Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] organisation der Verwaltung aus seinem Amte Als Hardenberg im Sommer 1810 an Seiner liberalen Staatsauffassung war die aufgehoben. Durch das Bundesgesetz vom Der Verfasser hat diese Entwicklung in politische Literatur Frankreich und der Krieg. Seit Agadir Einige Verfasser bemühen sich, vorläufig Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] organisation der Verwaltung aus seinem Amte Als Hardenberg im Sommer 1810 an Seiner liberalen Staatsauffassung war die aufgehoben. Durch das Bundesgesetz vom Der Verfasser hat diese Entwicklung in politische Literatur Frankreich und der Krieg. Seit Agadir Einige Verfasser bemühen sich, vorläufig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325779"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1024" prev="#ID_1023"> organisation der Verwaltung aus seinem Amte<lb/> schied. Von all den Staatsmännern, die ihr<lb/> Votum zu dem EntWurfe abgegeben haben,<lb/> hat Wilhelm von Humboldt das Problem am<lb/> tiefsten gefaßt: er ist für die völlige und so¬<lb/> fortige Gleichstellung; der Staat habe nicht<lb/> die Aufgabe, die Bürger zu erziehen, sondern<lb/> ihnen nur die Möglichkeit der Selbsterziehung<lb/> zu geben; völlige Gleichstellung auch in bezug<lb/> auf die Pflichten sei das einzige Mittel,<lb/> um aus den Juden nützliche Glieder des<lb/> Staatsganzen zu schaffen.</p> <p xml:id="ID_1025"> Als Hardenberg im Sommer 1810 an<lb/> die Spitze der preußischen Regierung gestellt<lb/> wurde, fand er das begonnene Werk schon<lb/> vor, das dann unter seinem Persönlichsten An¬<lb/> teil vollendet wurde, als ein wesentlicher Teil<lb/> seines großen Reformwerks.</p> <p xml:id="ID_1026" next="#ID_1027"> Seiner liberalen Staatsauffassung war die<lb/> Gleichheit aller vor dem Gesetz eine selbst¬<lb/> verständliche Forderung, außerdem hatte er<lb/> neben persönlichen günstigen Erfahrungen auch<lb/> noch in der Reorganisation der Finanzen<lb/> einen Grund, die Emanzipation zu beschleu¬<lb/> nigen. Die verschiedenen, dringlichen Bitten<lb/> der preußischen Juden, deren Lage in den<lb/> letzten Jahren vor dem Erscheinen des Ediktes<lb/> bei der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage<lb/> kaum noch erträglich war, haben dann dazu<lb/> beigetragen, daß Hardenbergs Interesse nicht<lb/> erlahmte; er Persönlich hat noch am Tage der<lb/> Vollziehung den Gemeinden in Berlin, Breslau<lb/> und Königsberg die so sehnlich erwartete Be¬<lb/> freiung mitgeteilt; doch hat er nicht vermocht,<lb/> die den Juden feindlichen Ansichten seiner<lb/> Mitarbeiter zu ändern und den völligen Um¬<lb/> schwung, der schon 1815 begann, aufzu¬<lb/> halten. Mitte der zwanziger Jahre galt das<lb/> Gesetz schon bei Regierung- und Provinzial-<lb/> ständon für eine Übereilung; es wäre vielleicht<lb/> aufgehoben oder doch wesentlich abgeändert<lb/> worden, wenn nicht die von Hardenberg selbst<lb/> beantragte Garantie in den Bundesakten be¬<lb/> standen hätte. So zögerte man bis 1847mit dem<lb/> Erlaß eines Judengesetzes auch für die neuen<lb/> Provinzen, und das in bezug auf Staatsan¬<lb/> stellungen und Lehrtätigkeit der Juden wesent¬<lb/> lich verschärfte Gesetz für die Gesmntmonarchie<lb/> wurde sehr bald durch die Verfassungsurkunde<lb/> vom 5. Dezember 1848 (§8 4 und 12 der<lb/> revidierten Verfassung vom 31. Januar 1850)</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1027" prev="#ID_1026"> aufgehoben. Durch das Bundesgesetz vom<lb/> 3. Juli 1869 wurde die bedingungslose Gleich¬<lb/> stellung der Juden in bürgerlicher und staats¬<lb/> bürgerlicher Hinsicht vom Reich garantiert<lb/> und so die Emanzipationsbewegung abge¬<lb/> schlossen.