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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Briefe ans Trebeldorf

ich das um sie habe leiden müssen. Kaum das ich sie beruhigen konnte, das
gute Kind.

Nun schmerzt es wieder. Ich muß aufhören.


Dein Edward.

P. S. Ja. Du hast recht. Ich war zu hitzig dem Rektor gegenüber.
Ich komme schon wieder zusammen mit ihm. Es ist ihm ja selbst leid. --
War ein fremder Tropfen in seinem Blut. -- Ich soll bleiben? -- Wenn man
nur sonst hier leben könnte! Aber ich mag nicht mehr.


E.

Trebeldorf, den 23. März 19 . .


Lieber Cunz,

es ist aus. Ich gehe. In zwei Wochen schon bin ich nicht mehr in Trebel¬
dorf. Ich habe an den Magistrat ein Gesuch um meine sofortige Entlassung
zu Ostern gerichtet. Man versprach mir die Erfüllung meiner Bitte, falls in
der Kürze der Zeit ein geeigneter Nachfolger sich fände. Der ist nun gefunden,
und gestern habe ich die amtliche Benachrichtigung erhalten, daß ich auf meinen
Wunsch zum ersten April aus dem Dienste hiesiger Stadt entlassen bin.

Über die Gründe hast Du aus meinen spärlichen Postkarten keine Klarheit
gewinnen können. Ich wollte erst Gewißheit haben. Nun will ich Dir alles
erzählen.

Die kleine Reiberei von neulich mit dem Rektor ist es nicht, die mich
forttreibt. Wir haben uns noch einmal in aller Ruhe über die Sache aus¬
gesprochen und sind jetzt gegeneinander die alten.

Desto fleißigere Maulwurfsarbeit ist aber von anderer Seite getan worden,
um den Boden unter meinen Füßen zu höhlen.

Daß Du doch recht behalten hast, mein guter Cunzl

Welch eine Affäre ist aus Annas täglichem Kommen zu mir entstanden! --

In grimmiger Wut habe ich die Fäuste geballt und die Lippen blutig
gebissen; und in welcher Verfassung möchte ich heute noch sein, wenn nicht
alles zu so wunderbarem Ende ausgegangen wäre.

In ganz Trebeldorf haben sie die Köpfe zusammengesteckt und über mich
ihr Lästergericht gehalten. Den schwärzesten Pinsel haben sie genommen und
sind damit über meine Ehre und Annas reinen Namen hergefallen. Den
Anstoß dazu hat die Geschichte mit dem Fritze Adlers gegeben. Das haben
sie mir gegönnt.

Das sei ein sauberer Herr, der Korrektor, haben sie gesagt, ein hoch¬
mütiger, gottvergessener Mensch, der die Kirche verachte, den heiligen Kaffee
verhöhne, statt dessen aber auf den Turnerball laufe und sich zum Hanswurst
mache. -- Aus den ersten Kreisen der Stadt habe er sich zurückziehen müssen,
nachdem er in frechster Weise die Damen aufgezogen habe. Dann sei er in die
Hintergasse geschlichen, um die Anna Ewert zu besuchen. Er habe ein Ver¬
hältnis mit der Dirne und schäme sich nicht, sie offen jeden Tag in seine


Briefe ans Trebeldorf

ich das um sie habe leiden müssen. Kaum das ich sie beruhigen konnte, das
gute Kind.

Nun schmerzt es wieder. Ich muß aufhören.


Dein Edward.

P. S. Ja. Du hast recht. Ich war zu hitzig dem Rektor gegenüber.
Ich komme schon wieder zusammen mit ihm. Es ist ihm ja selbst leid. —
War ein fremder Tropfen in seinem Blut. — Ich soll bleiben? — Wenn man
nur sonst hier leben könnte! Aber ich mag nicht mehr.


E.

Trebeldorf, den 23. März 19 . .


Lieber Cunz,

es ist aus. Ich gehe. In zwei Wochen schon bin ich nicht mehr in Trebel¬
dorf. Ich habe an den Magistrat ein Gesuch um meine sofortige Entlassung
zu Ostern gerichtet. Man versprach mir die Erfüllung meiner Bitte, falls in
der Kürze der Zeit ein geeigneter Nachfolger sich fände. Der ist nun gefunden,
und gestern habe ich die amtliche Benachrichtigung erhalten, daß ich auf meinen
Wunsch zum ersten April aus dem Dienste hiesiger Stadt entlassen bin.

Über die Gründe hast Du aus meinen spärlichen Postkarten keine Klarheit
gewinnen können. Ich wollte erst Gewißheit haben. Nun will ich Dir alles
erzählen.

Die kleine Reiberei von neulich mit dem Rektor ist es nicht, die mich
forttreibt. Wir haben uns noch einmal in aller Ruhe über die Sache aus¬
gesprochen und sind jetzt gegeneinander die alten.

