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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutschen in Rumänien

Die ordentlichen Handwerker und bedeutenderen Gewerbetreibenden waren
fast ausschließlich deutsch. Schon am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts
zählten die deutschen Handwerker zu den "vorzüglichsten Klassen" der Bewohner
von Bukarest; ebenso war es in Jassy und wohl auch in den anderen größeren
Orten. Anfangs kamen die deutschen Handwerker wie in früherer Zeit vor
allem aus Siebenbürgen, dann aber auch aus entfernteren deutschen Ländern.
In Bukarest werden schon 1784 deutsche Handwerker erwähnt. Zu den in den
Städten seither vertretenen deutschen Gewerbetreibenden zählten: Uhrmacher,
Goldarbeiter, Baumeister und Bauleute, Tischler, Schlosser, Schmiede, Kupfer¬
schmiede, Stellmacher (Wagner), Hutmacher usw. Leider verfielen viele von
diesen Handwerkern infolge des leichten Verdienstes und des billigen Weines
in Trägheit und Trunksucht. Das Bierbrauen wurde wie in früheren Jahr¬
hunderten auch jetzt von Deutschen gefördert. Es sei auch erwähnt, daß in
Bukarest schon in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts Deutsche
fabrikmäßig Hüte und Musikinstrumente erzeugten. Die Tuchfabrik eines Bojaren
in Trunov bei Bukarest wurde von deutschen Arbeitern betrieben. Auch gab
es schon damals in Bukarest die Badeanstalt eines Warmberg. Zu den Buch¬
händlern in Bukarest und Jassy zählten mehrere Deutsche; sie führten schon
um 1830 zahlreiche deutsche Werke ein. Auch deutsche Schulbücher, ferner
Zeitungen (besonders Wiener und Frankfurter) wurden bezogen. Ebenso zählten
Deutsche zu den bedeutenden Buchdruckern und Verlegern. Auch die wichtigsten
neueren Fabriken, die Sägeindustrie und vor allem die Petroleumgewinnung
befinden sich zum großen Teile in deutschen Händen. Um die Hebung der
letzteren haben sich nach mehrfachen finanziellen Niederlagen anderer Nationen
besonders die Deutschen verdient gemacht. Ihnen ist zu verdanken, daß Ru¬
mäniens Erdölgebiet heute mit demselben Nachdruck ausgebeutet wird, wie die
russischen und amerikanischen Erdölgebiete. Die Deutschen haben in der rumänischen
Petroleumindustrie über 100 Millionen Lei (Francs) angelegt; die deutsche Gesell¬
schaft Steaua Romana, zu der die Deutsche Bank in Berlin und der Wiener
Bankverein gehören, besitzt allein ein Betriebskapital von 50 Millionen Lei.
Mehr als die Hälfte der Erdölindustrie Rumäniens ist in deutschen Händen.
Das deutsche Großkapital beherrscht den rumänischen Geldmarkt; etwa eine
Milliarde rumänischer Werte befindet sich in deutschem Besitz. Die erste rumänische
Eisenbahn (vor 1870) wurde von Strousberg erbaut, das Post- und Tele¬
graphenwesen von Deutschen eingerichtet. Die Rumänen nehmen an industriellen
Unternehmungen erst in den letzten Jahrzehnten regeren Anteil, seitdem sie durch
besondere Gesetze außerordentlich begünstigt werden. Erwähnt sei noch, daß die
Zahl der deutschen Kaufleute in Rumänien seit dem achtzehnten Jahrhundert
keine große ist; sie haben in dieser Periode niemals jene Bedeutung erlangt,
die sie in früheren Jahrhunderten besessen hatten.

Überaus groß war auch der Einfluß der Deutschen auf die geistige Kultur.
Vor allem muß der deutsche Fürst genannt werden, der für die kulturelle Ent-


Die Deutschen in Rumänien

Die ordentlichen Handwerker und bedeutenderen Gewerbetreibenden waren
fast ausschließlich deutsch. Schon am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts
zählten die deutschen Handwerker zu den „vorzüglichsten Klassen" der Bewohner
von Bukarest; ebenso war es in Jassy und wohl auch in den anderen größeren
Orten. Anfangs kamen die deutschen Handwerker wie in früherer Zeit vor
allem aus Siebenbürgen, dann aber auch aus entfernteren deutschen Ländern.
In Bukarest werden schon 1784 deutsche Handwerker erwähnt. Zu den in den
Städten seither vertretenen deutschen Gewerbetreibenden zählten: Uhrmacher,
Goldarbeiter, Baumeister und Bauleute, Tischler, Schlosser, Schmiede, Kupfer¬
schmiede, Stellmacher (Wagner), Hutmacher usw. Leider verfielen viele von
diesen Handwerkern infolge des leichten Verdienstes und des billigen Weines
in Trägheit und Trunksucht. Das Bierbrauen wurde wie in früheren Jahr¬
hunderten auch jetzt von Deutschen gefördert. Es sei auch erwähnt, daß in
Bukarest schon in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts Deutsche
fabrikmäßig Hüte und Musikinstrumente erzeugten. Die Tuchfabrik eines Bojaren
in Trunov bei Bukarest wurde von deutschen Arbeitern betrieben. Auch gab
es schon damals in Bukarest die Badeanstalt eines Warmberg. Zu den Buch¬
händlern in Bukarest und Jassy zählten mehrere Deutsche; sie führten schon
um 1830 zahlreiche deutsche Werke ein. Auch deutsche Schulbücher, ferner
Zeitungen (besonders Wiener und Frankfurter) wurden bezogen. Ebenso zählten
Deutsche zu den bedeutenden Buchdruckern und Verlegern. Auch die wichtigsten
neueren Fabriken, die Sägeindustrie und vor allem die Petroleumgewinnung
befinden sich zum großen Teile in deutschen Händen. Um die Hebung der
letzteren haben sich nach mehrfachen finanziellen Niederlagen anderer Nationen
besonders die Deutschen verdient gemacht. Ihnen ist zu verdanken, daß Ru¬
mäniens Erdölgebiet heute mit demselben Nachdruck ausgebeutet wird, wie die
russischen und amerikanischen Erdölgebiete. Die Deutschen haben in der rumänischen
Petroleumindustrie über 100 Millionen Lei (Francs) angelegt; die deutsche Gesell¬
schaft Steaua Romana, zu der die Deutsche Bank in Berlin und der Wiener
Bankverein gehören, besitzt allein ein Betriebskapital von 50 Millionen Lei.
Mehr als die Hälfte der Erdölindustrie Rumäniens ist in deutschen Händen.
Das deutsche Großkapital beherrscht den rumänischen Geldmarkt; etwa eine
Milliarde rumänischer Werte befindet sich in deutschem Besitz. Die erste rumänische
Eisenbahn (vor 1870) wurde von Strousberg erbaut, das Post- und Tele¬
graphenwesen von Deutschen eingerichtet. Die Rumänen nehmen an industriellen
Unternehmungen erst in den letzten Jahrzehnten regeren Anteil, seitdem sie durch
besondere Gesetze außerordentlich begünstigt werden. Erwähnt sei noch, daß die
Zahl der deutschen Kaufleute in Rumänien seit dem achtzehnten Jahrhundert
keine große ist; sie haben in dieser Periode niemals jene Bedeutung erlangt,
die sie in früheren Jahrhunderten besessen hatten.