</p> <p xml:id="ID_1028"> Der Verfasser hat diese Entwicklung in<lb/> ihren wechselnden Phasen klar dargestellt und<lb/> ihren tieferen Zusammenhang mit den Zeit¬<lb/> strömungen deutlich gezeigt. Es liegt in der<lb/> Art seiner stets auf die urkundlichen Quellen<lb/> zurückgehenden Arbeitsweise und in seiner<lb/> Problemstellung, daß die persönlichen, kultu¬<lb/> rellen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur<lb/> gestreift werden. Auf der gesicherten Grund¬<lb/> lage der vorliegenden Bände wäre eine weitere<lb/> Untersuchung der Emanzipation wünschenswert.</p> <note type="byline"> Dr. D. Meyer</note> </div> <div n="2"> <head> politische Literatur</head> <p xml:id="ID_1029"> Frankreich und der Krieg. Seit Agadir<lb/> regt es sich in Frankreich. Seit langen Jahren<lb/> war man dem Kriege nicht so nahe wie 1911.<lb/> Die Marokkokrise hat ungemein fruchtbar zu¬<lb/> nächst auf die militärische Literatur der Fran¬<lb/> zosen gewirkt, einem ganzen Heer von ernst¬<lb/> haften und phantastischen Schriften das Leben<lb/> gegeben und das Publikum zu kriegerischer<lb/> Lektüre aufnahmefähig gemacht. Auch im<lb/> Jahre 1912 hält die Wirkung noch an, und<lb/> Bücher wie das von Hauptmann Boucher<lb/> „l>a ?rsnco victorieuso 6»us la Luerre 6o<lb/> äomain" erreichen innerhalb vierzehn Tagen<lb/> eine Auflageziffer von 10 000 Exemplaren.</p> <p xml:id="ID_1030" next="#ID_1031"> Einige Verfasser bemühen sich, vorläufig<lb/> nur hinter die deutschen Pläne zu kommen,<lb/> und durchforschen zu diesem Zweck die deutsche<lb/> Militärliteratur. Diese Aufgabe hat sich ein<lb/> Anonymus in einer dreiteiliger Broschüre ge¬<lb/> stellt: „opinions sllomanäos sur la lluorro<lb/> inoäerne" (Berger-Levrault, Paris-Nancy<lb/> 1912). Ohne irgendeinen Vergleich zwischen<lb/> deutscher und französischer Anschauung zu<lb/> ziehen, versucht er eine Synthese der deutschen<lb/> Ansichten. Er behält die fremden Gedanken¬<lb/> gänge bei, fürchtet allerdings, daß der Arbeit<lb/> dadurch ein „etwas pedantisch-philosophischer<lb/> Geruch anhaften wird". Sein Material bilden<lb/> die Schriften von: von Bernhardt, von der<lb/> Goltz, von Schliessen, von Bakel sowie Fach¬<lb/> blätter. Das erste Heft bildet die Grund-</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0259]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
organisation der Verwaltung aus seinem Amte
schied. Von all den Staatsmännern, die ihr
Votum zu dem EntWurfe abgegeben haben,
hat Wilhelm von Humboldt das Problem am
tiefsten gefaßt: er ist für die völlige und so¬
fortige Gleichstellung; der Staat habe nicht
die Aufgabe, die Bürger zu erziehen, sondern
ihnen nur die Möglichkeit der Selbsterziehung
zu geben; völlige Gleichstellung auch in bezug
auf die Pflichten sei das einzige Mittel,
um aus den Juden nützliche Glieder des
Staatsganzen zu schaffen.
Als Hardenberg im Sommer 1810 an
die Spitze der preußischen Regierung gestellt
wurde, fand er das begonnene Werk schon
vor, das dann unter seinem Persönlichsten An¬
teil vollendet wurde, als ein wesentlicher Teil
seines großen Reformwerks.