Desto fleißigere Maulwurfsarbeit ist aber von anderer Seite getan worden,
um den Boden unter meinen Füßen zu höhlen.

Daß Du doch recht behalten hast, mein guter Cunzl

Welch eine Affäre ist aus Annas täglichem Kommen zu mir entstanden! —

In grimmiger Wut habe ich die Fäuste geballt und die Lippen blutig
gebissen; und in welcher Verfassung möchte ich heute noch sein, wenn nicht
alles zu so wunderbarem Ende ausgegangen wäre.

In ganz Trebeldorf haben sie die Köpfe zusammengesteckt und über mich
ihr Lästergericht gehalten. Den schwärzesten Pinsel haben sie genommen und
sind damit über meine Ehre und Annas reinen Namen hergefallen. Den
Anstoß dazu hat die Geschichte mit dem Fritze Adlers gegeben. Das haben
sie mir gegönnt.

Das sei ein sauberer Herr, der Korrektor, haben sie gesagt, ein hoch¬
mütiger, gottvergessener Mensch, der die Kirche verachte, den heiligen Kaffee
verhöhne, statt dessen aber auf den Turnerball laufe und sich zum Hanswurst
mache. — Aus den ersten Kreisen der Stadt habe er sich zurückziehen müssen,
nachdem er in frechster Weise die Damen aufgezogen habe. Dann sei er in die
Hintergasse geschlichen, um die Anna Ewert zu besuchen. Er habe ein Ver¬
hältnis mit der Dirne und schäme sich nicht, sie offen jeden Tag in seine


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[0539] Briefe ans Trebeldorf ich das um sie habe leiden müssen. Kaum das ich sie beruhigen konnte, das gute Kind. Nun schmerzt es wieder. Ich muß aufhören. Dein Edward. P. S. Ja. Du hast recht. Ich war zu hitzig dem Rektor gegenüber. Ich komme schon wieder zusammen mit ihm. Es ist ihm ja selbst leid. — War ein fremder Tropfen in seinem Blut. — Ich soll bleiben? — Wenn man nur sonst hier leben könnte! Aber ich mag nicht mehr. E. Trebeldorf, den 23. März 19 . . Lieber Cunz, es ist aus. Ich gehe. In zwei Wochen schon bin ich nicht mehr in Trebel¬ dorf. Ich habe an den Magistrat ein Gesuch um meine sofortige Entlassung zu Ostern gerichtet. Man versprach mir die Erfüllung meiner Bitte, falls in der Kürze der Zeit ein geeigneter Nachfolger sich fände. Der ist nun gefunden, und gestern habe ich die amtliche Benachrichtigung erhalten, daß ich auf meinen Wunsch zum ersten April aus dem Dienste hiesiger Stadt entlassen bin. Über die Gründe hast Du aus meinen spärlichen Postkarten keine Klarheit gewinnen können. Ich wollte erst Gewißheit haben. Nun will ich Dir alles erzählen. Die kleine Reiberei von neulich mit dem Rektor ist es nicht, die mich forttreibt. Wir haben uns noch einmal in aller Ruhe über die Sache aus¬ gesprochen und sind jetzt gegeneinander die alten. Desto fleißigere Maulwurfsarbeit ist aber von anderer Seite getan worden, um den Boden unter meinen Füßen zu höhlen. Daß Du doch recht behalten hast, mein guter Cunzl Welch eine Affäre ist aus Annas täglichem Kommen zu mir entstanden! — In grimmiger Wut habe ich die Fäuste geballt und die Lippen blutig gebissen; und in welcher Verfassung möchte ich heute noch sein, wenn nicht alles zu so wunderbarem Ende ausgegangen wäre. In ganz Trebeldorf haben sie die Köpfe zusammengesteckt und über mich ihr Lästergericht gehalten. Den schwärzesten Pinsel haben sie genommen und sind damit über meine Ehre und Annas reinen Namen hergefallen. Den Anstoß dazu hat die Geschichte mit dem Fritze Adlers gegeben. Das haben sie mir gegönnt. Das sei ein sauberer Herr, der Korrektor, haben sie gesagt, ein hoch¬ mütiger, gottvergessener Mensch, der die Kirche verachte, den heiligen Kaffee verhöhne, statt dessen aber auf den Turnerball laufe und sich zum Hanswurst mache. — Aus den ersten Kreisen der Stadt habe er sich zurückziehen müssen, nachdem er in frechster Weise die Damen aufgezogen habe. Dann sei er in die Hintergasse geschlichen, um die Anna Ewert zu besuchen. Er habe ein Ver¬ hältnis mit der Dirne und schäme sich nicht, sie offen jeden Tag in seine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/539>, abgerufen am 23.12.2024.