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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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England und Rußland in Persien
V Freiherr" Albrecht von ZVoellwarth i onn

Der englische Premierminister Asquith erklärte dieser Tage im
Unterhause: "Wie bereits wiederholt festgestellt wurde, ist England
durch keine geheime und dem Parlament unbekannte Verpflichtung
gezwungen, an irgendeinem Kriege teilzunehmen." Zeitungsnachricht

ir Edward Grey und Herr Ssasonow hatten im September 1912
auf dem schottischen Königsschlosse Balmoral eingehende Ge-
legenheit, sich über die zwischen den beiden Ländern schwebende
persische Frage schlüssig zu werden. Als das Ergebnis dieser
Unterredungen war am 1. Oktober des vergangenen Jahres bekannt
gegeben worden, daß keine der beiden Mächte die Absicht, noch das Verlangen
hege, Persien zu teilen; daß beide Regierungen, um die Zurückziehung ihrer
Truppen aus Persien zu ermöglichen, eingehende Erwägungen darüber anstellen,
wie man am besten die persische Regierung stärken könne, um sie in den Stand
zu setzen, die Ordnung wiederherzustellen und die Handelsstraßen zu sichern.

Die Betonung, mit der das amtliche Communiquö beiden Mächten die
Absicht abspricht, teilen zu wollen, verhüllt etwas durchsichtig die Tatsache, daß
die eine Macht sehr gerne teilen möchte, der Partner aber sich widersetzt. Die
"Erwägungen", wie die persische Regierung zu stärken sei, sprechen nicht gerade
von entschlossener und einheitlicher Initiative, das notwendigste zu geben, nämlich
Geld. Außerordentlich zögernd und bedächtig klang diese Kundgebung über die
persische Politik der beiden Ententemächte. Wenn man die Ereignisse in Persien
selbst, die jüngsten Erklärungen der Vertreter des britischen Auswärtigen Amtes
im Parlament und die Angriffe der englischen Opposition ins Auge faßt, so
wird es klar, daß die Bemühungen, eine klare Entscheidung zu vermeiden, von
der Themse und nicht von der Newa ausgehen.


Grenzboien II 1913 1


England und Rußland in Persien
V Freiherr» Albrecht von ZVoellwarth i onn

Der englische Premierminister Asquith erklärte dieser Tage im
Unterhause: „Wie bereits wiederholt festgestellt wurde, ist England
durch keine geheime und dem Parlament unbekannte Verpflichtung
gezwungen, an irgendeinem Kriege teilzunehmen." Zeitungsnachricht

ir Edward Grey und Herr Ssasonow hatten im September 1912
auf dem schottischen Königsschlosse Balmoral eingehende Ge-
legenheit, sich über die zwischen den beiden Ländern schwebende
persische Frage schlüssig zu werden. Als das Ergebnis dieser
Unterredungen war am 1. Oktober des vergangenen Jahres bekannt
gegeben worden, daß keine der beiden Mächte die Absicht, noch das Verlangen
hege, Persien zu teilen; daß beide Regierungen, um die Zurückziehung ihrer
Truppen aus Persien zu ermöglichen, eingehende Erwägungen darüber anstellen,
wie man am besten die persische Regierung stärken könne, um sie in den Stand
zu setzen, die Ordnung wiederherzustellen und die Handelsstraßen zu sichern.

Die Betonung, mit der das amtliche Communiquö beiden Mächten die
Absicht abspricht, teilen zu wollen, verhüllt etwas durchsichtig die Tatsache, daß
die eine Macht sehr gerne teilen möchte, der Partner aber sich widersetzt. Die
„Erwägungen", wie die persische Regierung zu stärken sei, sprechen nicht gerade
von entschlossener und einheitlicher Initiative, das notwendigste zu geben, nämlich
Geld. Außerordentlich zögernd und bedächtig klang diese Kundgebung über die
persische Politik der beiden Ententemächte. Wenn man die Ereignisse in Persien
selbst, die jüngsten Erklärungen der Vertreter des britischen Auswärtigen Amtes
im Parlament und die Angriffe der englischen Opposition ins Auge faßt, so
wird es klar, daß die Bemühungen, eine klare Entscheidung zu vermeiden, von
der Themse und nicht von der Newa ausgehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/13>, abgerufen am 30.12.2024.