Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.Airchspielvogt Mohr Zur Psychologie Hebbels und moderner Rritik Professor Dr, Rarl Rauschet i vonn reunde machten Friedrich Hebbel an seinem letzten Geburtstage Am Hebbeltage des Jahres 1913 befederten viele deutsche Zeitungen ihren "Der hochangesehene Kirchspielvogt von Wesselburen Mohr hieß die Airchspielvogt Mohr Zur Psychologie Hebbels und moderner Rritik Professor Dr, Rarl Rauschet i vonn reunde machten Friedrich Hebbel an seinem letzten Geburtstage Am Hebbeltage des Jahres 1913 befederten viele deutsche Zeitungen ihren „Der hochangesehene Kirchspielvogt von Wesselburen Mohr hieß die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325635"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_325519/figures/grenzboten_341897_325519_325635_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Airchspielvogt Mohr<lb/> Zur Psychologie Hebbels und moderner Rritik<lb/><note type="byline"> Professor Dr, Rarl Rauschet i</note> vonn</head><lb/> <p xml:id="ID_481"> reunde machten Friedrich Hebbel an seinem letzten Geburtstage<lb/> el» Geschenk mit zwei Gemälden, die ihm die erhebendsten und<lb/> «M^v zugleich die trübsten Zeiten seiner Jugend vor Augen führten.<lb/> MM^M^Ä Es waren Bilder von der Wesselbmener Kirche und von der<lb/> Kirchspielvogtei. Ost hatte er die Stätte verflucht, an die er „die<lb/> sieben längsten Jahre seines Lebens, diejenigen, welche man gewöhnlich die<lb/> schöusten nennt, uuter höchst unerfreulichen Verhältnissen als Schreiber zu¬<lb/> brachte", wie er an die Großherzogin von Weimar schrieb (Briefe VII, 317).<lb/> Und mehr noch als den Ort seiner Qual haßte er den Mann, die Ursache<lb/> seiner Leiden. Glaubte er doch. Kirchspielvogt Mohr habe ihn trotz der Er¬<lb/> kenntnis seiner Begabung in niederer Dienerstelluug schmochteu lassen. Fast<lb/> alles, was wir über Mohr wissen, beruht auf Zeugnissen Hebbels. Die<lb/> Biographen haben sich in den wesentlichsten Punkten auf diese Zeugnisse gestützt<lb/> und nur gelegentlich durchblicken lassen, daß sie geneigt seien, die schweren An¬<lb/> klagen ein wenig zu mildern.</p><lb/> <p xml:id="ID_482"> Am Hebbeltage des Jahres 1913 befederten viele deutsche Zeitungen ihren<lb/> Lesern einen Aufsatz „Hebbels Leben und Dichtung" von Herbert Eulenberg.<lb/> Euleubergs Name muß wohl stärker gewirkt haben als der Inhalt des<lb/> Feuilletons. Daß ein Ton in den Ausführungen angeschlagen wurde, der<lb/> glücklicherweise in Gedächtnisartikeln nicht üblich ist, kann den Schriftleitungen<lb/> angesehener Blätter nicht entgangen sein. Fern liegt es mir, eine Kritik an<lb/> dem kleinen „Kunstmerke" üben zu wollen, dessen bestehende äußere Vorzüge,<lb/> dessen großer Zug Beachtung verdienen mögen. An einem Abschnitte das aber<lb/> auch der Hebbclverehrer Anstoß nehmen, an den Bemerkungen, die dem Kirch-<lb/> spieluogt von Wesselburen gewidmet sind. Nur mit Widerstreben setze ich die<lb/> Stelle her:</p><lb/> <p xml:id="ID_483" next="#ID_484"> „Der hochangesehene Kirchspielvogt von Wesselburen Mohr hieß die<lb/> Kanaille! — nahm den mit einer vortrefflichen Handschrift ausgestatteten Jungen<lb/> als Schreiber in seine Dienste und zog ihn zuerst in die papierne Well der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0115]
[Abbildung]
Airchspielvogt Mohr
Zur Psychologie Hebbels und moderner Rritik
Professor Dr, Rarl Rauschet i vonn
reunde machten Friedrich Hebbel an seinem letzten Geburtstage
el» Geschenk mit zwei Gemälden, die ihm die erhebendsten und
«M^v zugleich die trübsten Zeiten seiner Jugend vor Augen führten.
MM^M^Ä Es waren Bilder von der Wesselbmener Kirche und von der
Kirchspielvogtei. Ost hatte er die Stätte verflucht, an die er „die
sieben längsten Jahre seines Lebens, diejenigen, welche man gewöhnlich die
schöusten nennt, uuter höchst unerfreulichen Verhältnissen als Schreiber zu¬
brachte", wie er an die Großherzogin von Weimar schrieb (Briefe VII, 317).
Und mehr noch als den Ort seiner Qual haßte er den Mann, die Ursache
seiner Leiden. Glaubte er doch. Kirchspielvogt Mohr habe ihn trotz der Er¬
kenntnis seiner Begabung in niederer Dienerstelluug schmochteu lassen. Fast
alles, was wir über Mohr wissen, beruht auf Zeugnissen Hebbels. Die
Biographen haben sich in den wesentlichsten Punkten auf diese Zeugnisse gestützt
und nur gelegentlich durchblicken lassen, daß sie geneigt seien, die schweren An¬
klagen ein wenig zu mildern.
Am Hebbeltage des Jahres 1913 befederten viele deutsche Zeitungen ihren
Lesern einen Aufsatz „Hebbels Leben und Dichtung" von Herbert Eulenberg.
Euleubergs Name muß wohl stärker gewirkt haben als der Inhalt des
Feuilletons. Daß ein Ton in den Ausführungen angeschlagen wurde, der
glücklicherweise in Gedächtnisartikeln nicht üblich ist, kann den Schriftleitungen
angesehener Blätter nicht entgangen sein. Fern liegt es mir, eine Kritik an
dem kleinen „Kunstmerke" üben zu wollen, dessen bestehende äußere Vorzüge,
dessen großer Zug Beachtung verdienen mögen. An einem Abschnitte das aber
auch der Hebbclverehrer Anstoß nehmen, an den Bemerkungen, die dem Kirch-
spieluogt von Wesselburen gewidmet sind. Nur mit Widerstreben setze ich die
Stelle her:
„Der hochangesehene Kirchspielvogt von Wesselburen Mohr hieß die
Kanaille! — nahm den mit einer vortrefflichen Handschrift ausgestatteten Jungen
als Schreiber in seine Dienste und zog ihn zuerst in die papierne Well der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |