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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Gsten

Annahmen sind bei dem verwickelten organischen Charakter des landwirtschaft¬
lichen Betriebes stets unzulänglich und ungeeignet, den der Wirklichkeit ent¬
sprechenden Wert zweier Betriebsgrößen abzumessen. Sie sind auch zu sehr dem
subjektiven Ermessen des Beurteilenden anheimgegeben, als daß sie von anderen
Ah allgemein bindend anerkannt werden müßten. Hier können nur fest auf
Tatsachenmaterial begründete Zahlen eine unbestreitbare Antwort geben, Und
auch nur dann, weder sie unter Beobachtung ganz bestimmter unerläßlicher Be¬
dingungen gewonnen sind. Alle Verhältnisse mit Ausnahme des Umfanges der
Wirtschaftsfläche und ihrer notwendigen Konsequenzen müssen bei den verglichenen
Objekten annähernd gleich sein. Gerade die innere Kolonisation schafft die Be¬
dingungen, die wie keine anderen zur Verwirklichung dieser Forderung geeignet
sind. Dadurch nämlich; daß auf demselben Grund und Boden, unter denselben
klimatischen und Verkehrsverhältnissen zehn Jahre später fünfzig und mehr bäuer¬
liche Wirtschaften tätig sind, wo vor dieser Zeit ein einziger Großbetrieb arbeitete,
ist in allen Punkten zwischen diesem und jenen die Vergleichbarkeit gewahrt mit
Ausnahme eines, der Zeit. Dabei ist selbstverständliche Bedingung, daß'nach
der Aufteilung nicht umfangreiche Meliorationen den Wert des Bodens oder
Verkehrsverbesserung den Wert der wirtschaftlichen Lage verändert haben. Ge¬
lingt es unter diesen Kautelen/ den Faktor Zeit in seiner Wirksamkeit zu be-
stimmen, so läßt sich ein bindender Vergleich zwischen diesem Großbetrieb und
der Summe der bäuerlichen Betriebe bis ins einzelne zahlenmäßig durchführen.
Handelte es sich dann bei dem aufgeteilten Gut um ein für die Verhältnisse
der ganzen Gegend normales, so wird damit der Vergleich zu einem für diese
Gegend allgemeingültigen erhoben. Um diese beiden Zwecke zu erreichen, d. h'.
einmal die Feststellung des Fortschritts zu ermöglichen, die im Rahmen der
allgemeinen landwirtschaftlichen Entwicklung der betreffenden Gegend auch der
Unaufgeteilte Großbetrieb im Laufe von zehn Jahren gemacht hätte, und zweitens
den Maßstab zu finden, an dem die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse geprüft
werden kann; ist es nötig, einen unter möglichst denselben äußeren Wirtschafts-
faktoren arbeitenden Großbetrieb der Nachbarschaft (Parallelgut) zum Vergleich
mit heranzuziehen. Dessen Wirtschaftsresultate heute und vor zehn Jahren geben
dann einen Maßstab ab für das frühere Gut sowohl wie für die heutige Kolonie,
wie auch endlich für die Steigerung, die ein normaler Großbetrieb in der Zeit
seit Aufteilung jenes Gutes erzielen konnte. All diesen Forderungen werden
n'un die Untersuchungen gerecht, die ich auf Veranlassung der Landwirtschaftlichen
Hochschule zu Berlin in Pommern und der Neumark angestellt habe und die
jetzt zusammen mit den gleichzeitig von R. Mührer in Posen-Westpreußen zu
demselben Zwecke gemachten Untersuchungen bei Paul Parey in Berlin erschienen
sind"). Dabei habe ich mich nicht gescheut, da wo der Weg der Vergleichs-
Methode strittig war, den dem bäuerlichen Betrieb ungünstigeren zu gehen, um



*) Siehe oben.
Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Gsten

Annahmen sind bei dem verwickelten organischen Charakter des landwirtschaft¬
lichen Betriebes stets unzulänglich und ungeeignet, den der Wirklichkeit ent¬
sprechenden Wert zweier Betriebsgrößen abzumessen. Sie sind auch zu sehr dem
subjektiven Ermessen des Beurteilenden anheimgegeben, als daß sie von anderen
Ah allgemein bindend anerkannt werden müßten. Hier können nur fest auf
Tatsachenmaterial begründete Zahlen eine unbestreitbare Antwort geben, Und
auch nur dann, weder sie unter Beobachtung ganz bestimmter unerläßlicher Be¬
dingungen gewonnen sind. Alle Verhältnisse mit Ausnahme des Umfanges der
Wirtschaftsfläche und ihrer notwendigen Konsequenzen müssen bei den verglichenen
Objekten annähernd gleich sein. Gerade die innere Kolonisation schafft die Be¬
dingungen, die wie keine anderen zur Verwirklichung dieser Forderung geeignet
sind. Dadurch nämlich; daß auf demselben Grund und Boden, unter denselben
klimatischen und Verkehrsverhältnissen zehn Jahre später fünfzig und mehr bäuer¬
liche Wirtschaften tätig sind, wo vor dieser Zeit ein einziger Großbetrieb arbeitete,
ist in allen Punkten zwischen diesem und jenen die Vergleichbarkeit gewahrt mit
Ausnahme eines, der Zeit. Dabei ist selbstverständliche Bedingung, daß'nach
der Aufteilung nicht umfangreiche Meliorationen den Wert des Bodens oder
Verkehrsverbesserung den Wert der wirtschaftlichen Lage verändert haben. Ge¬
lingt es unter diesen Kautelen/ den Faktor Zeit in seiner Wirksamkeit zu be-
stimmen, so läßt sich ein bindender Vergleich zwischen diesem Großbetrieb und
der Summe der bäuerlichen Betriebe bis ins einzelne zahlenmäßig durchführen.
Handelte es sich dann bei dem aufgeteilten Gut um ein für die Verhältnisse
der ganzen Gegend normales, so wird damit der Vergleich zu einem für diese
Gegend allgemeingültigen erhoben. Um diese beiden Zwecke zu erreichen, d. h'.
einmal die Feststellung des Fortschritts zu ermöglichen, die im Rahmen der
allgemeinen landwirtschaftlichen Entwicklung der betreffenden Gegend auch der
Unaufgeteilte Großbetrieb im Laufe von zehn Jahren gemacht hätte, und zweitens
den Maßstab zu finden, an dem die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse geprüft
werden kann; ist es nötig, einen unter möglichst denselben äußeren Wirtschafts-
faktoren arbeitenden Großbetrieb der Nachbarschaft (Parallelgut) zum Vergleich
mit heranzuziehen. Dessen Wirtschaftsresultate heute und vor zehn Jahren geben
dann einen Maßstab ab für das frühere Gut sowohl wie für die heutige Kolonie,
wie auch endlich für die Steigerung, die ein normaler Großbetrieb in der Zeit
seit Aufteilung jenes Gutes erzielen konnte. All diesen Forderungen werden
n'un die Untersuchungen gerecht, die ich auf Veranlassung der Landwirtschaftlichen
Hochschule zu Berlin in Pommern und der Neumark angestellt habe und die
jetzt zusammen mit den gleichzeitig von R. Mührer in Posen-Westpreußen zu
demselben Zwecke gemachten Untersuchungen bei Paul Parey in Berlin erschienen
sind"). Dabei habe ich mich nicht gescheut, da wo der Weg der Vergleichs-
Methode strittig war, den dem bäuerlichen Betrieb ungünstigeren zu gehen, um



*) Siehe oben.
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[0171] Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Gsten Annahmen sind bei dem verwickelten organischen Charakter des landwirtschaft¬ lichen Betriebes stets unzulänglich und ungeeignet, den der Wirklichkeit ent¬ sprechenden Wert zweier Betriebsgrößen abzumessen. Sie sind auch zu sehr dem subjektiven Ermessen des Beurteilenden anheimgegeben, als daß sie von anderen Ah allgemein bindend anerkannt werden müßten. Hier können nur fest auf Tatsachenmaterial begründete Zahlen eine unbestreitbare Antwort geben, Und auch nur dann, weder sie unter Beobachtung ganz bestimmter unerläßlicher Be¬ dingungen gewonnen sind. Alle Verhältnisse mit Ausnahme des Umfanges der Wirtschaftsfläche und ihrer notwendigen Konsequenzen müssen bei den verglichenen Objekten annähernd gleich sein. Gerade die innere Kolonisation schafft die Be¬ dingungen, die wie keine anderen zur Verwirklichung dieser Forderung geeignet sind. Dadurch nämlich; daß auf demselben Grund und Boden, unter denselben klimatischen und Verkehrsverhältnissen zehn Jahre später fünfzig und mehr bäuer¬ liche Wirtschaften tätig sind, wo vor dieser Zeit ein einziger Großbetrieb arbeitete, ist in allen Punkten zwischen diesem und jenen die Vergleichbarkeit gewahrt mit Ausnahme eines, der Zeit. Dabei ist selbstverständliche Bedingung, daß'nach der Aufteilung nicht umfangreiche Meliorationen den Wert des Bodens oder Verkehrsverbesserung den Wert der wirtschaftlichen Lage verändert haben. Ge¬ lingt es unter diesen Kautelen/ den Faktor Zeit in seiner Wirksamkeit zu be- stimmen, so läßt sich ein bindender Vergleich zwischen diesem Großbetrieb und der Summe der bäuerlichen Betriebe bis ins einzelne zahlenmäßig durchführen. Handelte es sich dann bei dem aufgeteilten Gut um ein für die Verhältnisse der ganzen Gegend normales, so wird damit der Vergleich zu einem für diese Gegend allgemeingültigen erhoben. Um diese beiden Zwecke zu erreichen, d. h'. einmal die Feststellung des Fortschritts zu ermöglichen, die im Rahmen der allgemeinen landwirtschaftlichen Entwicklung der betreffenden Gegend auch der Unaufgeteilte Großbetrieb im Laufe von zehn Jahren gemacht hätte, und zweitens den Maßstab zu finden, an dem die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse geprüft werden kann; ist es nötig, einen unter möglichst denselben äußeren Wirtschafts- faktoren arbeitenden Großbetrieb der Nachbarschaft (Parallelgut) zum Vergleich mit heranzuziehen. Dessen Wirtschaftsresultate heute und vor zehn Jahren geben dann einen Maßstab ab für das frühere Gut sowohl wie für die heutige Kolonie, wie auch endlich für die Steigerung, die ein normaler Großbetrieb in der Zeit seit Aufteilung jenes Gutes erzielen konnte. All diesen Forderungen werden n'un die Untersuchungen gerecht, die ich auf Veranlassung der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin in Pommern und der Neumark angestellt habe und die jetzt zusammen mit den gleichzeitig von R. Mührer in Posen-Westpreußen zu demselben Zwecke gemachten Untersuchungen bei Paul Parey in Berlin erschienen sind"). Dabei habe ich mich nicht gescheut, da wo der Weg der Vergleichs- Methode strittig war, den dem bäuerlichen Betrieb ungünstigeren zu gehen, um *) Siehe oben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/171>, abgerufen am 23.12.2024.