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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Die Rodia
Lrzählung aus cLeylon
Ronrad Guonthcr von (Schluß) ^ ^

Der Pflanzer wurde unterbrochen. Eine launische Frau erschien und
richtete ihm in ihrer Sprache etwas aus. Während sie nur unverständliche,
aber wohllautende Worte sprach, bewunderte ich ihre Tracht. Es war dieselbe,
die der Pflanzer soeben an der Rodia geschildert hätte. Das gelbrote Gewand
umschlang leicht den Unterkörper, das Ende war dann togaähnlich über die
eine Schulter gezogen und hinten wieder an der Hüfte festgesteckt. Der Körper
trat plastisch unter den malerischen Falten hervor, die schlanken Füße waren
fast bis zu den Knien frei. Im Nasenflügel steckte kokett ein goldenes Rosettchen,
ein Schmuck, den an dieser Stelle nur Tamitinnen, nie Sir gh alesinnen tragen.

Die Auskunft der Frau schien für den Pflanzer erfreulich zu sein, heiter
gab er Antwort und tat seine Fragen, und noch spielte ihm ein Lächeln um
die Lippen, als sie gegangen war, er sich wieder zu mir wandte und in seiner
Erzählung fortfuhr: ^

Ich sah von Widschaja in den nächsten Wochen nichts. Schmerzlich ver¬
mißte ich die einzige Unterhaltung, die sich mir in meinem Weltabgeschlossenen
Winkel geboten hatte. Auch im Dorf hielt man sich von mir zurück. Man
grüßte mich zwar mit derselben Höflichkeit wie vorher, aber es fehlte das freund¬
liche Lächeln in den Gesichtern, mit dem groß und klein mich sonst bewill¬
kommnet hatte. Widschajas Vater sah ich nicht; er zog sich offenbar jedesmal
in sein Haus zurück, wenn ich durch das Dorf giM Die Leute hielten mich
wohl nicht für irgendwie beteiligt an der Tat ihres Königssprossen, aber mein
Anblick rief ihnen das traurige Ereignis immer wieder wach, auch wußten sie,
daß ich ihre Handlungsweise nicht billigte.

Endlich, als noch einige weitere Wochen vergangen waren und Widschaja
immer noch nicht kam, beschloß ich, ihn aufzusuchen. An einem frühen Morgen
betrat ich den schmalen Urwaldpfad. Kerzengerade ragten zu beiden Seiten die
hohen Stämme empor; wie grüne Federpelze umgaben sie von allen Seiten die
schmalen Blätter der Schlingpflanzen, während hier und da hoch oben von einem




Die Rodia
Lrzählung aus cLeylon
Ronrad Guonthcr von (Schluß) ^ ^

Der Pflanzer wurde unterbrochen. Eine launische Frau erschien und
richtete ihm in ihrer Sprache etwas aus. Während sie nur unverständliche,
aber wohllautende Worte sprach, bewunderte ich ihre Tracht. Es war dieselbe,
die der Pflanzer soeben an der Rodia geschildert hätte. Das gelbrote Gewand
umschlang leicht den Unterkörper, das Ende war dann togaähnlich über die
eine Schulter gezogen und hinten wieder an der Hüfte festgesteckt. Der Körper
trat plastisch unter den malerischen Falten hervor, die schlanken Füße waren
fast bis zu den Knien frei. Im Nasenflügel steckte kokett ein goldenes Rosettchen,
ein Schmuck, den an dieser Stelle nur Tamitinnen, nie Sir gh alesinnen tragen.

