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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Präludien zu einem Ritt in Persien

Unsere Expedition sollte ja keine rein wissenschaftliche sein, es kam nicht
darauf an, irgend eine bestimmte Frage zu ergründen, Sammlungen anzulegen
oder dergleichen, ja es war nicht einmal ein spezieller militärischer Zweck damit
verbunden, wenngleich man als Offizier für die militärischen Verhältnisse ein
besonderes offenes Auge hatte. Uns lockte das Abenteuerliche, das sportliche
eines solchen Unternehmens, und soweit der Wissenschaft hierbei Dienste geleistet
werden konnten, taten wir dies natürlich aufrichtig gern.

Anfänglich bewegten sich die Vorbereitungen also oftmals in falscher
Richtung. Dies Buch empfahl diese Maßnahme, jenes hielt etwas anderes
für ratsamer, eine Klärung trat erst ein, als man persönliche Rücksprache mit
den Leitern ähnlicher Expeditionen genommen hatte, die uns in liebenswürdigster
Weise ihren Rat und ihre Erfahrungen zur Verfügung stellten.

Zunächst entstand die Frage, mit welcher Sprache man durchzukommen
hoffte. Bei den Gebildeten konnte man ja auf die Kenntnis der deutschen
und französischen, häufig auch auf die der englischen Sprache rechnen, und ich
bin auch fast immer, mit einer dieser drei Sprachen zum Ziele gekommen.
Anders war es mit den Eingeborenen, bei denen man nur auf Türkisch rechnen
durfte, das sich in Persien übrigens wesentlich von dem in der Türkei ge¬
sprochenen unterscheidet, man spricht dort den nach der Provinz Aderbeidschan
genannten Dialekt. Nebenbei war unbedingt die Kenntnis von etwas Russisch
nötig, da Nordpersien, das wir bereisen wollten, ja stark von Russen besetzt
ist, unter deren Schutz wir uns zu stellen beabsichtigten. So war voraus¬
zusehen, daß wir in Persien von russischen Kosaken eskortiert werden würden.
Mein Begleiter sprach so viel Türkisch, daß er sich verständigen konnte, und so
mußte ich mir noch einige russische Brocken aneignen, die es möglich machten,
die einfachsten Gedanken auszudrücken. Im übrigen verließen wir uns auf
unseren Diener, den wir in Konstantinopel mieten wollten, und der gleichzeitig
Dolmetscher spielen mußte.

Die von den Hotels empfohlenen Diener und Dolmetscher sind sehr mit
Vorsicht aufzunehmen. Uns wurden mehrere Leute vorgeführt, aber zu keinem
hatten wir ein rechtes Vertrauen. Interessant war es mir, daß ich später in
Armenien von einem Diener in Konstantinopel hörte, der ein ganz bekannter
Gauner sei, und mit dem schon mehrere Reisenden ihre schlimmsten Erfahrungen
gemacht hallen. Ich war glücklich, nicht auf ihn hereingefallen zu sein, denn
auch mir war er angeboten worden und hatte auf den ersten Blick nicht einmal
einen ungünstigen Eindruck gemacht.

Der letzte Tag vor der Abreise aus Konstantinopel war gekommen und
noch immer war die Dienerfrage nicht gelöst. Da lernten wir in letzter Stunde
einen deutschen Offizier kennen, der uns gütigerweise seinen Diener, den er sehr
empfahl, überließ. Der Mann sprach etwas französisch, wenigstens soviel, daß
man sich mit ihm verständigen konnte, wenngleich er manchmal erschütternde
Sprachblüten zutage förderte, war treu, ehrlich und sauber. Wir fragten ihn,


Präludien zu einem Ritt in Persien

Unsere Expedition sollte ja keine rein wissenschaftliche sein, es kam nicht
darauf an, irgend eine bestimmte Frage zu ergründen, Sammlungen anzulegen
oder dergleichen, ja es war nicht einmal ein spezieller militärischer Zweck damit
verbunden, wenngleich man als Offizier für die militärischen Verhältnisse ein
besonderes offenes Auge hatte. Uns lockte das Abenteuerliche, das sportliche
eines solchen Unternehmens, und soweit der Wissenschaft hierbei Dienste geleistet
werden konnten, taten wir dies natürlich aufrichtig gern.

Anfänglich bewegten sich die Vorbereitungen also oftmals in falscher
Richtung. Dies Buch empfahl diese Maßnahme, jenes hielt etwas anderes
für ratsamer, eine Klärung trat erst ein, als man persönliche Rücksprache mit
den Leitern ähnlicher Expeditionen genommen hatte, die uns in liebenswürdigster
Weise ihren Rat und ihre Erfahrungen zur Verfügung stellten.

Zunächst entstand die Frage, mit welcher Sprache man durchzukommen
hoffte. Bei den Gebildeten konnte man ja auf die Kenntnis der deutschen
und französischen, häufig auch auf die der englischen Sprache rechnen, und ich
bin auch fast immer, mit einer dieser drei Sprachen zum Ziele gekommen.
Anders war es mit den Eingeborenen, bei denen man nur auf Türkisch rechnen
durfte, das sich in Persien übrigens wesentlich von dem in der Türkei ge¬
sprochenen unterscheidet, man spricht dort den nach der Provinz Aderbeidschan
genannten Dialekt. Nebenbei war unbedingt die Kenntnis von etwas Russisch
nötig, da Nordpersien, das wir bereisen wollten, ja stark von Russen besetzt
ist, unter deren Schutz wir uns zu stellen beabsichtigten. So war voraus¬
zusehen, daß wir in Persien von russischen Kosaken eskortiert werden würden.
Mein Begleiter sprach so viel Türkisch, daß er sich verständigen konnte, und so
mußte ich mir noch einige russische Brocken aneignen, die es möglich machten,
die einfachsten Gedanken auszudrücken. Im übrigen verließen wir uns auf
unseren Diener, den wir in Konstantinopel mieten wollten, und der gleichzeitig
Dolmetscher spielen mußte.

