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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

politischen Tendenzen bei den bevorstehenden Wahlen gegliedert hat, so stimmt
dieselbe im allgemeinen vollkommen mit den vom Klerus geäußerten Ansichten
überein. Die Bildung der Unionspartei in den Fürstentümern, die bekanntlich
von der Moldau ausging, ist -- und darüber waltet nicht der mindeste Zweifel
ob -- ursprünglich von der französischen Regierung durch ihre hiesigen Organe
angeregt worden. Nur mit Rücksicht darauf, daß eine so bedeutende Großmacht
wie Frankreich die Idee der Vereinigung unter ihren Schutz genommen, hat
man an die Möglichkeit ihrer Ausführung geglaubt, und von diesem Zeitpunkte
an datieren sich die Bestrebungen für dieselben. Die Organe der kaiserlichen
Regierung Hierselbst haben daher sowohl auf die Bildung dieser Vereinigungen
als auf ihre Wirksamkeit einen unmittelbaren und wesentlichen Einfluß ausgeübt.

Als die Idee des fremden Erbfürsten, unter welcher das Unionsprojekt
überhaupt nur Eingang und Bedeutung gewann, in unvermeidlichen Vordergrund
trat, haben die französisch-konfularischen Organe die Möglichkeit der Union anch
nach dieser Richtung hin immer noch festgehalten. Sie haben natürlich keine Zu-
sicherungen über den fremden Erbfürsten gegeben, aber niemand hat zweifelhaft
sein können, daß der fremde Erbfürst der französischen Regierung annehmbar
erschien und daß sie geneigt sein würde, derselben ihre Unterstützung zu leihen.
In diesem Sinne hat man auch die Äußerungen des Baron Talleyrand auf¬
gefaßt, als dieser im Juli vorigen Jahres auf seiner Reise nach Konstantinopel
die Fürstentümer berührte und dadurch der Unionsidee neue Nahrung gab.

Wenn nun in der neuesten Zeit dieselben Organe ihre Sprache dahin näher
formuliert haben, daß man zwar an dem fremden Erbfürsten insofern festhalte,
als dieser das notwendige Resultat der Union sein müsse, oder mit anderen
Worten, daß man durch die Union zum fremden Erbfürsten zu gelangen habe,
und sie demgemäß empfohlen haben, die Frage des fremden Erbfürsten als un¬
zeitig und die eigentliche Absicht zu offen darlegend einstweilen beiseite zu lassen,
so hat diese näher formulierte Anschauung keinen Eingang bei der "monistischen
Partei gefunden, die sonach, ganz vereinzelte Ausnahmen abgerechnet, welche
sich dem mot ä'oräre der französischen Regierung unbedingt gefügt haben, in
ihrer entschiedensten Allgemeinheit den fremden Erbfürsten fortlaufend an die
Spitze ihres Programms stellt. Ohnehin hätte es auch dem blindesten Auge
klar sein müssen, wohin die Union führe, und daß die Tendenz zum fremden
Erbfürsten auf diese Weise doch nicht zu verbergen gewesen wäre. Diese Partei
stimmt daher, wie sich von selbst versteht, in das Klagelied des Klerus über
die Regierung mit vollen Tönen ein. (Schluß dieses Berichtes folgt)




An der Wiege des Königreichs Rumänien

politischen Tendenzen bei den bevorstehenden Wahlen gegliedert hat, so stimmt
dieselbe im allgemeinen vollkommen mit den vom Klerus geäußerten Ansichten
überein. Die Bildung der Unionspartei in den Fürstentümern, die bekanntlich
von der Moldau ausging, ist — und darüber waltet nicht der mindeste Zweifel
ob — ursprünglich von der französischen Regierung durch ihre hiesigen Organe
angeregt worden. Nur mit Rücksicht darauf, daß eine so bedeutende Großmacht
wie Frankreich die Idee der Vereinigung unter ihren Schutz genommen, hat
man an die Möglichkeit ihrer Ausführung geglaubt, und von diesem Zeitpunkte
an datieren sich die Bestrebungen für dieselben. Die Organe der kaiserlichen
Regierung Hierselbst haben daher sowohl auf die Bildung dieser Vereinigungen
als auf ihre Wirksamkeit einen unmittelbaren und wesentlichen Einfluß ausgeübt.

Als die Idee des fremden Erbfürsten, unter welcher das Unionsprojekt
überhaupt nur Eingang und Bedeutung gewann, in unvermeidlichen Vordergrund
trat, haben die französisch-konfularischen Organe die Möglichkeit der Union anch
nach dieser Richtung hin immer noch festgehalten. Sie haben natürlich keine Zu-
sicherungen über den fremden Erbfürsten gegeben, aber niemand hat zweifelhaft
sein können, daß der fremde Erbfürst der französischen Regierung annehmbar
erschien und daß sie geneigt sein würde, derselben ihre Unterstützung zu leihen.
In diesem Sinne hat man auch die Äußerungen des Baron Talleyrand auf¬
gefaßt, als dieser im Juli vorigen Jahres auf seiner Reise nach Konstantinopel
die Fürstentümer berührte und dadurch der Unionsidee neue Nahrung gab.

