Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen anvertraut wurde, ist diese Behördenorganisation dem Leben erhalten geblieben. Als mit Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. April 1886 die Ansiedlungs¬ Allerdings muß hervorgehoben und anerkannt werden, daß die General¬ Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen anvertraut wurde, ist diese Behördenorganisation dem Leben erhalten geblieben. Als mit Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. April 1886 die Ansiedlungs¬ Allerdings muß hervorgehoben und anerkannt werden, daß die General¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325332"/> <fw type="header" place="top"> Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2103" prev="#ID_2102"> anvertraut wurde, ist diese Behördenorganisation dem Leben erhalten geblieben.<lb/> Zurzeit bestehen in Preußen acht Generalkommissionen und zwar in Königsberg<lb/> für Ostpreußen, in Breslau für Schlesien, Posen und Westpreußen, in Frank¬<lb/> furt a. O. für Brandenburg und Pommern, in Hannover für Hannover und<lb/> Schleswig-Holstein, in Merseburg für Sachsen und einige mitteldeutsche Staaten,<lb/> ferner in Münster für Westfalen, in Cassel für Hessen-Nassau und endlich in<lb/> Düsseldorf für die Rheinprovinz und Hohenzollern. Die Außeninstanzen der Ge¬<lb/> neralkommissionen bilden die Spezialkommissionen, deren es etwa hundertundvierzig<lb/> gibt. Im wesentlichen Gegensatze zur Ansiedlungskommission ist die General¬<lb/> kommission im Rentengutsverfahren nur vermittelnde Behörde. Sie tritt weder<lb/> als Käufer noch als Verkäufer auf. Darin drückt sich ihre eigentümliche<lb/> Stellung aus. Die Generalkommission ist nicht Träger der inneren Koloni¬<lb/> sation. Nicht sie, sondern der Verkäufer hat nach der preußischen Rentenguts¬<lb/> gesetzgebung die Rolle des Kolonisators. Der Verkäufer ist der Rentenguts¬<lb/> ausgeber. Er trägt das Risiko der Rentengutsbildung. Ihm allein liegt die<lb/> technische Durchführung der Koloniebildung ob. Dagegen verbleibt der General¬<lb/> kommission als Hauptaufgabe im Rentengutsverfahren die Regelung der öffent¬<lb/> lich rechtlichen Verhältnisse. In diesen Tatsachen prägt sich nicht nur der<lb/> Gegensatz zur Ansiedlungskommission deutlich aus, sondern auch die Ver¬<lb/> schiedenheit der inneren Kolonisation in Posen und Westpreußen und den übrigen<lb/> Provinzen Preußens.</p><lb/> <p xml:id="ID_2104"> Als mit Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. April 1886 die Ansiedlungs¬<lb/> kommission geschaffen wurde, war für die beiden Ansiedlungsprovinzen sofort<lb/> auch der Kolonisator vorhanden. Als dagegen die wirtschaftliche innere Koloni¬<lb/> sation durch die Rentengutsgesetzgebung der Jahre 1890 und 1891 ins Leben<lb/> gesetzt wurde, fehlte der Kolonisator. Es fehlte die die Besiedlung örtlich aus¬<lb/> führende technische Instanz, die von außerordentlicher Bedeutung ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2105" next="#ID_2106"> Allerdings muß hervorgehoben und anerkannt werden, daß die General¬<lb/> kommissionen bemüht waren, diese Lücke nach Möglichkeit auszufüllen, indem<lb/> sie ihre Mitwirkung bei der Durchführung der Besiedlung weiter ausdehnten,<lb/> als das Gesetz vorgesehen hatte. Wenn sich auch eine Reihe tüchtiger Spezial-<lb/> kommissare dieser erweiterten Aufgabe durchaus gewachsen zeigte, so waren doch<lb/> im ganzen genommen die Generalkommissionen nicht in der Lage, die vor¬<lb/> handene Lücke in der Organisation der technischen Durchführung der Besiedlung<lb/> genügend und zweckmäßig auszufüllen. Der Versuch, private Geschästsunter-<lb/> nehmer als Kolonisatoren heranzuziehen, hatte auf die Dauer keine befriedigenden<lb/> Erfolge erzielt. Immerhin sind auf diese Weise mehrere tausend Stellen be¬<lb/> gründet worden. Es lag aber doch wohl zu sehr in der Natur dieser Geschäfts¬<lb/> unternehmer, ihr Hauptaugenmerk auf die eigentliche Verkaufstätigkeit zu richten.<lb/> Die Fürsorge für das weitere Fortkommen dieser Ansiedler ließ viel zu wünschen<lb/> übrig. Es fehlten hier die höheren allgemeinen Gesichtspunkte in sozialer und<lb/> gemeinnütziger Richtung. Die Generalkommissionen werden schließlich gezwungen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0462]
Die Träger der inneren Kolonisation in Preußen
anvertraut wurde, ist diese Behördenorganisation dem Leben erhalten geblieben.
