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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

Sehr recht hast Du, mein neu betretenes Jahr als unter trüben Auspizien
sich darstellend zu bezeichnen. Was in meinen Kräften steht, den Frieden zu
erhalten, wird wahrhaftig geschehen, so lange es meines Landes Ehre möglich
macht. Wenn Österreich aber nicht aufhört, nicht nur in den Herzogtümern,
sondern in ganz Europa und weiter, diese meine Ehre auf die insultierendste
Weise anzugreifen . . ., um Preußen überall verhaßt zu machen, dann ist meine
Geduld zu Ende. Gastein ist aus dem Gefühl hervorgegangen, daß der Halb-
huberschen Mißregierung ein Ende gemacht werden müsse, um in Frieden neben¬
einander in den Herzogtümern bestehen zu können. Kaum aber waren zwei
Monate vergangen, als die Mißregierung in erhöhtem und stets steigendem
Grade wieder eintrat. Meine gerechtesten Beschwerden im Januar wurden
unter dem 7. Februar auf eine für mich verletzende Art zurückgewiesen. Seitdem
sprechen nur die Zeitungen in gegenseitig vehementer Sprache. Seit vierzehn
Tagen rüstet Österreich und konzentriert Truppenmassen, die schlesischen Grenzen
umspinnend, und dennoch habe ich bis heute nicht einen Mann gerührt, Beweises
genug, daß ich nicht der Provozierende bin. Die Zukunft der Herzogtümer ist
in Gastein der Zukunftsvereinbarung von neuem vorbehalten worden. Die Zeit
bis dahin aber durch Insulten und Invektiven zu benutzen, um jede Sympathie
mir zu rauben, ist illoyal und ungerecht. Will Österreich den Krieg, so werde
ich ihm nicht ausweichen! Alle mit demselben verbundenen Gefahren sehe ich
gerade so an, wie Du. Wer mit mir gehet, wird nie etwas von Preußen zu
besorgen haben, trotz dem seit einundfünfzig Jahren bestehenden eauLNemar,
daß Preußens drei Könige nur auf die Annexion feiner deutschen Nachbarn
ausgehn!! Wenn auch eine Bundesreform namentlich für Norddeutschland
nötig scheint, wozu Du das erste Beispiel und den ersten Schritt getan hast, so
ist dies niemals Annexion. Wie ich in Baden an Eurer Aller Spitze vereint
mit Euch stand, so stehe ich auch heute noch, wenn die Rivalität Österreichs sich
endlich in die bundesfreundliche Anerkennung Preußens, als ebenbürtiger Macht,
umgestaltete. Dies glaubte ich 1864 nach dem Friedensschluß erreicht; die ein¬
einhalb Jahre beweisen aber, daß dem nicht so ist! Wäre es der Fall gewesen,
so standet Ihr Alle hinter uns! Warum standet Ihr nicht so, als 1864
Preußen und Österreich zusammenstanden? Das vermeintliche Recht der Augusten-
burger machte viele von Euch zu unseren Gegnern; jenes Recht ist nur auf
einzelne Landesteile erweislich möglich, nicht auf die Gesamtherzogtümer; der
Spruch meiner Kronsyndici ist für mich das Entscheidende. Daneben stehet die
öffentliche Meinung und das Verlangen meines Landes, das in der Annexion
der Herzogtümer Ersatz für geopfertes Gut und Blut sieht, -- Preußens und
Deutschlands Interessen sind identisch bei dem Besitz jener Länder durch ersteres.
Warum also Krieg?? -- Da hast Du in wenig Worten mein Glaubens¬
bekenntnis über die momentane politische Lage! Gott wird weiter seinen Willen
erblicken lassen!


Wilhelm. Dein ergebener Freund und Vetter
Fürstliche Gegner Bismarcks

Sehr recht hast Du, mein neu betretenes Jahr als unter trüben Auspizien
sich darstellend zu bezeichnen. Was in meinen Kräften steht, den Frieden zu
erhalten, wird wahrhaftig geschehen, so lange es meines Landes Ehre möglich
macht. Wenn Österreich aber nicht aufhört, nicht nur in den Herzogtümern,
sondern in ganz Europa und weiter, diese meine Ehre auf die insultierendste
Weise anzugreifen . . ., um Preußen überall verhaßt zu machen, dann ist meine
Geduld zu Ende. Gastein ist aus dem Gefühl hervorgegangen, daß der Halb-
huberschen Mißregierung ein Ende gemacht werden müsse, um in Frieden neben¬
einander in den Herzogtümern bestehen zu können. Kaum aber waren zwei
Monate vergangen, als die Mißregierung in erhöhtem und stets steigendem
Grade wieder eintrat. Meine gerechtesten Beschwerden im Januar wurden
unter dem 7. Februar auf eine für mich verletzende Art zurückgewiesen. Seitdem
sprechen nur die Zeitungen in gegenseitig vehementer Sprache. Seit vierzehn
Tagen rüstet Österreich und konzentriert Truppenmassen, die schlesischen Grenzen
umspinnend, und dennoch habe ich bis heute nicht einen Mann gerührt, Beweises
genug, daß ich nicht der Provozierende bin. Die Zukunft der Herzogtümer ist
in Gastein der Zukunftsvereinbarung von neuem vorbehalten worden. Die Zeit
bis dahin aber durch Insulten und Invektiven zu benutzen, um jede Sympathie
mir zu rauben, ist illoyal und ungerecht. Will Österreich den Krieg, so werde
ich ihm nicht ausweichen! Alle mit demselben verbundenen Gefahren sehe ich
gerade so an, wie Du. Wer mit mir gehet, wird nie etwas von Preußen zu
besorgen haben, trotz dem seit einundfünfzig Jahren bestehenden eauLNemar,
daß Preußens drei Könige nur auf die Annexion feiner deutschen Nachbarn
ausgehn!! Wenn auch eine Bundesreform namentlich für Norddeutschland
nötig scheint, wozu Du das erste Beispiel und den ersten Schritt getan hast, so
ist dies niemals Annexion. Wie ich in Baden an Eurer Aller Spitze vereint
mit Euch stand, so stehe ich auch heute noch, wenn die Rivalität Österreichs sich
endlich in die bundesfreundliche Anerkennung Preußens, als ebenbürtiger Macht,
umgestaltete. Dies glaubte ich 1864 nach dem Friedensschluß erreicht; die ein¬
einhalb Jahre beweisen aber, daß dem nicht so ist! Wäre es der Fall gewesen,
so standet Ihr Alle hinter uns! Warum standet Ihr nicht so, als 1864
Preußen und Österreich zusammenstanden? Das vermeintliche Recht der Augusten-
burger machte viele von Euch zu unseren Gegnern; jenes Recht ist nur auf
einzelne Landesteile erweislich möglich, nicht auf die Gesamtherzogtümer; der
Spruch meiner Kronsyndici ist für mich das Entscheidende. Daneben stehet die
öffentliche Meinung und das Verlangen meines Landes, das in der Annexion
der Herzogtümer Ersatz für geopfertes Gut und Blut sieht, — Preußens und
Deutschlands Interessen sind identisch bei dem Besitz jener Länder durch ersteres.
Warum also Krieg?? — Da hast Du in wenig Worten mein Glaubens¬
bekenntnis über die momentane politische Lage! Gott wird weiter seinen Willen
erblicken lassen!


