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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Die Überwindung des europäischen Nihilismus
U)else der Kraft
. Helft Götter suchen, helft den Gott uns finden,
der auferbaut in Glorie uns umstrahle,
schafft Brot und Wein zum hohen Abendmahle
der Kraft, zu bauen und zu überwinden.
Rings Scherben nur. Zerbrochen sind die blinden
ergreisten Götter, Opfertrank -- und Schale
im krausen Schule verflackerter Fanale.
Laßt neuen Rausch die kühle Brust entzünden!
Der graue Tempel stiert mit brandgen Giebeln
und iopfgestübt in jahrlang dumpfem Grübeln
hocken wir tatlvsz unsere Sinne modern.
Nun auf, dasz neuerregte Kräfte meistre
ein Göttliches, das heischend und vegeistre,
ob auch in seinem Atem wir Verladern!

Georg I. Plotke
Das Wertproblein

eher die Menschheit hin durch die Jahrtausende tönt die uralte
Frage nach dein Sinne des Lebens. Wozu das alles? Wozu
Mühe und Arbeit, Lust und Schmerz? Hat es einen Zweck, hat
es einen Wert? Das Getriebe der Welt, der ungeheuere Auf¬
wand an Kräften, vom Kreisen der Gestirne angefangen bis herab
zu deinen: eigenen nüchternen Tagewerke -- was will das, welchen Zweck hat
es, nach welchem Ziele strebt es? Wenn ich es mir sauer werden lasse und
mich abmühe, wenn ich das Gute zu tun und der Allgemeinheit zu dienen suche,
bleibt davon etwas, schließlich, wenn ich nicht mehr bin, wenn die Erde nicht
mehr ist, wenn die Welt nicht mehr ist? Gesetzt, ich habe das meine getan,
aber ich bin erfolglos geblieben: darf ich mich trösten, daß es doch Frucht
tragen werde, irgendwo, irgendwann -- oder muß ich mir sagen: es hatte
keinen Wert und es wäre besser gewesen, mein weniges zu verprassen?

So tönt die Frage, leise, von vielen überhört, von Generationen nicht
beachtet. In der Stille irgendeiner Nacht, auf dem Meere unter dem gestirnten
Himmel, am Krankenbette, am offenen Grabe eines Lieben, im Einerlei des




Die Überwindung des europäischen Nihilismus
U)else der Kraft
. Helft Götter suchen, helft den Gott uns finden,
der auferbaut in Glorie uns umstrahle,
schafft Brot und Wein zum hohen Abendmahle
der Kraft, zu bauen und zu überwinden.
Rings Scherben nur. Zerbrochen sind die blinden
ergreisten Götter, Opfertrank — und Schale
im krausen Schule verflackerter Fanale.
Laßt neuen Rausch die kühle Brust entzünden!
Der graue Tempel stiert mit brandgen Giebeln
und iopfgestübt in jahrlang dumpfem Grübeln
hocken wir tatlvsz unsere Sinne modern.
Nun auf, dasz neuerregte Kräfte meistre
ein Göttliches, das heischend und vegeistre,
ob auch in seinem Atem wir Verladern!

Georg I. Plotke
Das Wertproblein

eher die Menschheit hin durch die Jahrtausende tönt die uralte
Frage nach dein Sinne des Lebens. Wozu das alles? Wozu
Mühe und Arbeit, Lust und Schmerz? Hat es einen Zweck, hat
es einen Wert? Das Getriebe der Welt, der ungeheuere Auf¬
wand an Kräften, vom Kreisen der Gestirne angefangen bis herab
zu deinen: eigenen nüchternen Tagewerke — was will das, welchen Zweck hat
es, nach welchem Ziele strebt es? Wenn ich es mir sauer werden lasse und
mich abmühe, wenn ich das Gute zu tun und der Allgemeinheit zu dienen suche,
bleibt davon etwas, schließlich, wenn ich nicht mehr bin, wenn die Erde nicht
mehr ist, wenn die Welt nicht mehr ist? Gesetzt, ich habe das meine getan,
aber ich bin erfolglos geblieben: darf ich mich trösten, daß es doch Frucht
tragen werde, irgendwo, irgendwann — oder muß ich mir sagen: es hatte
keinen Wert und es wäre besser gewesen, mein weniges zu verprassen?

So tönt die Frage, leise, von vielen überhört, von Generationen nicht
beachtet. In der Stille irgendeiner Nacht, auf dem Meere unter dem gestirnten
Himmel, am Krankenbette, am offenen Grabe eines Lieben, im Einerlei des


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[0610] [Abbildung] Die Überwindung des europäischen Nihilismus U)else der Kraft . Helft Götter suchen, helft den Gott uns finden, der auferbaut in Glorie uns umstrahle, schafft Brot und Wein zum hohen Abendmahle der Kraft, zu bauen und zu überwinden. Rings Scherben nur. Zerbrochen sind die blinden ergreisten Götter, Opfertrank — und Schale im krausen Schule verflackerter Fanale. Laßt neuen Rausch die kühle Brust entzünden! Der graue Tempel stiert mit brandgen Giebeln und iopfgestübt in jahrlang dumpfem Grübeln hocken wir tatlvsz unsere Sinne modern. Nun auf, dasz neuerregte Kräfte meistre ein Göttliches, das heischend und vegeistre, ob auch in seinem Atem wir Verladern! Georg I. Plotke Das Wertproblein eher die Menschheit hin durch die Jahrtausende tönt die uralte Frage nach dein Sinne des Lebens. Wozu das alles? Wozu Mühe und Arbeit, Lust und Schmerz? Hat es einen Zweck, hat es einen Wert? Das Getriebe der Welt, der ungeheuere Auf¬ wand an Kräften, vom Kreisen der Gestirne angefangen bis herab zu deinen: eigenen nüchternen Tagewerke — was will das, welchen Zweck hat es, nach welchem Ziele strebt es? Wenn ich es mir sauer werden lasse und mich abmühe, wenn ich das Gute zu tun und der Allgemeinheit zu dienen suche, bleibt davon etwas, schließlich, wenn ich nicht mehr bin, wenn die Erde nicht mehr ist, wenn die Welt nicht mehr ist? Gesetzt, ich habe das meine getan, aber ich bin erfolglos geblieben: darf ich mich trösten, daß es doch Frucht tragen werde, irgendwo, irgendwann — oder muß ich mir sagen: es hatte keinen Wert und es wäre besser gewesen, mein weniges zu verprassen? So tönt die Frage, leise, von vielen überhört, von Generationen nicht beachtet. In der Stille irgendeiner Nacht, auf dem Meere unter dem gestirnten Himmel, am Krankenbette, am offenen Grabe eines Lieben, im Einerlei des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/610>, abgerufen am 22.12.2024.