Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Gstcn

gehoben werden muß, in der Lieferung von Brodgetreide den Gütern über¬
legen; unterlegen dagegen nur im Absatz von Futtergetreide und Hackfrüchten.
Die gesamte Marktleistung stellte sich mithin bei den Ansiedlern auf rund 266,
bei den Gütern aber nur auf rund 214 Mark pro Hektar oder bezogen auf 1 Mark
Grundsteuerreinertrag bei jenen auf 25,1, bei diesen nur auf 21,7 Mark.

Für alle sonstigen Punkte muß auf die bei Parm erschienenen Unter¬
suchungen, die mit einem Vorwort von Prof. Dr. Auhagen versehen sind,
verwiesen werden. Sie dürften geeignet sein, jedem ernstlich Prüfenden die
Augen über die Chlapowskischen Auslassungen noch mehr zu öffnen als es
dieser zusammengedrängte Aufsatz im besten Falle erreichen konnte.

Ihr Studülm wird dann anderseits aber auch vor dem falschen Schlüsse
bewahren, zu dem der Leser der vorliegenden Zeilen leicht kommen könnte, als
ob die beiden Verfasser auf Grund ihrer Untersuchungsergebnisse zu der
Folgerung kämen, daß nun die radikale Aufteilung sämtlichen Großgrundbesitzes
die erste politische Forderung sein müsse. Im Gegenteil ist den Verfassern die
hohe Bedeutung des Großbetriebes gerade für die deutsche Landwirtschaft
durchaus bewußt. Es kommen ihm schwer wägbare, aber außerordentlich be¬
fruchtende Funktionen in Staat und Volkswirtschaft zu, die kein Verständiger
wird missen wollen. Wie der deutsche Großgrundbesitz auf neuen landwirt¬
schaftlich-technischen Gebieten bisher -- ich erinnere hier nur an die Zuckerrüben-
kultur -- die Führerrolle gespielt hat, so soll er sie auch in Zukunft als seine
Pflicht und Ehre betrachten. Das kann aber nicht abhalten, da wo der Gro߬
grundbesitz im Übermaße vorhanden ist, wo fast die Hälfte alles nutzbaren
Landes oder noch mehr in seinen Händen liegt und seine schädigenden Wir¬
kungen deshalb die nützlichen überwuchern müssen, seine Aufteilung bis zu
einem gewissen Umfange zu verlangen. Nicht restlos, wie das manche liberale
Politiker gerne sähen, denn alle Gleichmacherei ist schädlich und eine Ver-
kennung der organischen, in mannigfaltigen Formen zur Betätigung strebenden
Natur der Volkswirtschaft. Keineswegs ist der Wert eines höheren, durch
Wohlstand, Bildung, freie Initiative und feste Traditionen sich über die Masse er¬
hebenden Standes auf dem platten Lande zu unterschätzet:. Wer aber den
Wunsch und Willen hat, daß deutsches Land auch weiterhin dem deutschen Volke
erhalten bleiben soll, wer den Strom der unzufrieden der heimischen Scholle
den Rücken Kehrenden dämmen will, der muß die Scholle zum Eigentum geben
denen, die sie erstreben, die sie nicht zum Spekulationsobjekt machen, sondern
sich nicht scheuen, sie mit ihrem Schweiße zu düngen. Deutsche Dörfer und
Landstädte, die Quellen des deutschen Volkstums müssen blühen, wo weite
Flächen heute dünnbevölkert und wirtschaftlich unzureichend genutzt daliegen.




Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Gstcn

gehoben werden muß, in der Lieferung von Brodgetreide den Gütern über¬
legen; unterlegen dagegen nur im Absatz von Futtergetreide und Hackfrüchten.
Die gesamte Marktleistung stellte sich mithin bei den Ansiedlern auf rund 266,
bei den Gütern aber nur auf rund 214 Mark pro Hektar oder bezogen auf 1 Mark
Grundsteuerreinertrag bei jenen auf 25,1, bei diesen nur auf 21,7 Mark.

Für alle sonstigen Punkte muß auf die bei Parm erschienenen Unter¬
suchungen, die mit einem Vorwort von Prof. Dr. Auhagen versehen sind,
verwiesen werden. Sie dürften geeignet sein, jedem ernstlich Prüfenden die
Augen über die Chlapowskischen Auslassungen noch mehr zu öffnen als es
dieser zusammengedrängte Aufsatz im besten Falle erreichen konnte.