Zurzeit bestehen in Preußen acht Generalkommissionen und zwar in Königsberg
für Ostpreußen, in Breslau für Schlesien, Posen und Westpreußen, in Frank¬
furt a. O. für Brandenburg und Pommern, in Hannover für Hannover und
Schleswig-Holstein, in Merseburg für Sachsen und einige mitteldeutsche Staaten,
ferner in Münster für Westfalen, in Cassel für Hessen-Nassau und endlich in
Düsseldorf für die Rheinprovinz und Hohenzollern. Die Außeninstanzen der Ge¬
neralkommissionen bilden die Spezialkommissionen, deren es etwa hundertundvierzig
gibt. Im wesentlichen Gegensatze zur Ansiedlungskommission ist die General¬
kommission im Rentengutsverfahren nur vermittelnde Behörde. Sie tritt weder
als Käufer noch als Verkäufer auf. Darin drückt sich ihre eigentümliche
Stellung aus. Die Generalkommission ist nicht Träger der inneren Koloni¬
sation. Nicht sie, sondern der Verkäufer hat nach der preußischen Rentenguts¬
gesetzgebung die Rolle des Kolonisators. Der Verkäufer ist der Rentenguts¬
ausgeber. Er trägt das Risiko der Rentengutsbildung. Ihm allein liegt die
technische Durchführung der Koloniebildung ob. Dagegen verbleibt der General¬
kommission als Hauptaufgabe im Rentengutsverfahren die Regelung der öffent¬
lich rechtlichen Verhältnisse. In diesen Tatsachen prägt sich nicht nur der
Gegensatz zur Ansiedlungskommission deutlich aus, sondern auch die Ver¬
schiedenheit der inneren Kolonisation in Posen und Westpreußen und den übrigen
Provinzen Preußens.
Als mit Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. April 1886 die Ansiedlungs¬
kommission geschaffen wurde, war für die beiden Ansiedlungsprovinzen sofort
auch der Kolonisator vorhanden. Als dagegen die wirtschaftliche innere Koloni¬
sation durch die Rentengutsgesetzgebung der Jahre 1890 und 1891 ins Leben
gesetzt wurde, fehlte der Kolonisator. Es fehlte die die Besiedlung örtlich aus¬
führende technische Instanz, die von außerordentlicher Bedeutung ist.
Allerdings muß hervorgehoben und anerkannt werden, daß die General¬
kommissionen bemüht waren, diese Lücke nach Möglichkeit auszufüllen, indem
sie ihre Mitwirkung bei der Durchführung der Besiedlung weiter ausdehnten,
als das Gesetz vorgesehen hatte. Wenn sich auch eine Reihe tüchtiger Spezial-
kommissare dieser erweiterten Aufgabe durchaus gewachsen zeigte, so waren doch
im ganzen genommen die Generalkommissionen nicht in der Lage, die vor¬
handene Lücke in der Organisation der technischen Durchführung der Besiedlung
genügend und zweckmäßig auszufüllen. Der Versuch, private Geschästsunter-
nehmer als Kolonisatoren heranzuziehen, hatte auf die Dauer keine befriedigenden
Erfolge erzielt. Immerhin sind auf diese Weise mehrere tausend Stellen be¬
gründet worden. Es lag aber doch wohl zu sehr in der Natur dieser Geschäfts¬
unternehmer, ihr Hauptaugenmerk auf die eigentliche Verkaufstätigkeit zu richten.
Die Fürsorge für das weitere Fortkommen dieser Ansiedler ließ viel zu wünschen
übrig. Es fehlten hier die höheren allgemeinen Gesichtspunkte in sozialer und
gemeinnütziger Richtung. Die Generalkommissionen werden schließlich gezwungen,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |