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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Aämvfe miserer Lehrerschaft

fähigung zum Unterricht an Lehrer- und Lehrerinnenseminaren, Realschulen,
höheren Mädchenschulen, Studienanstalten und Frauenschulen". Wer diese
Prüfung mit der Gesamtzensur Ha besteht, darf bei der philosophischen Fakultät
um Promotion nachsuchen, wenn zwei Professoren sein Gesuch auf Grund
persönlicher Kenntnis unterstützen.

Die preußische Unterrichtsverwaltung hat, zuerst im Jahre 1896, besondere
Kurse zur Fortbildung von Volksschullehrern in Berlin veranstaltet, die mit
der Universität nur dadurch in Zusammenhang stehen, daß die dabei beteiligten
Dozenten großenteils dem akademischen Lehrkörper angehören. Die Dauer
dieser Kurse war ursprünglich auf neun Monate bemessen, ist aber allmählich
ausgedehnt worden und beträgt jetzt zwei Jahre. Außer in Berlin sind Kurse
dieser Art dann auch in Posen und seit 1912 in Münster eingerichtet worden.
Die Einberufung erfolgt aus der Zahl derer, welche schon die Prüfung für
Mittelschulen bestanden haben, nach eigener Meldung und auf Vorschlag der
Königlichen Regierungen; die Zahl der Teilnehmer soll etwa dreißig betragen.
Eine Prüfung zum Abschluß fand früher nicht statt. Erst im vorigen Jahre
sind Bestimmungen darüber erlassen worden,*) nach denen es nicht so sehr
darauf ankommen soll, daß ein bestimmtes Wissen festgestellt werde, "als viel¬
mehr die Befähigung, im Gebiete des Seminars selbständig zu arbeiten und
überall da, wo es möglich ist, die Beziehung zu dem wirklichen Leben herzu¬
stellen, die im Unterrichte der Volksschule die Voraussetzung alles Unterrichts
ist." Danach wurde dann zum ersten Male im Herbst 1912 in Posen ver¬
fahren, wo die 27 Lehrer, die den Kursus durchgemacht hatten, die Prüfung
bestanden haben.**)

Die Frage ist nun: welcher der beiden Wege verdient den Vorzug? Gegen
den in Sachsen und den übrigen Staaten eingeschlagenen sprechen, wenn auch
in geringerem Grade, dieselben Bedenken wie gegen den Universitätsbesuch der
Volksschullehrer überhaupt. Wenn von der anderen Seite geltend gemacht
wird, man habe noch nie gehört, "daß in Leipzig die studierenden Volksschul¬
lehrer als Studenten zweiter Klasse angesehen und behandelt worden" seien, so
versteht sich das eigentlich von selbst; damit ist aber nicht bewiesen, daß sich
aus der Vereinigung ganz verschieden vorgebildeter Studierenden in denselben
Vorlesungen und Übungen keine Unzuträglichkeiten ergeben hätten. Darüber
authentische Auskunft zu erhalten, die doch kaum anders als vertraulich sein
könnte, würde nicht leicht sein. Inzwischen hat die preußische Unterrichts-




*) "Ordnung der Abschlußprüfung an den wissenschaftlichen Kursen zur Ausbildung
von Seminarlehrern" vom 8. Juli 1912, veröffentlicht im Zentralblatt der Unterrichts¬
verwaltung und in den "Bestimmungen betreffend das Präparanden- und Seminarwesen".
(Halle a. S. 1912.) Die oben ausgehobenen Worte aus 8 6.
*") Mitgeteilt von einem Vertreter der Unterrichtsverwaltung in der Unterrichtskommisston
des Abgeordnetenhauses. Vgl. deren Bericht über die Anträge der Abgeordneten Aronsohn
und Genossen und Dr. von Campe und Genossen betreffend Universitätsbesuch der Volksschul¬
lehrer (1912/13, Drucksachen Ur. 116ö).
Aämvfe miserer Lehrerschaft

fähigung zum Unterricht an Lehrer- und Lehrerinnenseminaren, Realschulen,
höheren Mädchenschulen, Studienanstalten und Frauenschulen". Wer diese
Prüfung mit der Gesamtzensur Ha besteht, darf bei der philosophischen Fakultät
um Promotion nachsuchen, wenn zwei Professoren sein Gesuch auf Grund
persönlicher Kenntnis unterstützen.