Überaus groß war auch der Einfluß der Deutschen auf die geistige Kultur.
Vor allem muß der deutsche Fürst genannt werden, der für die kulturelle Ent-


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[0424] Die Deutschen in Rumänien Die ordentlichen Handwerker und bedeutenderen Gewerbetreibenden waren fast ausschließlich deutsch. Schon am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zählten die deutschen Handwerker zu den „vorzüglichsten Klassen" der Bewohner von Bukarest; ebenso war es in Jassy und wohl auch in den anderen größeren Orten. Anfangs kamen die deutschen Handwerker wie in früherer Zeit vor allem aus Siebenbürgen, dann aber auch aus entfernteren deutschen Ländern. In Bukarest werden schon 1784 deutsche Handwerker erwähnt. Zu den in den Städten seither vertretenen deutschen Gewerbetreibenden zählten: Uhrmacher, Goldarbeiter, Baumeister und Bauleute, Tischler, Schlosser, Schmiede, Kupfer¬ schmiede, Stellmacher (Wagner), Hutmacher usw. Leider verfielen viele von diesen Handwerkern infolge des leichten Verdienstes und des billigen Weines in Trägheit und Trunksucht. Das Bierbrauen wurde wie in früheren Jahr¬ hunderten auch jetzt von Deutschen gefördert. Es sei auch erwähnt, daß in Bukarest schon in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts Deutsche fabrikmäßig Hüte und Musikinstrumente erzeugten. Die Tuchfabrik eines Bojaren in Trunov bei Bukarest wurde von deutschen Arbeitern betrieben. Auch gab es schon damals in Bukarest die Badeanstalt eines Warmberg. Zu den Buch¬ händlern in Bukarest und Jassy zählten mehrere Deutsche; sie führten schon um 1830 zahlreiche deutsche Werke ein. Auch deutsche Schulbücher, ferner Zeitungen (besonders Wiener und Frankfurter) wurden bezogen. Ebenso zählten Deutsche zu den bedeutenden Buchdruckern und Verlegern. Auch die wichtigsten neueren Fabriken, die Sägeindustrie und vor allem die Petroleumgewinnung befinden sich zum großen Teile in deutschen Händen. Um die Hebung der letzteren haben sich nach mehrfachen finanziellen Niederlagen anderer Nationen besonders die Deutschen verdient gemacht. Ihnen ist zu verdanken, daß Ru¬ mäniens Erdölgebiet heute mit demselben Nachdruck ausgebeutet wird, wie die russischen und amerikanischen Erdölgebiete. Die Deutschen haben in der rumänischen Petroleumindustrie über 100 Millionen Lei (Francs) angelegt; die deutsche Gesell¬ schaft Steaua Romana, zu der die Deutsche Bank in Berlin und der Wiener Bankverein gehören, besitzt allein ein Betriebskapital von 50 Millionen Lei. Mehr als die Hälfte der Erdölindustrie Rumäniens ist in deutschen Händen. Das deutsche Großkapital beherrscht den rumänischen Geldmarkt; etwa eine Milliarde rumänischer Werte befindet sich in deutschem Besitz. Die erste rumänische Eisenbahn (vor 1870) wurde von Strousberg erbaut, das Post- und Tele¬ graphenwesen von Deutschen eingerichtet. Die Rumänen nehmen an industriellen Unternehmungen erst in den letzten Jahrzehnten regeren Anteil, seitdem sie durch besondere Gesetze außerordentlich begünstigt werden. Erwähnt sei noch, daß die Zahl der deutschen Kaufleute in Rumänien seit dem achtzehnten Jahrhundert keine große ist; sie haben in dieser Periode niemals jene Bedeutung erlangt, die sie in früheren Jahrhunderten besessen hatten. Überaus groß war auch der Einfluß der Deutschen auf die geistige Kultur. Vor allem muß der deutsche Fürst genannt werden, der für die kulturelle Ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/424>, abgerufen am 22.07.2024.