Seiner liberalen Staatsauffassung war die
Gleichheit aller vor dem Gesetz eine selbst¬
verständliche Forderung, außerdem hatte er
neben persönlichen günstigen Erfahrungen auch
noch in der Reorganisation der Finanzen
einen Grund, die Emanzipation zu beschleu¬
nigen. Die verschiedenen, dringlichen Bitten
der preußischen Juden, deren Lage in den
letzten Jahren vor dem Erscheinen des Ediktes
bei der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage
kaum noch erträglich war, haben dann dazu
beigetragen, daß Hardenbergs Interesse nicht
erlahmte; er Persönlich hat noch am Tage der
Vollziehung den Gemeinden in Berlin, Breslau
und Königsberg die so sehnlich erwartete Be¬
freiung mitgeteilt; doch hat er nicht vermocht,
die den Juden feindlichen Ansichten seiner
Mitarbeiter zu ändern und den völligen Um¬
schwung, der schon 1815 begann, aufzu¬
halten. Mitte der zwanziger Jahre galt das
Gesetz schon bei Regierung- und Provinzial-
ständon für eine Übereilung; es wäre vielleicht
aufgehoben oder doch wesentlich abgeändert
worden, wenn nicht die von Hardenberg selbst
beantragte Garantie in den Bundesakten be¬
standen hätte. So zögerte man bis 1847mit dem
Erlaß eines Judengesetzes auch für die neuen
Provinzen, und das in bezug auf Staatsan¬
stellungen und Lehrtätigkeit der Juden wesent¬
lich verschärfte Gesetz für die Gesmntmonarchie
wurde sehr bald durch die Verfassungsurkunde
vom 5. Dezember 1848 (§8 4 und 12 der
revidierten Verfassung vom 31. Januar 1850)
aufgehoben. Durch das Bundesgesetz vom
3. Juli 1869 wurde die bedingungslose Gleich¬
stellung der Juden in bürgerlicher und staats¬
bürgerlicher Hinsicht vom Reich garantiert
und so die Emanzipationsbewegung abge¬
schlossen.
Der Verfasser hat diese Entwicklung in
ihren wechselnden Phasen klar dargestellt und
ihren tieferen Zusammenhang mit den Zeit¬
strömungen deutlich gezeigt. Es liegt in der
Art seiner stets auf die urkundlichen Quellen
zurückgehenden Arbeitsweise und in seiner
Problemstellung, daß die persönlichen, kultu¬
rellen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur
gestreift werden. Auf der gesicherten Grund¬
lage der vorliegenden Bände wäre eine weitere
Untersuchung der Emanzipation wünschenswert.
Dr. D. Meyer politische Literatur Frankreich und der Krieg. Seit Agadir
regt es sich in Frankreich. Seit langen Jahren
war man dem Kriege nicht so nahe wie 1911.
Die Marokkokrise hat ungemein fruchtbar zu¬
nächst auf die militärische Literatur der Fran¬
zosen gewirkt, einem ganzen Heer von ernst¬
haften und phantastischen Schriften das Leben
gegeben und das Publikum zu kriegerischer
Lektüre aufnahmefähig gemacht. Auch im
Jahre 1912 hält die Wirkung noch an, und
Bücher wie das von Hauptmann Boucher
„l>a ?rsnco victorieuso 6»us la Luerre 6o
äomain" erreichen innerhalb vierzehn Tagen
eine Auflageziffer von 10 000 Exemplaren.
Einige Verfasser bemühen sich, vorläufig
nur hinter die deutschen Pläne zu kommen,
und durchforschen zu diesem Zweck die deutsche
Militärliteratur. Diese Aufgabe hat sich ein
Anonymus in einer dreiteiliger Broschüre ge¬
stellt: „opinions sllomanäos sur la lluorro
inoäerne" (Berger-Levrault, Paris-Nancy
1912). Ohne irgendeinen Vergleich zwischen
deutscher und französischer Anschauung zu
ziehen, versucht er eine Synthese der deutschen
Ansichten. Er behält die fremden Gedanken¬
gänge bei, fürchtet allerdings, daß der Arbeit
dadurch ein „etwas pedantisch-philosophischer
Geruch anhaften wird". Sein Material bilden
die Schriften von: von Bernhardt, von der
Goltz, von Schliessen, von Bakel sowie Fach¬
blätter. Das erste Heft bildet die Grund-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |