
dem herzoglichen Schreiben an die Hand gegebenen Gesichtspunkten ein Schreiben
an seinen Vetter augenscheinlich zu dem Zweck, daß es von ihm nach Berlin
weitergegeben werden sollte. In einem Punkt ging der österreichische Minister¬
präsident sogar über die Vorschläge des Herzogs von Koburg hinaus. Er hob
zwar hervor, daß es dem Kaiser Franz Joseph nicht zugemutet werden könne,
daß er österreichisches Blut habe vergießen lassen, um einseitig Preußen zum
Nachteil der österreichischen Stellung im Bunde zu vergrößern. Anderseits
deutete er jedoch an, daß die durch die Gasteiner Konvention Preußen ein¬
geräumte Bevorzugung bei der schließlichen Lösung gewiß noch eine präzisere
Form erlangt haben würde. Es entsprach dieser Hinweis ganz seiner Auf¬
fassung, die er in Wien der Kriegspartei gegenüber vertrat, Österreich möge
sich um den Preis einiger Zugeständnisse in Deutschland mit König Wilhelm
über den Kopf seines Ministers hinweg verständigen.

Doch hören wir den Wortlaut des Briefes:

Graf Mensdorff an Herzog Ernst den Zweiten*).

Wien, 31. März 1866.

Baron v. Meyern wird Dir berichten, wie wenig hier irgend jemand an
einen Angriff auf Preußen denkt. Das in Berlin eingeschlagene Verfahren läßt
sich schwer anders erklären, als daß man eben hofft, indem man leichtsinnig
mit der in Deutschlands friedliche Gauen geschleuderten Brandfackel einen in
seinen Folgen unberechenbaren Weltbrand entzündet, in dem daraus entstehenden
Chaos einige Vorteile für Preußen zu fischen. Werden sie des Preises wert sein?

Mit Perfidie hat man dem König alles, was von österreichischer Seite
geschehen ist, als feindliche Demonstrationen gegen seine Person und seine Ehre
und alle gehässigen Artikel einer, dank der ihr gewährten Freiheit, schranken¬
losen Presse als österreichischer Jnspirierung entsprungen darzustellen gesucht.
Einige Dislozierungen, die hauptsächlich wegen der in Böhmen stattgehabten
Unruhen vorgenommen wurden und welche sich schließlich auf die Verstärkung



") Im Auszug Sei Tempeltey S. 26 ff.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/30>, abgerufen am 27.07.2024.