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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Kritik und Publikum Rie von Larlowitz-Hartitzsch i vonn

s ist mein Verhängnis, daß ich schon in der Überschrift wieder
zwei Fremdworte benötigte. "Aburteil und Gafferschaft" war mir
aber nicht klar genug, und höflich ist es auch nicht. Also es
bleibt für heute bei Kritik und Publikum. Über ihr Verhältnis
will ich jetzt ein Beispiel bringen, das kurzweiliger sein wird als
ern paragraphiertes Regelbuch über den Umgang mit Menschen einerseits und
mit Kritikern andrerseits. Dieses Beispiel betrifft die Kritik eines Artikels von
mir, der dem Leser aus diesen Blättern bekannt ist (Grenzboten 1913 Ur. 2:
"Das seltenste Fremdwort"). Aha, sagst du, pro cZomol Ich will diese per¬
sönliche Veranlassung nicht in Abrede stellen, behaupte aber einstweilen, daß
Veranlassung und Grund immer noch zweierlei ist. Wenn ich dabei nämlich
auf meine eigene Arbeit zurückkomme, geschieht es nicht, weil ich sie für so
wichtig -- oder für so schwach halte, um eine Antikritik zu verlangen. Aber
einmal verdient der Ort. an dem die fragliche Kritik erschien: "die Zeitschrift
des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins" Beachtung. Ich nahm und nehme
diese Vereinigung, als das ideale Haupt der Sprachbewegung, für ernst, was
bekanntlich nicht selbstverständlich ist (Hans Delbrück charakterisiert sie z. B. im
Januarheft der Preußischen Jahrbücher als "den Deutschen Sprachverein, der
so eifrig und leider auch mit Erfolg bemüht ist, die Begriffsschärfe des deutschen
Wortschatzes abzustumpfen und zu verschleimen"). Nur weiß ich das Amt von
seinem Mann zu unterscheiden. Sodann liegt der Fall typisch. Es ist für uns
Kritiker und dich, Publikum, immer lehrreich, an einem konkreten Beispiel daran
erinnert zu werden, daß an einer Kritik der Löwenanteil kritischer Arbeit --
dein Publikum zufällt. Lehrreich, weil es dem Leser dieser Zeitschrift möglich
lst, den Verbrecher, Staatsanwalt und Verteidiger zu konfrontieren und sich
danach sein eigenes Urteil zu bilden. Wer vollends noch nicht in dem "gefähr¬
lichen Alter" steht, wo Humor zu Weisheit vertrocknet, der wird vielleicht dem
folgenden außer dem didaktischen Nährwert auch einen kleinen Genußwert ab¬
gewinnen.

Ich weiß, daß man anständigerweise seine Polemik in einem flüssigen Essay
vorzutragen hat, wenn man nicht zufällig als Philologe geboren wurde. Im




Kritik und Publikum Rie von Larlowitz-Hartitzsch i vonn

s ist mein Verhängnis, daß ich schon in der Überschrift wieder
zwei Fremdworte benötigte. „Aburteil und Gafferschaft" war mir
aber nicht klar genug, und höflich ist es auch nicht. Also es
bleibt für heute bei Kritik und Publikum. Über ihr Verhältnis
will ich jetzt ein Beispiel bringen, das kurzweiliger sein wird als
ern paragraphiertes Regelbuch über den Umgang mit Menschen einerseits und
mit Kritikern andrerseits. Dieses Beispiel betrifft die Kritik eines Artikels von
mir, der dem Leser aus diesen Blättern bekannt ist (Grenzboten 1913 Ur. 2:
»Das seltenste Fremdwort"). Aha, sagst du, pro cZomol Ich will diese per¬
sönliche Veranlassung nicht in Abrede stellen, behaupte aber einstweilen, daß
Veranlassung und Grund immer noch zweierlei ist. Wenn ich dabei nämlich
auf meine eigene Arbeit zurückkomme, geschieht es nicht, weil ich sie für so
wichtig — oder für so schwach halte, um eine Antikritik zu verlangen. Aber
einmal verdient der Ort. an dem die fragliche Kritik erschien: „die Zeitschrift
des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins" Beachtung. Ich nahm und nehme
diese Vereinigung, als das ideale Haupt der Sprachbewegung, für ernst, was
bekanntlich nicht selbstverständlich ist (Hans Delbrück charakterisiert sie z. B. im
Januarheft der Preußischen Jahrbücher als „den Deutschen Sprachverein, der
so eifrig und leider auch mit Erfolg bemüht ist, die Begriffsschärfe des deutschen
Wortschatzes abzustumpfen und zu verschleimen"). Nur weiß ich das Amt von
seinem Mann zu unterscheiden. Sodann liegt der Fall typisch. Es ist für uns
Kritiker und dich, Publikum, immer lehrreich, an einem konkreten Beispiel daran
erinnert zu werden, daß an einer Kritik der Löwenanteil kritischer Arbeit —
dein Publikum zufällt. Lehrreich, weil es dem Leser dieser Zeitschrift möglich
lst, den Verbrecher, Staatsanwalt und Verteidiger zu konfrontieren und sich
danach sein eigenes Urteil zu bilden. Wer vollends noch nicht in dem „gefähr¬
lichen Alter" steht, wo Humor zu Weisheit vertrocknet, der wird vielleicht dem
folgenden außer dem didaktischen Nährwert auch einen kleinen Genußwert ab¬
gewinnen.

