Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.F, W. Raiffeise" Mitgliedern. Die äußere Entwicklung der von ihm eingeleiteten Bewegung Wenn von einer engeren Raiffeisenschen Organisation die Rede ist, so Naiffeisen hatte sich nämlich mit der Schaffung der Einzelgenossenschaft Ihre Eigenart besteht darin, daß ihre Aktionäre nur Raiffeisenvereine mit Entsprechend der Ausbreitung der Raiffeisenvereine dehnte sich auch der Neben dieser wirtschaftlichen Zusammenfassung der Raiffeisenvereine in der 36*
F, W. Raiffeise» Mitgliedern. Die äußere Entwicklung der von ihm eingeleiteten Bewegung Wenn von einer engeren Raiffeisenschen Organisation die Rede ist, so Naiffeisen hatte sich nämlich mit der Schaffung der Einzelgenossenschaft Ihre Eigenart besteht darin, daß ihre Aktionäre nur Raiffeisenvereine mit Entsprechend der Ausbreitung der Raiffeisenvereine dehnte sich auch der Neben dieser wirtschaftlichen Zusammenfassung der Raiffeisenvereine in der 36*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0567" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325437"/> <fw type="header" place="top"> F, W. Raiffeise»</fw><lb/> <p xml:id="ID_2695" prev="#ID_2694"> Mitgliedern. Die äußere Entwicklung der von ihm eingeleiteten Bewegung<lb/> machte aber erst nach seinem Tode die gewaltigen Fortschritte, die zum<lb/> jetzigen Bestand geführt haben. Allein die engere an ihn angeschlossene<lb/> Organisation zählte im Jahre 1912 etwa 4400 Raiffeisenvereine und etwa<lb/> 900 sonstige Genossenschaften (Molkereien, Winzervereine, Kornhäuser) mit un¬<lb/> gefähr 500000 Mitgliedern, d. h. nach dem Gesagten 500000 Haushaltungs¬<lb/> vorstände.</p><lb/> <p xml:id="ID_2696"> Wenn von einer engeren Raiffeisenschen Organisation die Rede ist, so<lb/> deutet dies auf eine etwas anders geartete und von der Raiffeisenschen ab¬<lb/> weichende Entwicklung eines Teils des ländlichen Genossenschaftswesens hin,<lb/> und so liegt es in der Tat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2697"> Naiffeisen hatte sich nämlich mit der Schaffung der Einzelgenossenschaft<lb/> nicht begnügt. Vielmehr hatte er die in der Kleinheit des Vereinsbezirks seiner<lb/> Genossenschaft — dem wichtigen Fundament erfolgreicher genossenschaftlicher<lb/> Betätigung — liegende praktische Unmöglichkeit der Vereinzelung klar erkannt<lb/> und Abhilfe geschaffen. Denn der Geldbedarf und das Geldangebot konnte<lb/> sich in einer so kleinen Personengemeinschaft wie einer dörflichen Kreditgenossen¬<lb/> schaft nicht dauernd ausgleichen. Die Genossenschaft mußte bald unter Geld¬<lb/> mangel, bald unter Geldüberfluß, sür den geeignete Anlagemöglichkeit nicht stets<lb/> gegeben war, leiden. Sie bedürfte also einer Ergänzung durch eine Geld¬<lb/> ausgleichstelle, die gegen angemessenen Zins stets den benötigten Kredit hergab<lb/> und überschüssige Gelder gegen gute Sicherheit und Verzinsung stets abnahm.<lb/> Die Geldausgleichstelle. Genossenschaftsbank, schuf Raiffeisen nach einigen ander¬<lb/> weitigen Versuchen in der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse, die er mit<lb/> einer Reihe von Darlehnskassenvereinen 1876 als Aktiengesellschaft gründete und<lb/> die er bis zu seinem Tode persönlich leitete.</p><lb/> <p xml:id="ID_2698"> Ihre Eigenart besteht darin, daß ihre Aktionäre nur Raiffeisenvereine mit<lb/> unbeschränkter Haftpflicht sind, daß sie ihren Wirkungskreis auf ganz Deutsch¬<lb/> land erstreckt und ihre Geschäfte, wenn auch durch Filialen, so doch unmittelbar<lb/> mit ihren Aktionärvereinen vollzieht. Sie ist also zentral organisiert.</p><lb/> <p xml:id="ID_2699"> Entsprechend der Ausbreitung der Raiffeisenvereine dehnte sich auch der<lb/> Geschäftsverkehr der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse immer mehr aus.<lb/> Ihr anfängliches Aktienkapital von 500000 Mark beziffert sich gegenwärtig auf<lb/> 10000000 Mark. Ihr Umsatz, der beim Tode Raiffeisens etwa 4 Millionen<lb/> Mark betrug, belief sich 1912 auf 1239 Millionen Mark.