Wilhelm. Dein ergebener Freund und Vetter
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[0026] Fürstliche Gegner Bismarcks Sehr recht hast Du, mein neu betretenes Jahr als unter trüben Auspizien sich darstellend zu bezeichnen. Was in meinen Kräften steht, den Frieden zu erhalten, wird wahrhaftig geschehen, so lange es meines Landes Ehre möglich macht. Wenn Österreich aber nicht aufhört, nicht nur in den Herzogtümern, sondern in ganz Europa und weiter, diese meine Ehre auf die insultierendste Weise anzugreifen . . ., um Preußen überall verhaßt zu machen, dann ist meine Geduld zu Ende. Gastein ist aus dem Gefühl hervorgegangen, daß der Halb- huberschen Mißregierung ein Ende gemacht werden müsse, um in Frieden neben¬ einander in den Herzogtümern bestehen zu können. Kaum aber waren zwei Monate vergangen, als die Mißregierung in erhöhtem und stets steigendem Grade wieder eintrat. Meine gerechtesten Beschwerden im Januar wurden unter dem 7. Februar auf eine für mich verletzende Art zurückgewiesen. Seitdem sprechen nur die Zeitungen in gegenseitig vehementer Sprache. Seit vierzehn Tagen rüstet Österreich und konzentriert Truppenmassen, die schlesischen Grenzen umspinnend, und dennoch habe ich bis heute nicht einen Mann gerührt, Beweises genug, daß ich nicht der Provozierende bin. Die Zukunft der Herzogtümer ist in Gastein der Zukunftsvereinbarung von neuem vorbehalten worden. Die Zeit bis dahin aber durch Insulten und Invektiven zu benutzen, um jede Sympathie mir zu rauben, ist illoyal und ungerecht. Will Österreich den Krieg, so werde ich ihm nicht ausweichen! Alle mit demselben verbundenen Gefahren sehe ich gerade so an, wie Du. Wer mit mir gehet, wird nie etwas von Preußen zu besorgen haben, trotz dem seit einundfünfzig Jahren bestehenden eauLNemar, daß Preußens drei Könige nur auf die Annexion feiner deutschen Nachbarn ausgehn!! Wenn auch eine Bundesreform namentlich für Norddeutschland nötig scheint, wozu Du das erste Beispiel und den ersten Schritt getan hast, so ist dies niemals Annexion. Wie ich in Baden an Eurer Aller Spitze vereint mit Euch stand, so stehe ich auch heute noch, wenn die Rivalität Österreichs sich endlich in die bundesfreundliche Anerkennung Preußens, als ebenbürtiger Macht, umgestaltete. Dies glaubte ich 1864 nach dem Friedensschluß erreicht; die ein¬ einhalb Jahre beweisen aber, daß dem nicht so ist! Wäre es der Fall gewesen, so standet Ihr Alle hinter uns! Warum standet Ihr nicht so, als 1864 Preußen und Österreich zusammenstanden? Das vermeintliche Recht der Augusten- burger machte viele von Euch zu unseren Gegnern; jenes Recht ist nur auf einzelne Landesteile erweislich möglich, nicht auf die Gesamtherzogtümer; der Spruch meiner Kronsyndici ist für mich das Entscheidende. Daneben stehet die öffentliche Meinung und das Verlangen meines Landes, das in der Annexion der Herzogtümer Ersatz für geopfertes Gut und Blut sieht, — Preußens und Deutschlands Interessen sind identisch bei dem Besitz jener Länder durch ersteres. Warum also Krieg?? — Da hast Du in wenig Worten mein Glaubens¬ bekenntnis über die momentane politische Lage! Gott wird weiter seinen Willen erblicken lassen! Wilhelm. Dein ergebener Freund und Vetter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/26>, abgerufen am 27.07.2024.