Die preußische Unterrichtsverwaltung hat, zuerst im Jahre 1896, besondere
Kurse zur Fortbildung von Volksschullehrern in Berlin veranstaltet, die mit
der Universität nur dadurch in Zusammenhang stehen, daß die dabei beteiligten
Dozenten großenteils dem akademischen Lehrkörper angehören. Die Dauer
dieser Kurse war ursprünglich auf neun Monate bemessen, ist aber allmählich
ausgedehnt worden und beträgt jetzt zwei Jahre. Außer in Berlin sind Kurse
dieser Art dann auch in Posen und seit 1912 in Münster eingerichtet worden.
Die Einberufung erfolgt aus der Zahl derer, welche schon die Prüfung für
Mittelschulen bestanden haben, nach eigener Meldung und auf Vorschlag der
Königlichen Regierungen; die Zahl der Teilnehmer soll etwa dreißig betragen.
Eine Prüfung zum Abschluß fand früher nicht statt. Erst im vorigen Jahre
sind Bestimmungen darüber erlassen worden,*) nach denen es nicht so sehr
darauf ankommen soll, daß ein bestimmtes Wissen festgestellt werde, „als viel¬
mehr die Befähigung, im Gebiete des Seminars selbständig zu arbeiten und
überall da, wo es möglich ist, die Beziehung zu dem wirklichen Leben herzu¬
stellen, die im Unterrichte der Volksschule die Voraussetzung alles Unterrichts
ist." Danach wurde dann zum ersten Male im Herbst 1912 in Posen ver¬
fahren, wo die 27 Lehrer, die den Kursus durchgemacht hatten, die Prüfung
bestanden haben.**)

Die Frage ist nun: welcher der beiden Wege verdient den Vorzug? Gegen
den in Sachsen und den übrigen Staaten eingeschlagenen sprechen, wenn auch
in geringerem Grade, dieselben Bedenken wie gegen den Universitätsbesuch der
Volksschullehrer überhaupt. Wenn von der anderen Seite geltend gemacht
wird, man habe noch nie gehört, „daß in Leipzig die studierenden Volksschul¬
lehrer als Studenten zweiter Klasse angesehen und behandelt worden" seien, so
versteht sich das eigentlich von selbst; damit ist aber nicht bewiesen, daß sich
aus der Vereinigung ganz verschieden vorgebildeter Studierenden in denselben
Vorlesungen und Übungen keine Unzuträglichkeiten ergeben hätten. Darüber
authentische Auskunft zu erhalten, die doch kaum anders als vertraulich sein
könnte, würde nicht leicht sein. Inzwischen hat die preußische Unterrichts-




*) „Ordnung der Abschlußprüfung an den wissenschaftlichen Kursen zur Ausbildung
von Seminarlehrern" vom 8. Juli 1912, veröffentlicht im Zentralblatt der Unterrichts¬
verwaltung und in den „Bestimmungen betreffend das Präparanden- und Seminarwesen".
(Halle a. S. 1912.) Die oben ausgehobenen Worte aus 8 6.
*") Mitgeteilt von einem Vertreter der Unterrichtsverwaltung in der Unterrichtskommisston
des Abgeordnetenhauses. Vgl. deren Bericht über die Anträge der Abgeordneten Aronsohn
und Genossen und Dr. von Campe und Genossen betreffend Universitätsbesuch der Volksschul¬
lehrer (1912/13, Drucksachen Ur. 116ö).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/624>, abgerufen am 24.08.2024.