Ihr Studülm wird dann anderseits aber auch vor dem falschen Schlüsse
bewahren, zu dem der Leser der vorliegenden Zeilen leicht kommen könnte, als
ob die beiden Verfasser auf Grund ihrer Untersuchungsergebnisse zu der
Folgerung kämen, daß nun die radikale Aufteilung sämtlichen Großgrundbesitzes
die erste politische Forderung sein müsse. Im Gegenteil ist den Verfassern die
hohe Bedeutung des Großbetriebes gerade für die deutsche Landwirtschaft
durchaus bewußt. Es kommen ihm schwer wägbare, aber außerordentlich be¬
fruchtende Funktionen in Staat und Volkswirtschaft zu, die kein Verständiger
wird missen wollen. Wie der deutsche Großgrundbesitz auf neuen landwirt¬
schaftlich-technischen Gebieten bisher — ich erinnere hier nur an die Zuckerrüben-
kultur — die Führerrolle gespielt hat, so soll er sie auch in Zukunft als seine
Pflicht und Ehre betrachten. Das kann aber nicht abhalten, da wo der Gro߬
grundbesitz im Übermaße vorhanden ist, wo fast die Hälfte alles nutzbaren
Landes oder noch mehr in seinen Händen liegt und seine schädigenden Wir¬
kungen deshalb die nützlichen überwuchern müssen, seine Aufteilung bis zu
einem gewissen Umfange zu verlangen. Nicht restlos, wie das manche liberale
Politiker gerne sähen, denn alle Gleichmacherei ist schädlich und eine Ver-
kennung der organischen, in mannigfaltigen Formen zur Betätigung strebenden
Natur der Volkswirtschaft. Keineswegs ist der Wert eines höheren, durch
Wohlstand, Bildung, freie Initiative und feste Traditionen sich über die Masse er¬
hebenden Standes auf dem platten Lande zu unterschätzet:. Wer aber den
Wunsch und Willen hat, daß deutsches Land auch weiterhin dem deutschen Volke
erhalten bleiben soll, wer den Strom der unzufrieden der heimischen Scholle
den Rücken Kehrenden dämmen will, der muß die Scholle zum Eigentum geben
denen, die sie erstreben, die sie nicht zum Spekulationsobjekt machen, sondern
sich nicht scheuen, sie mit ihrem Schweiße zu düngen. Deutsche Dörfer und
Landstädte, die Quellen des deutschen Volkstums müssen blühen, wo weite
Flächen heute dünnbevölkert und wirtschaftlich unzureichend genutzt daliegen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325698"/>
          <fw type="header" place="top"> Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Gstcn</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_715" prev="#ID_714"> gehoben werden muß, in der Lieferung von Brodgetreide den Gütern über¬<lb/>
legen; unterlegen dagegen nur im Absatz von Futtergetreide und Hackfrüchten.<lb/>
Die gesamte Marktleistung stellte sich mithin bei den Ansiedlern auf rund 266,<lb/>
bei den Gütern aber nur auf rund 214 Mark pro Hektar oder bezogen auf 1 Mark<lb/>
Grundsteuerreinertrag bei jenen auf 25,1, bei diesen nur auf 21,7 Mark.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_716"> Für alle sonstigen Punkte muß auf die bei Parm erschienenen Unter¬<lb/>
suchungen, die mit einem Vorwort von Prof. Dr. Auhagen versehen sind,<lb/>
verwiesen werden. Sie dürften geeignet sein, jedem ernstlich Prüfenden die<lb/>
Augen über die Chlapowskischen Auslassungen noch mehr zu öffnen als es<lb/>
dieser zusammengedrängte Aufsatz im besten Falle erreichen konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_717"> Ihr Studülm wird dann anderseits aber auch vor dem falschen Schlüsse<lb/>
bewahren, zu dem der Leser der vorliegenden Zeilen leicht kommen könnte, als<lb/>
ob die beiden Verfasser auf Grund ihrer Untersuchungsergebnisse zu der<lb/>
Folgerung kämen, daß nun die radikale Aufteilung sämtlichen Großgrundbesitzes<lb/>
die erste politische Forderung sein müsse. Im Gegenteil ist den Verfassern die<lb/>
hohe Bedeutung des Großbetriebes gerade für die deutsche Landwirtschaft<lb/>
durchaus bewußt. Es kommen ihm schwer wägbare, aber außerordentlich be¬<lb/>
fruchtende Funktionen in Staat und Volkswirtschaft zu, die kein Verständiger<lb/>
wird missen wollen. Wie der deutsche Großgrundbesitz auf neuen landwirt¬<lb/>
schaftlich-technischen Gebieten bisher &#x2014; ich erinnere hier nur an die Zuckerrüben-<lb/>
kultur &#x2014; die Führerrolle gespielt hat, so soll er sie auch in Zukunft als seine<lb/>
Pflicht und Ehre betrachten. Das kann aber nicht abhalten, da wo der Gro߬<lb/>
grundbesitz im Übermaße vorhanden ist, wo fast die Hälfte alles nutzbaren<lb/>
Landes oder noch mehr in seinen Händen liegt und seine schädigenden Wir¬<lb/>
kungen deshalb die nützlichen überwuchern müssen, seine Aufteilung bis zu<lb/>
einem gewissen Umfange zu verlangen. Nicht restlos, wie das manche liberale<lb/>
Politiker gerne sähen, denn alle Gleichmacherei ist schädlich und eine Ver-<lb/>
kennung der organischen, in mannigfaltigen Formen zur Betätigung strebenden<lb/>
Natur der Volkswirtschaft. Keineswegs ist der Wert eines höheren, durch<lb/>
Wohlstand, Bildung, freie Initiative und feste Traditionen sich über die Masse er¬<lb/>
hebenden Standes auf dem platten Lande zu unterschätzet:. Wer aber den<lb/>
Wunsch und Willen hat, daß deutsches Land auch weiterhin dem deutschen Volke<lb/>
erhalten bleiben soll, wer den Strom der unzufrieden der heimischen Scholle<lb/>
den Rücken Kehrenden dämmen will, der muß die Scholle zum Eigentum geben<lb/>
denen, die sie erstreben, die sie nicht zum Spekulationsobjekt machen, sondern<lb/>
sich nicht scheuen, sie mit ihrem Schweiße zu düngen. Deutsche Dörfer und<lb/>
Landstädte, die Quellen des deutschen Volkstums müssen blühen, wo weite<lb/>
Flächen heute dünnbevölkert und wirtschaftlich unzureichend genutzt daliegen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0178] Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Gstcn gehoben werden muß, in der Lieferung von Brodgetreide den Gütern über¬ legen; unterlegen dagegen nur im Absatz von Futtergetreide und Hackfrüchten. Die gesamte Marktleistung stellte sich mithin bei den Ansiedlern auf rund 266, bei den Gütern aber nur auf rund 214 Mark pro Hektar oder bezogen auf 1 Mark Grundsteuerreinertrag bei jenen auf 25,1, bei diesen nur auf 21,7 Mark. Für alle sonstigen Punkte muß auf die bei Parm erschienenen Unter¬ suchungen, die mit einem Vorwort von Prof. Dr. Auhagen versehen sind, verwiesen werden. Sie dürften geeignet sein, jedem ernstlich Prüfenden die Augen über die Chlapowskischen Auslassungen noch mehr zu öffnen als es dieser zusammengedrängte Aufsatz im besten Falle erreichen konnte. Ihr Studülm wird dann anderseits aber auch vor dem falschen Schlüsse bewahren, zu dem der Leser der vorliegenden Zeilen leicht kommen könnte, als ob die beiden Verfasser auf Grund ihrer Untersuchungsergebnisse zu der Folgerung kämen, daß nun die radikale Aufteilung sämtlichen Großgrundbesitzes die erste politische Forderung sein müsse. Im Gegenteil ist den Verfassern die hohe Bedeutung des Großbetriebes gerade für die deutsche Landwirtschaft durchaus bewußt. Es kommen ihm schwer wägbare, aber außerordentlich be¬ fruchtende Funktionen in Staat und Volkswirtschaft zu, die kein Verständiger wird missen wollen. Wie der deutsche Großgrundbesitz auf neuen landwirt¬ schaftlich-technischen Gebieten bisher — ich erinnere hier nur an die Zuckerrüben- kultur — die Führerrolle gespielt hat, so soll er sie auch in Zukunft als seine Pflicht und Ehre betrachten. Das kann aber nicht abhalten, da wo der Gro߬ grundbesitz im Übermaße vorhanden ist, wo fast die Hälfte alles nutzbaren Landes oder noch mehr in seinen Händen liegt und seine schädigenden Wir¬ kungen deshalb die nützlichen überwuchern müssen, seine Aufteilung bis zu einem gewissen Umfange zu verlangen. Nicht restlos, wie das manche liberale Politiker gerne sähen, denn alle Gleichmacherei ist schädlich und eine Ver- kennung der organischen, in mannigfaltigen Formen zur Betätigung strebenden Natur der Volkswirtschaft. Keineswegs ist der Wert eines höheren, durch Wohlstand, Bildung, freie Initiative und feste Traditionen sich über die Masse er¬ hebenden Standes auf dem platten Lande zu unterschätzet:. Wer aber den Wunsch und Willen hat, daß deutsches Land auch weiterhin dem deutschen Volke erhalten bleiben soll, wer den Strom der unzufrieden der heimischen Scholle den Rücken Kehrenden dämmen will, der muß die Scholle zum Eigentum geben denen, die sie erstreben, die sie nicht zum Spekulationsobjekt machen, sondern sich nicht scheuen, sie mit ihrem Schweiße zu düngen. Deutsche Dörfer und Landstädte, die Quellen des deutschen Volkstums müssen blühen, wo weite Flächen heute dünnbevölkert und wirtschaftlich unzureichend genutzt daliegen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/178
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/178>, abgerufen am 27.07.2024.