Ich weiß, daß man anständigerweise seine Polemik in einem flüssigen Essay
vorzutragen hat, wenn man nicht zufällig als Philologe geboren wurde. Im


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[0521] [Abbildung] Kritik und Publikum Rie von Larlowitz-Hartitzsch i vonn s ist mein Verhängnis, daß ich schon in der Überschrift wieder zwei Fremdworte benötigte. „Aburteil und Gafferschaft" war mir aber nicht klar genug, und höflich ist es auch nicht. Also es bleibt für heute bei Kritik und Publikum. Über ihr Verhältnis will ich jetzt ein Beispiel bringen, das kurzweiliger sein wird als ern paragraphiertes Regelbuch über den Umgang mit Menschen einerseits und mit Kritikern andrerseits. Dieses Beispiel betrifft die Kritik eines Artikels von mir, der dem Leser aus diesen Blättern bekannt ist (Grenzboten 1913 Ur. 2: »Das seltenste Fremdwort"). Aha, sagst du, pro cZomol Ich will diese per¬ sönliche Veranlassung nicht in Abrede stellen, behaupte aber einstweilen, daß Veranlassung und Grund immer noch zweierlei ist. Wenn ich dabei nämlich auf meine eigene Arbeit zurückkomme, geschieht es nicht, weil ich sie für so wichtig — oder für so schwach halte, um eine Antikritik zu verlangen. Aber einmal verdient der Ort. an dem die fragliche Kritik erschien: „die Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins" Beachtung. Ich nahm und nehme diese Vereinigung, als das ideale Haupt der Sprachbewegung, für ernst, was bekanntlich nicht selbstverständlich ist (Hans Delbrück charakterisiert sie z. B. im Januarheft der Preußischen Jahrbücher als „den Deutschen Sprachverein, der so eifrig und leider auch mit Erfolg bemüht ist, die Begriffsschärfe des deutschen Wortschatzes abzustumpfen und zu verschleimen"). Nur weiß ich das Amt von seinem Mann zu unterscheiden. Sodann liegt der Fall typisch. Es ist für uns Kritiker und dich, Publikum, immer lehrreich, an einem konkreten Beispiel daran erinnert zu werden, daß an einer Kritik der Löwenanteil kritischer Arbeit — dein Publikum zufällt. Lehrreich, weil es dem Leser dieser Zeitschrift möglich lst, den Verbrecher, Staatsanwalt und Verteidiger zu konfrontieren und sich danach sein eigenes Urteil zu bilden. Wer vollends noch nicht in dem „gefähr¬ lichen Alter" steht, wo Humor zu Weisheit vertrocknet, der wird vielleicht dem folgenden außer dem didaktischen Nährwert auch einen kleinen Genußwert ab¬ gewinnen. Ich weiß, daß man anständigerweise seine Polemik in einem flüssigen Essay vorzutragen hat, wenn man nicht zufällig als Philologe geboren wurde. Im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/521>, abgerufen am 23.12.2024.