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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

der Fall ist, irgendwelche politische Ansicht haben, sind unbedingt für die
Union unter einem fremden erblichen Fürsten, und sprechen ihr Verlangen danach
offen aus.

Zu den Ständen, welche ihr Vertrauen in die redlichen Absichten der
Mächte noch am wenigsten aufgegeben haben, und, indem sie an dem guten
Willen derselben festhalten, um so indignierter sind über das Verhalten der
hiesigen Regierung, gehört der Klerus mit dem Metropoliten und den Bischöfen
an der Spitze. In den mehrstündigen vertraulichen Unterhaltungen, welche
ich zu verschiedenen Malen mit diesen Würdenträgern der Kirche gehabt habe,
brachen dieselben in laute und schmerzliche Klagen darüber aus, daß die
Regierung, wie sie sagten -- und ich bediene mich hierbei ihrer eigenen
Worte --, es sich zur Aufgabe gemacht habe, die edlen Intentionen der
Großmächte durch eine dem Sinne und dem Geiste des Berufungsfirmans
widerstrebende Auslegung zu vereiteln. Der Kaimakam habe ihnen die
bestimmte Weisung erteilt, ihrerseits dem Klerus eine völlige Teilnahms-
losigkeit mit Rücksicht auf die Wahlen einzuschärfen. Was das Verhalten
der Negierung dem Volke gegenüber beträfe, so wende dieselbe alle Mittel an,
Unruhen hervorzurufen. Sie trachte danach, die Gemüter zu erbittern und ein
Überschreiten der Grenze der Mäßigung herbeizuführen, innerhalb welcher man
sich bisher ununterbrochen gehalten habe. Hierbei gehe die Regierung von der
Ansicht aus, daß, wenn nur diese Grenzen einmal überschritten worden seien,
ihr dann ein hinlänglicher Grund zu Seite stehen würde, das Land von neuem
durch fremde Truppen besetzen zu lassen. Eine erneute frenide Okkupation, dies
sei das Ziel, welches die Regierung mit allen Kräften erstrebe; denn sie glaube,
daß sie durch jene den freien Ausdruck der Volkswünsche niederhalten und er¬
sticken könne. Sie (Metropolit und Bischöfe) hegten die zuversichtliche Hoffnung,
daß die Kommissäre dem eben geschilderten Zustande ein Ende machen würden,
einem Zustande, welchen sie nur eine Schlinge nennen könnten, in welche sie
die Negierung mit aller Macht hineinzuziehen suche. Um die Gemüter zu ent¬
fremden, entblöde sich die Regierung nicht, dieselben dem Volke verdächtig zu
machen, indem sie offen verkünde, daß jene in das Land kämen, lediglich um
die Revolution in dasselbe hineinzutragen. Auch darüber sprachen sie sich später
gegen mich aus, daß ihnen der türkische Kommissär Sarfet Effendi ohne allen
Umschweif erklärt habe, daß wenn der Klerus fortfahre, für die Union gestimmt
zu sein, und somit Aufregung ins Land brächte, eine türkische oder österreichische
Okkupation den Klerus und das Land zur Vernunft bringen werde. Sie schlössen
damit, daß, wenn es sich um die Alternative handelte) Union der Fürstentümer
ohne erblichen fremden Fürsten oder fortgesetzte Trennung derselben unter zwei
solchen erblichen Fürsten, sie ohne Bedenken der letzteren Alternative den Vorzug
geben würden.

Was die sonstigen Bestandteile der nationalen Unionspartei betrifft, die
sich in bestimmte organisierte Vereinigungen zum Zwecke der Durchsetzung ihrer


An der Wiege des Königreichs Rumänien

der Fall ist, irgendwelche politische Ansicht haben, sind unbedingt für die
Union unter einem fremden erblichen Fürsten, und sprechen ihr Verlangen danach
offen aus.

Zu den Ständen, welche ihr Vertrauen in die redlichen Absichten der
Mächte noch am wenigsten aufgegeben haben, und, indem sie an dem guten
Willen derselben festhalten, um so indignierter sind über das Verhalten der
hiesigen Regierung, gehört der Klerus mit dem Metropoliten und den Bischöfen
an der Spitze. In den mehrstündigen vertraulichen Unterhaltungen, welche
ich zu verschiedenen Malen mit diesen Würdenträgern der Kirche gehabt habe,
brachen dieselben in laute und schmerzliche Klagen darüber aus, daß die
Regierung, wie sie sagten — und ich bediene mich hierbei ihrer eigenen
Worte —, es sich zur Aufgabe gemacht habe, die edlen Intentionen der
Großmächte durch eine dem Sinne und dem Geiste des Berufungsfirmans
widerstrebende Auslegung zu vereiteln. Der Kaimakam habe ihnen die
bestimmte Weisung erteilt, ihrerseits dem Klerus eine völlige Teilnahms-
losigkeit mit Rücksicht auf die Wahlen einzuschärfen. Was das Verhalten
der Negierung dem Volke gegenüber beträfe, so wende dieselbe alle Mittel an,
Unruhen hervorzurufen. Sie trachte danach, die Gemüter zu erbittern und ein
Überschreiten der Grenze der Mäßigung herbeizuführen, innerhalb welcher man
sich bisher ununterbrochen gehalten habe. Hierbei gehe die Regierung von der
Ansicht aus, daß, wenn nur diese Grenzen einmal überschritten worden seien,
ihr dann ein hinlänglicher Grund zu Seite stehen würde, das Land von neuem
durch fremde Truppen besetzen zu lassen. Eine erneute frenide Okkupation, dies
sei das Ziel, welches die Regierung mit allen Kräften erstrebe; denn sie glaube,
daß sie durch jene den freien Ausdruck der Volkswünsche niederhalten und er¬
sticken könne. Sie (Metropolit und Bischöfe) hegten die zuversichtliche Hoffnung,
daß die Kommissäre dem eben geschilderten Zustande ein Ende machen würden,
einem Zustande, welchen sie nur eine Schlinge nennen könnten, in welche sie
die Negierung mit aller Macht hineinzuziehen suche. Um die Gemüter zu ent¬
fremden, entblöde sich die Regierung nicht, dieselben dem Volke verdächtig zu
machen, indem sie offen verkünde, daß jene in das Land kämen, lediglich um
die Revolution in dasselbe hineinzutragen. Auch darüber sprachen sie sich später
gegen mich aus, daß ihnen der türkische Kommissär Sarfet Effendi ohne allen
Umschweif erklärt habe, daß wenn der Klerus fortfahre, für die Union gestimmt
zu sein, und somit Aufregung ins Land brächte, eine türkische oder österreichische
Okkupation den Klerus und das Land zur Vernunft bringen werde. Sie schlössen
damit, daß, wenn es sich um die Alternative handelte) Union der Fürstentümer
ohne erblichen fremden Fürsten oder fortgesetzte Trennung derselben unter zwei
solchen erblichen Fürsten, sie ohne Bedenken der letzteren Alternative den Vorzug
geben würden.

Was die sonstigen Bestandteile der nationalen Unionspartei betrifft, die
sich in bestimmte organisierte Vereinigungen zum Zwecke der Durchsetzung ihrer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/193>, abgerufen am 27.07.2024.