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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutschen in Rumänien

Wicklung Rumäniens in den letzten Jahrzehnten maßgebenden Einfluß übte. Auch
Unter den rumänischen höheren Beamten gab es Männer deutscher Herkunft, wie den
Finanzminister A. Steege. Deutsch waren und sind eine Reihe hervorragender
Ärzte; ähnliches gilt von den Apothekern. Der 1833 in Bukarest errichteten
Naturforschender Gesellschaft gehörten vor allem Deutsche an. In ihrem Auf¬
trage hat der Botaniker Edel die Moldau bereist und ein Herbarium von
vierzehnhundert Pflanzen zustande gebracht. Eine Mineraliensammlung aus der
Moldau wurde durch den Bergbeamten Lisel hergestellt. Die astronomische
Gradmessung hat erst vor kurzem Geheimrat Albrecht aus Potsdam durchgeführt.
Die rumänische Geschichte ist vielfach von Deutschen gefördert worden. Zu den
rumänischen Dichtern zählen mehrere Deutsche, allen voran die Königin selbst,
die unter demi Dichternamen Carmen silva allgemein bekannt ist. Ebenso
wurde die Musik, Malerei, Bildhauerei und Baukunst in Rumänien durch Deutsche
gefördert. Unzählige Namen müßten hier angeführt werden. Auch die Anfänge
des Theaters waren deutsch. Um 1790 kam infolge einer Einladung eine
kleine Schauspielgesellschaft aus Kronstäbe (Siebenbürgen) ins Hauptquartier des
Prinzen von Koburg, das er während des türkischen Krieges in Bukarest auf¬
geschlagen hatte. Im neunzehnten Jahrhundert wurden in Bukarest und Jassy
oft deutsche Opern und Schauspiele aufgeführt. In Bukarest bildet sich von
Zeit zu Zeit ein Liebhabertheater. Auch jetzt kommen nach Bukarest deutsche
Operetten- und Schauspieltruppen, meist aus Wien. Zahlreiche deutsche dra¬
matische Dichtungen werden ins Rumänische übersetzt.

Deutsche Bildung macht ihren Einfluß aber auch sonst geltend. Vor 1848
durften die rumänischen Zeitungen nach den Zensurvorschriften ihre Nachrichten
nur russischen und österreichischen Blättern entnehmen; unter letzteren kamen vor
allem deutsche in Betracht. Auf die Einfuhr deutscher Zeitungen und Bücher
ist schon oben hingewiesen worden. Deutsche Bücher wurden schon um 1830
übersetzt, und zwar sowohl Dichtungen als auch Schulbücher und gemeinnützige
Schriften. Die Übersetzungen besorgten teils Deutsche, teils Rumänen. Auch
walachisch-deutsche Briefsteller und Gesprächsbücher wurden schon damals heraus¬
gegeben. Das Festspiel zur Thronbesteigung des walachischen Fürsten Bobescu
erschien in deutscher und rumänischer Sprache; gedichtet hat es C. Schweder,
in Musik setzte es I. Wachmann, verlegt wurde es bei Walbaum (1843).
Für das Gymnasium in Bukarest wurden schon vor 1848 Lehrer an der
Berliner Universität ausgebildet; das Gymnasium in Craiova stand damals
unter einem in Deutschland gebildeten Lehrer. Junge Männer, die höhere
Bildung erlangen wollten, zogen überhaupt an deutsche Schulen des Auslands.
Seit dem achtzehnten Jahrhundert können wir eine Reihe hervorragender Männer
nachweisen, die auf österreichischen und reichsdeutschen Universitäten ihre Bildung
erworben haben. Der früher herrschende französische Einfluß wird immer mehr
durch den deutschen ersetzt: an vielen Schulen wird deutsch gelehrt, die Erziehung
der Kinder durch deutsche Lehrer und Lehrerinnen ist in wohlhabenden Familien


Die Deutschen in Rumänien

Wicklung Rumäniens in den letzten Jahrzehnten maßgebenden Einfluß übte. Auch
Unter den rumänischen höheren Beamten gab es Männer deutscher Herkunft, wie den
Finanzminister A. Steege. Deutsch waren und sind eine Reihe hervorragender
Ärzte; ähnliches gilt von den Apothekern. Der 1833 in Bukarest errichteten
Naturforschender Gesellschaft gehörten vor allem Deutsche an. In ihrem Auf¬
trage hat der Botaniker Edel die Moldau bereist und ein Herbarium von
vierzehnhundert Pflanzen zustande gebracht. Eine Mineraliensammlung aus der
Moldau wurde durch den Bergbeamten Lisel hergestellt. Die astronomische
Gradmessung hat erst vor kurzem Geheimrat Albrecht aus Potsdam durchgeführt.
Die rumänische Geschichte ist vielfach von Deutschen gefördert worden. Zu den
rumänischen Dichtern zählen mehrere Deutsche, allen voran die Königin selbst,
die unter demi Dichternamen Carmen silva allgemein bekannt ist. Ebenso
wurde die Musik, Malerei, Bildhauerei und Baukunst in Rumänien durch Deutsche
gefördert. Unzählige Namen müßten hier angeführt werden. Auch die Anfänge
des Theaters waren deutsch. Um 1790 kam infolge einer Einladung eine
kleine Schauspielgesellschaft aus Kronstäbe (Siebenbürgen) ins Hauptquartier des
Prinzen von Koburg, das er während des türkischen Krieges in Bukarest auf¬
geschlagen hatte. Im neunzehnten Jahrhundert wurden in Bukarest und Jassy
oft deutsche Opern und Schauspiele aufgeführt. In Bukarest bildet sich von
Zeit zu Zeit ein Liebhabertheater. Auch jetzt kommen nach Bukarest deutsche
Operetten- und Schauspieltruppen, meist aus Wien. Zahlreiche deutsche dra¬
matische Dichtungen werden ins Rumänische übersetzt.