Die von den Hotels empfohlenen Diener und Dolmetscher sind sehr mit
Vorsicht aufzunehmen. Uns wurden mehrere Leute vorgeführt, aber zu keinem
hatten wir ein rechtes Vertrauen. Interessant war es mir, daß ich später in
Armenien von einem Diener in Konstantinopel hörte, der ein ganz bekannter
Gauner sei, und mit dem schon mehrere Reisenden ihre schlimmsten Erfahrungen
gemacht hallen. Ich war glücklich, nicht auf ihn hereingefallen zu sein, denn
auch mir war er angeboten worden und hatte auf den ersten Blick nicht einmal
einen ungünstigen Eindruck gemacht.

Der letzte Tag vor der Abreise aus Konstantinopel war gekommen und
noch immer war die Dienerfrage nicht gelöst. Da lernten wir in letzter Stunde
einen deutschen Offizier kennen, der uns gütigerweise seinen Diener, den er sehr
empfahl, überließ. Der Mann sprach etwas französisch, wenigstens soviel, daß
man sich mit ihm verständigen konnte, wenngleich er manchmal erschütternde
Sprachblüten zutage förderte, war treu, ehrlich und sauber. Wir fragten ihn,


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[0197] Präludien zu einem Ritt in Persien Unsere Expedition sollte ja keine rein wissenschaftliche sein, es kam nicht darauf an, irgend eine bestimmte Frage zu ergründen, Sammlungen anzulegen oder dergleichen, ja es war nicht einmal ein spezieller militärischer Zweck damit verbunden, wenngleich man als Offizier für die militärischen Verhältnisse ein besonderes offenes Auge hatte. Uns lockte das Abenteuerliche, das sportliche eines solchen Unternehmens, und soweit der Wissenschaft hierbei Dienste geleistet werden konnten, taten wir dies natürlich aufrichtig gern. Anfänglich bewegten sich die Vorbereitungen also oftmals in falscher Richtung. Dies Buch empfahl diese Maßnahme, jenes hielt etwas anderes für ratsamer, eine Klärung trat erst ein, als man persönliche Rücksprache mit den Leitern ähnlicher Expeditionen genommen hatte, die uns in liebenswürdigster Weise ihren Rat und ihre Erfahrungen zur Verfügung stellten. Zunächst entstand die Frage, mit welcher Sprache man durchzukommen hoffte. Bei den Gebildeten konnte man ja auf die Kenntnis der deutschen und französischen, häufig auch auf die der englischen Sprache rechnen, und ich bin auch fast immer, mit einer dieser drei Sprachen zum Ziele gekommen. Anders war es mit den Eingeborenen, bei denen man nur auf Türkisch rechnen durfte, das sich in Persien übrigens wesentlich von dem in der Türkei ge¬ sprochenen unterscheidet, man spricht dort den nach der Provinz Aderbeidschan genannten Dialekt. Nebenbei war unbedingt die Kenntnis von etwas Russisch nötig, da Nordpersien, das wir bereisen wollten, ja stark von Russen besetzt ist, unter deren Schutz wir uns zu stellen beabsichtigten. So war voraus¬ zusehen, daß wir in Persien von russischen Kosaken eskortiert werden würden. Mein Begleiter sprach so viel Türkisch, daß er sich verständigen konnte, und so mußte ich mir noch einige russische Brocken aneignen, die es möglich machten, die einfachsten Gedanken auszudrücken. Im übrigen verließen wir uns auf unseren Diener, den wir in Konstantinopel mieten wollten, und der gleichzeitig Dolmetscher spielen mußte. Die von den Hotels empfohlenen Diener und Dolmetscher sind sehr mit Vorsicht aufzunehmen. Uns wurden mehrere Leute vorgeführt, aber zu keinem hatten wir ein rechtes Vertrauen. Interessant war es mir, daß ich später in Armenien von einem Diener in Konstantinopel hörte, der ein ganz bekannter Gauner sei, und mit dem schon mehrere Reisenden ihre schlimmsten Erfahrungen gemacht hallen. Ich war glücklich, nicht auf ihn hereingefallen zu sein, denn auch mir war er angeboten worden und hatte auf den ersten Blick nicht einmal einen ungünstigen Eindruck gemacht. Der letzte Tag vor der Abreise aus Konstantinopel war gekommen und noch immer war die Dienerfrage nicht gelöst. Da lernten wir in letzter Stunde einen deutschen Offizier kennen, der uns gütigerweise seinen Diener, den er sehr empfahl, überließ. Der Mann sprach etwas französisch, wenigstens soviel, daß man sich mit ihm verständigen konnte, wenngleich er manchmal erschütternde Sprachblüten zutage förderte, war treu, ehrlich und sauber. Wir fragten ihn,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/197>, abgerufen am 22.12.2024.