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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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verdichteten sich die Gerüchte dahin, mehrere Direktoren der Firma Krupp
stünden unter Anklage wegen Landesverrat, seien sogar verhaftet worden.
Obwohl die Angelegenheit viele Monate anhängig gemacht war, erfuhr die
breite Öffentlichkeit erst von ihr, als der sozialdemokratische Abgeordnete
Dr. Liebknecht ein ihm zugegangenes Material, das die Firma Krupp schwer
belastet, vortrug. Während der darauffolgenden Aussprache erfuhr man dann
aus dem Munde des Herrn Kriegsministers, daß tatsächlich "der untere
Beamte der Firma Krupp an der Geschäftsstelle ... in Berlin
verschiedene Feldwebel und andere verleitet hat, ihm die Mit¬
teilung zu machen, die gegen die Dienstpflicht war; auch Militär¬
beamte waren dabei beteiligt . . ." Aber man erfuhr auch, daß Herr
Dr. Liebknecht sich dem Herrn Kriegsminister gegenüber gebunden habe, die
Angelegenheit im Parlament nicht vor Abschluß der gerichtlichen Untersuchung
erörtern zu wollen. Ähnliche Abmachungen scheinen auch mit den Vertretern der
bürgerlichen Parteien getroffen worden zu sein, die natürlich daran festhielten und
sich als völlig unvorbereitet erwiesen, als der Sozialdemokrat den preußischen
Kriegsminister überrumpelte. Daß es so und nicht anders kommen würde,
war vorauszusehen: eine bessere Gelegenheit gegen- die den Sozialdemokraten
verhaßte Firma Krupp zu Felde zu ziehen und zugleich die Armee zu dis¬
kreditieren, kehrte nicht sobald wieder!

Der Herr Kriegsminister zeigte sich so überrascht von dem Überfall
Liebknechts, daß er, der Chef einer schwer beleidigten preußischen Behörde,
sich begnügte, denjenigen zurückzuweisen, der die stattgehabte Beleidigung der
Öffentlichkeit mitteilte. Für die Firma Krupp selbst hatte er lediglich Worte
des Dankes und des Lobes.

Die staatserhaltenden Parteien haben dem Kriegsminister sekundiert, da
es eine "prächtige Gelegenheit" war, die "Perfidie" der sozialdemokratischen
Taktik und die "Gewissenlosigkeit" ihrer Abgeordneten zu brandmarken. Ich
weiß nicht, ob diese Taktik sehr staatserhaltend gewirkt hat: in den gebildeten
Kreisen des Landes hat sie manches Schütteln des Kopfes ausgelöst. In der
Tat: man macht keinen Feind unschädlich, indem man ihn, nachdem sein Hieb
gesessen, der Unmoral bezichtigt, sondern indem man selbst rechtzeitig den Hieb
führt. Im vorliegenden Falle war das einmal angerichtete Unheil nicht mehr
ungeschehen zu machen, sondern lediglich in seinen politischen Wirkungen zu
verringern durch vertrauensvollste Anlehnung der Regierung an die Reichstags-
sraktionen der bürgerlichen Parteien, nicht durch den Versuch, die ganze
Angelegenheit als sozialdemokratische Hetze oder als ein Konkurrenzmanöver
einer vom Zentrum begünstigten Firma hinzustellen.




Bei einer Stellungnahme wie sie für Regierung und bürgerliche Parteien
gekennzeichnet wurde, kann es kaum wundernehmen, wenn der verantwortliche


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verdichteten sich die Gerüchte dahin, mehrere Direktoren der Firma Krupp
stünden unter Anklage wegen Landesverrat, seien sogar verhaftet worden.
Obwohl die Angelegenheit viele Monate anhängig gemacht war, erfuhr die
breite Öffentlichkeit erst von ihr, als der sozialdemokratische Abgeordnete
Dr. Liebknecht ein ihm zugegangenes Material, das die Firma Krupp schwer
belastet, vortrug. Während der darauffolgenden Aussprache erfuhr man dann
aus dem Munde des Herrn Kriegsministers, daß tatsächlich „der untere
Beamte der Firma Krupp an der Geschäftsstelle ... in Berlin
verschiedene Feldwebel und andere verleitet hat, ihm die Mit¬
teilung zu machen, die gegen die Dienstpflicht war; auch Militär¬
beamte waren dabei beteiligt . . ." Aber man erfuhr auch, daß Herr
Dr. Liebknecht sich dem Herrn Kriegsminister gegenüber gebunden habe, die
Angelegenheit im Parlament nicht vor Abschluß der gerichtlichen Untersuchung
erörtern zu wollen. Ähnliche Abmachungen scheinen auch mit den Vertretern der
bürgerlichen Parteien getroffen worden zu sein, die natürlich daran festhielten und
sich als völlig unvorbereitet erwiesen, als der Sozialdemokrat den preußischen
Kriegsminister überrumpelte. Daß es so und nicht anders kommen würde,
war vorauszusehen: eine bessere Gelegenheit gegen- die den Sozialdemokraten
verhaßte Firma Krupp zu Felde zu ziehen und zugleich die Armee zu dis¬
kreditieren, kehrte nicht sobald wieder!

Der Herr Kriegsminister zeigte sich so überrascht von dem Überfall
Liebknechts, daß er, der Chef einer schwer beleidigten preußischen Behörde,
sich begnügte, denjenigen zurückzuweisen, der die stattgehabte Beleidigung der
Öffentlichkeit mitteilte. Für die Firma Krupp selbst hatte er lediglich Worte
des Dankes und des Lobes.

Die staatserhaltenden Parteien haben dem Kriegsminister sekundiert, da
es eine „prächtige Gelegenheit" war, die „Perfidie" der sozialdemokratischen
Taktik und die „Gewissenlosigkeit" ihrer Abgeordneten zu brandmarken. Ich
weiß nicht, ob diese Taktik sehr staatserhaltend gewirkt hat: in den gebildeten
Kreisen des Landes hat sie manches Schütteln des Kopfes ausgelöst. In der
Tat: man macht keinen Feind unschädlich, indem man ihn, nachdem sein Hieb
gesessen, der Unmoral bezichtigt, sondern indem man selbst rechtzeitig den Hieb
führt. Im vorliegenden Falle war das einmal angerichtete Unheil nicht mehr
ungeschehen zu machen, sondern lediglich in seinen politischen Wirkungen zu
verringern durch vertrauensvollste Anlehnung der Regierung an die Reichstags-
sraktionen der bürgerlichen Parteien, nicht durch den Versuch, die ganze
Angelegenheit als sozialdemokratische Hetze oder als ein Konkurrenzmanöver
einer vom Zentrum begünstigten Firma hinzustellen.




Bei einer Stellungnahme wie sie für Regierung und bürgerliche Parteien
gekennzeichnet wurde, kann es kaum wundernehmen, wenn der verantwortliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/262>, abgerufen am 27.07.2024.