</p><lb/> <p xml:id="ID_2700"> Neben dieser wirtschaftlichen Zusammenfassung der Raiffeisenvereine in der<lb/> Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse schuf Naiffeisen noch eine weitere<lb/> gemeinschaftliche Einrichtung, nämlich eine „Anwaltschaft" zur Überwachung<lb/> und Beratung der Vereine und zur Wahrnehmung der gemeinschaftlichen Inter¬<lb/> essen. Dieser 1877 gegründete Anwaltschaftsverband, der jetzt Generalverband<lb/> ländlicher Genossenschaften für Deutschland heißt, umfaßte damals etwa 50.<lb/> gegenwärtig etwa 5300 Genossenschaften.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 36*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0567]
F, W. Raiffeise»
Mitgliedern. Die äußere Entwicklung der von ihm eingeleiteten Bewegung
machte aber erst nach seinem Tode die gewaltigen Fortschritte, die zum
jetzigen Bestand geführt haben. Allein die engere an ihn angeschlossene
Organisation zählte im Jahre 1912 etwa 4400 Raiffeisenvereine und etwa
900 sonstige Genossenschaften (Molkereien, Winzervereine, Kornhäuser) mit un¬
gefähr 500000 Mitgliedern, d. h. nach dem Gesagten 500000 Haushaltungs¬
vorstände.
Wenn von einer engeren Raiffeisenschen Organisation die Rede ist, so
deutet dies auf eine etwas anders geartete und von der Raiffeisenschen ab¬
weichende Entwicklung eines Teils des ländlichen Genossenschaftswesens hin,
und so liegt es in der Tat.
Naiffeisen hatte sich nämlich mit der Schaffung der Einzelgenossenschaft
nicht begnügt. Vielmehr hatte er die in der Kleinheit des Vereinsbezirks seiner
Genossenschaft — dem wichtigen Fundament erfolgreicher genossenschaftlicher
Betätigung — liegende praktische Unmöglichkeit der Vereinzelung klar erkannt
und Abhilfe geschaffen. Denn der Geldbedarf und das Geldangebot konnte
sich in einer so kleinen Personengemeinschaft wie einer dörflichen Kreditgenossen¬
schaft nicht dauernd ausgleichen. Die Genossenschaft mußte bald unter Geld¬
mangel, bald unter Geldüberfluß, sür den geeignete Anlagemöglichkeit nicht stets
gegeben war, leiden. Sie bedürfte also einer Ergänzung durch eine Geld¬
ausgleichstelle, die gegen angemessenen Zins stets den benötigten Kredit hergab
und überschüssige Gelder gegen gute Sicherheit und Verzinsung stets abnahm.
Die Geldausgleichstelle. Genossenschaftsbank, schuf Raiffeisen nach einigen ander¬
weitigen Versuchen in der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse, die er mit
einer Reihe von Darlehnskassenvereinen 1876 als Aktiengesellschaft gründete und
die er bis zu seinem Tode persönlich leitete.
Ihre Eigenart besteht darin, daß ihre Aktionäre nur Raiffeisenvereine mit
unbeschränkter Haftpflicht sind, daß sie ihren Wirkungskreis auf ganz Deutsch¬
land erstreckt und ihre Geschäfte, wenn auch durch Filialen, so doch unmittelbar
mit ihren Aktionärvereinen vollzieht. Sie ist also zentral organisiert.
Entsprechend der Ausbreitung der Raiffeisenvereine dehnte sich auch der
Geschäftsverkehr der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse immer mehr aus.
Ihr anfängliches Aktienkapital von 500000 Mark beziffert sich gegenwärtig auf
10000000 Mark. Ihr Umsatz, der beim Tode Raiffeisens etwa 4 Millionen
Mark betrug, belief sich 1912 auf 1239 Millionen Mark.
Neben dieser wirtschaftlichen Zusammenfassung der Raiffeisenvereine in der
Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse schuf Naiffeisen noch eine weitere
gemeinschaftliche Einrichtung, nämlich eine „Anwaltschaft" zur Überwachung
und Beratung der Vereine und zur Wahrnehmung der gemeinschaftlichen Inter¬
essen. Dieser 1877 gegründete Anwaltschaftsverband, der jetzt Generalverband
ländlicher Genossenschaften für Deutschland heißt, umfaßte damals etwa 50.
gegenwärtig etwa 5300 Genossenschaften.
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