Deutsche Bildung macht ihren Einfluß aber auch sonst geltend. Vor 1848
durften die rumänischen Zeitungen nach den Zensurvorschriften ihre Nachrichten
nur russischen und österreichischen Blättern entnehmen; unter letzteren kamen vor
allem deutsche in Betracht. Auf die Einfuhr deutscher Zeitungen und Bücher
ist schon oben hingewiesen worden. Deutsche Bücher wurden schon um 1830
übersetzt, und zwar sowohl Dichtungen als auch Schulbücher und gemeinnützige
Schriften. Die Übersetzungen besorgten teils Deutsche, teils Rumänen. Auch
walachisch-deutsche Briefsteller und Gesprächsbücher wurden schon damals heraus¬
gegeben. Das Festspiel zur Thronbesteigung des walachischen Fürsten Bobescu
erschien in deutscher und rumänischer Sprache; gedichtet hat es C. Schweder,
in Musik setzte es I. Wachmann, verlegt wurde es bei Walbaum (1843).
Für das Gymnasium in Bukarest wurden schon vor 1848 Lehrer an der
Berliner Universität ausgebildet; das Gymnasium in Craiova stand damals
unter einem in Deutschland gebildeten Lehrer. Junge Männer, die höhere
Bildung erlangen wollten, zogen überhaupt an deutsche Schulen des Auslands.
Seit dem achtzehnten Jahrhundert können wir eine Reihe hervorragender Männer
nachweisen, die auf österreichischen und reichsdeutschen Universitäten ihre Bildung
erworben haben. Der früher herrschende französische Einfluß wird immer mehr
durch den deutschen ersetzt: an vielen Schulen wird deutsch gelehrt, die Erziehung
der Kinder durch deutsche Lehrer und Lehrerinnen ist in wohlhabenden Familien


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[0425] Die Deutschen in Rumänien Wicklung Rumäniens in den letzten Jahrzehnten maßgebenden Einfluß übte. Auch Unter den rumänischen höheren Beamten gab es Männer deutscher Herkunft, wie den Finanzminister A. Steege. Deutsch waren und sind eine Reihe hervorragender Ärzte; ähnliches gilt von den Apothekern. Der 1833 in Bukarest errichteten Naturforschender Gesellschaft gehörten vor allem Deutsche an. In ihrem Auf¬ trage hat der Botaniker Edel die Moldau bereist und ein Herbarium von vierzehnhundert Pflanzen zustande gebracht. Eine Mineraliensammlung aus der Moldau wurde durch den Bergbeamten Lisel hergestellt. Die astronomische Gradmessung hat erst vor kurzem Geheimrat Albrecht aus Potsdam durchgeführt. Die rumänische Geschichte ist vielfach von Deutschen gefördert worden. Zu den rumänischen Dichtern zählen mehrere Deutsche, allen voran die Königin selbst, die unter demi Dichternamen Carmen silva allgemein bekannt ist. Ebenso wurde die Musik, Malerei, Bildhauerei und Baukunst in Rumänien durch Deutsche gefördert. Unzählige Namen müßten hier angeführt werden. Auch die Anfänge des Theaters waren deutsch. Um 1790 kam infolge einer Einladung eine kleine Schauspielgesellschaft aus Kronstäbe (Siebenbürgen) ins Hauptquartier des Prinzen von Koburg, das er während des türkischen Krieges in Bukarest auf¬ geschlagen hatte. Im neunzehnten Jahrhundert wurden in Bukarest und Jassy oft deutsche Opern und Schauspiele aufgeführt. In Bukarest bildet sich von Zeit zu Zeit ein Liebhabertheater. Auch jetzt kommen nach Bukarest deutsche Operetten- und Schauspieltruppen, meist aus Wien. Zahlreiche deutsche dra¬ matische Dichtungen werden ins Rumänische übersetzt. Deutsche Bildung macht ihren Einfluß aber auch sonst geltend. Vor 1848 durften die rumänischen Zeitungen nach den Zensurvorschriften ihre Nachrichten nur russischen und österreichischen Blättern entnehmen; unter letzteren kamen vor allem deutsche in Betracht. Auf die Einfuhr deutscher Zeitungen und Bücher ist schon oben hingewiesen worden. Deutsche Bücher wurden schon um 1830 übersetzt, und zwar sowohl Dichtungen als auch Schulbücher und gemeinnützige Schriften. Die Übersetzungen besorgten teils Deutsche, teils Rumänen. Auch walachisch-deutsche Briefsteller und Gesprächsbücher wurden schon damals heraus¬ gegeben. Das Festspiel zur Thronbesteigung des walachischen Fürsten Bobescu erschien in deutscher und rumänischer Sprache; gedichtet hat es C. Schweder, in Musik setzte es I. Wachmann, verlegt wurde es bei Walbaum (1843). Für das Gymnasium in Bukarest wurden schon vor 1848 Lehrer an der Berliner Universität ausgebildet; das Gymnasium in Craiova stand damals unter einem in Deutschland gebildeten Lehrer. Junge Männer, die höhere Bildung erlangen wollten, zogen überhaupt an deutsche Schulen des Auslands. Seit dem achtzehnten Jahrhundert können wir eine Reihe hervorragender Männer nachweisen, die auf österreichischen und reichsdeutschen Universitäten ihre Bildung erworben haben. Der früher herrschende französische Einfluß wird immer mehr durch den deutschen ersetzt: an vielen Schulen wird deutsch gelehrt, die Erziehung der Kinder durch deutsche Lehrer und Lehrerinnen ist in wohlhabenden Familien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/425>, abgerufen am 22.07.2024.