Die Auskunft der Frau schien für den Pflanzer erfreulich zu sein, heiter
gab er Antwort und tat seine Fragen, und noch spielte ihm ein Lächeln um
die Lippen, als sie gegangen war, er sich wieder zu mir wandte und in seiner
Erzählung fortfuhr: ^

Ich sah von Widschaja in den nächsten Wochen nichts. Schmerzlich ver¬
mißte ich die einzige Unterhaltung, die sich mir in meinem Weltabgeschlossenen
Winkel geboten hatte. Auch im Dorf hielt man sich von mir zurück. Man
grüßte mich zwar mit derselben Höflichkeit wie vorher, aber es fehlte das freund¬
liche Lächeln in den Gesichtern, mit dem groß und klein mich sonst bewill¬
kommnet hatte. Widschajas Vater sah ich nicht; er zog sich offenbar jedesmal
in sein Haus zurück, wenn ich durch das Dorf giM Die Leute hielten mich
wohl nicht für irgendwie beteiligt an der Tat ihres Königssprossen, aber mein
Anblick rief ihnen das traurige Ereignis immer wieder wach, auch wußten sie,
daß ich ihre Handlungsweise nicht billigte.

Endlich, als noch einige weitere Wochen vergangen waren und Widschaja
immer noch nicht kam, beschloß ich, ihn aufzusuchen. An einem frühen Morgen
betrat ich den schmalen Urwaldpfad. Kerzengerade ragten zu beiden Seiten die
hohen Stämme empor; wie grüne Federpelze umgaben sie von allen Seiten die
schmalen Blätter der Schlingpflanzen, während hier und da hoch oben von einem


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[0129] [Abbildung] Die Rodia Lrzählung aus cLeylon Ronrad Guonthcr von (Schluß) ^ ^ Der Pflanzer wurde unterbrochen. Eine launische Frau erschien und richtete ihm in ihrer Sprache etwas aus. Während sie nur unverständliche, aber wohllautende Worte sprach, bewunderte ich ihre Tracht. Es war dieselbe, die der Pflanzer soeben an der Rodia geschildert hätte. Das gelbrote Gewand umschlang leicht den Unterkörper, das Ende war dann togaähnlich über die eine Schulter gezogen und hinten wieder an der Hüfte festgesteckt. Der Körper trat plastisch unter den malerischen Falten hervor, die schlanken Füße waren fast bis zu den Knien frei. Im Nasenflügel steckte kokett ein goldenes Rosettchen, ein Schmuck, den an dieser Stelle nur Tamitinnen, nie Sir gh alesinnen tragen. Die Auskunft der Frau schien für den Pflanzer erfreulich zu sein, heiter gab er Antwort und tat seine Fragen, und noch spielte ihm ein Lächeln um die Lippen, als sie gegangen war, er sich wieder zu mir wandte und in seiner Erzählung fortfuhr: ^ Ich sah von Widschaja in den nächsten Wochen nichts. Schmerzlich ver¬ mißte ich die einzige Unterhaltung, die sich mir in meinem Weltabgeschlossenen Winkel geboten hatte. Auch im Dorf hielt man sich von mir zurück. Man grüßte mich zwar mit derselben Höflichkeit wie vorher, aber es fehlte das freund¬ liche Lächeln in den Gesichtern, mit dem groß und klein mich sonst bewill¬ kommnet hatte. Widschajas Vater sah ich nicht; er zog sich offenbar jedesmal in sein Haus zurück, wenn ich durch das Dorf giM Die Leute hielten mich wohl nicht für irgendwie beteiligt an der Tat ihres Königssprossen, aber mein Anblick rief ihnen das traurige Ereignis immer wieder wach, auch wußten sie, daß ich ihre Handlungsweise nicht billigte. Endlich, als noch einige weitere Wochen vergangen waren und Widschaja immer noch nicht kam, beschloß ich, ihn aufzusuchen. An einem frühen Morgen betrat ich den schmalen Urwaldpfad. Kerzengerade ragten zu beiden Seiten die hohen Stämme empor; wie grüne Federpelze umgaben sie von allen Seiten die schmalen Blätter der Schlingpflanzen, während hier und da hoch oben von einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/129>, abgerufen am 30.12.2024.