Wenn nun in der neuesten Zeit dieselben Organe ihre Sprache dahin näher
formuliert haben, daß man zwar an dem fremden Erbfürsten insofern festhalte,
als dieser das notwendige Resultat der Union sein müsse, oder mit anderen
Worten, daß man durch die Union zum fremden Erbfürsten zu gelangen habe,
und sie demgemäß empfohlen haben, die Frage des fremden Erbfürsten als un¬
zeitig und die eigentliche Absicht zu offen darlegend einstweilen beiseite zu lassen,
so hat diese näher formulierte Anschauung keinen Eingang bei der »monistischen
Partei gefunden, die sonach, ganz vereinzelte Ausnahmen abgerechnet, welche
sich dem mot ä'oräre der französischen Regierung unbedingt gefügt haben, in
ihrer entschiedensten Allgemeinheit den fremden Erbfürsten fortlaufend an die
Spitze ihres Programms stellt. Ohnehin hätte es auch dem blindesten Auge
klar sein müssen, wohin die Union führe, und daß die Tendenz zum fremden
Erbfürsten auf diese Weise doch nicht zu verbergen gewesen wäre. Diese Partei
stimmt daher, wie sich von selbst versteht, in das Klagelied des Klerus über
die Regierung mit vollen Tönen ein. (Schluß dieses Berichtes folgt)




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[0194] An der Wiege des Königreichs Rumänien politischen Tendenzen bei den bevorstehenden Wahlen gegliedert hat, so stimmt dieselbe im allgemeinen vollkommen mit den vom Klerus geäußerten Ansichten überein. Die Bildung der Unionspartei in den Fürstentümern, die bekanntlich von der Moldau ausging, ist — und darüber waltet nicht der mindeste Zweifel ob — ursprünglich von der französischen Regierung durch ihre hiesigen Organe angeregt worden. Nur mit Rücksicht darauf, daß eine so bedeutende Großmacht wie Frankreich die Idee der Vereinigung unter ihren Schutz genommen, hat man an die Möglichkeit ihrer Ausführung geglaubt, und von diesem Zeitpunkte an datieren sich die Bestrebungen für dieselben. Die Organe der kaiserlichen Regierung Hierselbst haben daher sowohl auf die Bildung dieser Vereinigungen als auf ihre Wirksamkeit einen unmittelbaren und wesentlichen Einfluß ausgeübt. Als die Idee des fremden Erbfürsten, unter welcher das Unionsprojekt überhaupt nur Eingang und Bedeutung gewann, in unvermeidlichen Vordergrund trat, haben die französisch-konfularischen Organe die Möglichkeit der Union anch nach dieser Richtung hin immer noch festgehalten. Sie haben natürlich keine Zu- sicherungen über den fremden Erbfürsten gegeben, aber niemand hat zweifelhaft sein können, daß der fremde Erbfürst der französischen Regierung annehmbar erschien und daß sie geneigt sein würde, derselben ihre Unterstützung zu leihen. In diesem Sinne hat man auch die Äußerungen des Baron Talleyrand auf¬ gefaßt, als dieser im Juli vorigen Jahres auf seiner Reise nach Konstantinopel die Fürstentümer berührte und dadurch der Unionsidee neue Nahrung gab. Wenn nun in der neuesten Zeit dieselben Organe ihre Sprache dahin näher formuliert haben, daß man zwar an dem fremden Erbfürsten insofern festhalte, als dieser das notwendige Resultat der Union sein müsse, oder mit anderen Worten, daß man durch die Union zum fremden Erbfürsten zu gelangen habe, und sie demgemäß empfohlen haben, die Frage des fremden Erbfürsten als un¬ zeitig und die eigentliche Absicht zu offen darlegend einstweilen beiseite zu lassen, so hat diese näher formulierte Anschauung keinen Eingang bei der »monistischen Partei gefunden, die sonach, ganz vereinzelte Ausnahmen abgerechnet, welche sich dem mot ä'oräre der französischen Regierung unbedingt gefügt haben, in ihrer entschiedensten Allgemeinheit den fremden Erbfürsten fortlaufend an die Spitze ihres Programms stellt. Ohnehin hätte es auch dem blindesten Auge klar sein müssen, wohin die Union führe, und daß die Tendenz zum fremden Erbfürsten auf diese Weise doch nicht zu verbergen gewesen wäre. Diese Partei stimmt daher, wie sich von selbst versteht, in das Klagelied des Klerus über die Regierung mit vollen Tönen ein. (Schluß dieses Berichtes folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/194>, abgerufen am 27.07.2024.