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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutschen in Rumänien

hervorgerufen. Auch die Handelsbeziehungen, die sich besonders seit 188h
zwischen Rumänen und Deutschland entwickelten, veranlaßten, weitere Ein¬
wanderungen deutscher Elemente. Ebenso wurden zahlreiche Deutsche durch die
in den letzten Jahrzehnten erschlossenen reichen Petroleumquellen, ferner auch
durch die Holzindustrie ins Land gezogen. Mit den deutschen Geldmännern,
Kaufleuten, Beamten, Ingenieuren und Handwerkern kamen aber auch deutsche
Priester, Lehrer, Erzieherinnen, Diener u. tgi. So entstanden in vielen Orten
Rumäniens bürgerliche Niederlassungen Deutscher.

Weniger günstig lagen die Verhältnisse sür bäuerliche Ansiedlungen. Einige
Versuche hierzu sollen zwar schon am Ende des achtzehnten Jahrhunderts gemacht
worden sein. Nach einem Berichte der Bukowiner Landesverwaltung vom
15. Oktober 1782 wird bemerkt, daß man in der Bukowina angelangte arme
deutsche Ansiedlungswerber unterstützen müsse, "weil sie sonst gezwungen wären,
in die Moldau auszuwandern, wo sie als Arbeiter gerne und unter Begünsti¬
gungen aufgenommen werden und woselbst schon die Errichtung einiger deutschen
Gemeinden begonnen haben soll." Nachrichten über diese Ansiedlungen fehlen.
Es scheint, daß sie sich nicht entwickelt haben, weil ihnen wahrscheinlich
kein Grundbesitz ins Erbeigentum überlassen wurde. Auch noch Jahrzehnte
später bot sich in Rumänien für deutsche Bauern keine günstige Anfiedlungs-
gelegenheit dar. Als Banaler Schwaben vor einem halben Jahrhundert
dahin auswandern wollten, stellten die Bojaren ganz unannehmbare Be¬
dingungen. Ebensowenig gelang es deutschen Auswanderern aus Rußland,
die sich seit 1842 nach Rumänien wandten, hier festen Fuß zu fassen. Nur
in Jacobsontal bei Braila siedelte sich eine kleine Zahl an. Die anderen
wählten unter der Führung des "Vaters" Kühn, der noch in Deutschland
(bei Gnesen) geboren war, die Dobrudscha zur neuen Heimat. Dieses
südlich der Donau am Schwarzen Meere gelegene Gebiet war damals noch
türkischer Besitz. Die deutschen Einwanderer ließen sich zunächst in Acpunar,
einem von Türken bewohnten Dörfchen, nieder. Anfangs waren etwa zwanzig
Familien dahingekommen, aber allmählich stießen noch mehrere der umherziehenden
deutschen Familien zu ihnen. Später kamen andere nach, und so entstanden
in der Dobrudscha zunächst unter türkischer Oberhoheit einige deutsche Kolonien.
Auch als nach dem türkisch-russischen Kriege die Dobrudscha an Rumänien kam
(1878), wanderten sowohl deutsche Bauern aus Rußland als aus Galizien ein.
Bei der Erwerbung von Ländereten hatten auch hier die Einwanderer mit
großen Schwierigkeiten zu kämpfen; immerhin fanden sie in der Dobrudscha größere
Berücksichtigung als in den altrumänischen Ländern, weil in dem völlig öden,
unkultivierten Gebiete Ansiedler dringend nötig waren.

Gegenwärtig wohnen Deutsche vor allem in folgenden Orten der
Walachei: Bukarest, Craiova, Turnu-Severin. Pitesti, Tirgoviste, Ploesti.
Bustea. Campina. Sinaia, Busteni, Campolung. Rinne - Valcea. Targu -Jiu,
Giurgiu, Galatz. Braila, Jacobsontal und Buzau. In der Dobrudscha


Grenzboien I 1918 27
Die Deutschen in Rumänien

hervorgerufen. Auch die Handelsbeziehungen, die sich besonders seit 188h
zwischen Rumänen und Deutschland entwickelten, veranlaßten, weitere Ein¬
wanderungen deutscher Elemente. Ebenso wurden zahlreiche Deutsche durch die
in den letzten Jahrzehnten erschlossenen reichen Petroleumquellen, ferner auch
durch die Holzindustrie ins Land gezogen. Mit den deutschen Geldmännern,
Kaufleuten, Beamten, Ingenieuren und Handwerkern kamen aber auch deutsche
Priester, Lehrer, Erzieherinnen, Diener u. tgi. So entstanden in vielen Orten
Rumäniens bürgerliche Niederlassungen Deutscher.

Weniger günstig lagen die Verhältnisse sür bäuerliche Ansiedlungen. Einige
Versuche hierzu sollen zwar schon am Ende des achtzehnten Jahrhunderts gemacht
worden sein. Nach einem Berichte der Bukowiner Landesverwaltung vom
15. Oktober 1782 wird bemerkt, daß man in der Bukowina angelangte arme
deutsche Ansiedlungswerber unterstützen müsse, „weil sie sonst gezwungen wären,
in die Moldau auszuwandern, wo sie als Arbeiter gerne und unter Begünsti¬
gungen aufgenommen werden und woselbst schon die Errichtung einiger deutschen
Gemeinden begonnen haben soll." Nachrichten über diese Ansiedlungen fehlen.
Es scheint, daß sie sich nicht entwickelt haben, weil ihnen wahrscheinlich
kein Grundbesitz ins Erbeigentum überlassen wurde. Auch noch Jahrzehnte
später bot sich in Rumänien für deutsche Bauern keine günstige Anfiedlungs-
gelegenheit dar. Als Banaler Schwaben vor einem halben Jahrhundert
dahin auswandern wollten, stellten die Bojaren ganz unannehmbare Be¬
dingungen. Ebensowenig gelang es deutschen Auswanderern aus Rußland,
die sich seit 1842 nach Rumänien wandten, hier festen Fuß zu fassen. Nur
in Jacobsontal bei Braila siedelte sich eine kleine Zahl an. Die anderen
wählten unter der Führung des „Vaters" Kühn, der noch in Deutschland
(bei Gnesen) geboren war, die Dobrudscha zur neuen Heimat. Dieses
südlich der Donau am Schwarzen Meere gelegene Gebiet war damals noch
türkischer Besitz. Die deutschen Einwanderer ließen sich zunächst in Acpunar,
einem von Türken bewohnten Dörfchen, nieder. Anfangs waren etwa zwanzig
Familien dahingekommen, aber allmählich stießen noch mehrere der umherziehenden
deutschen Familien zu ihnen. Später kamen andere nach, und so entstanden
in der Dobrudscha zunächst unter türkischer Oberhoheit einige deutsche Kolonien.
Auch als nach dem türkisch-russischen Kriege die Dobrudscha an Rumänien kam
(1878), wanderten sowohl deutsche Bauern aus Rußland als aus Galizien ein.
Bei der Erwerbung von Ländereten hatten auch hier die Einwanderer mit
großen Schwierigkeiten zu kämpfen; immerhin fanden sie in der Dobrudscha größere
Berücksichtigung als in den altrumänischen Ländern, weil in dem völlig öden,
unkultivierten Gebiete Ansiedler dringend nötig waren.

Gegenwärtig wohnen Deutsche vor allem in folgenden Orten der
Walachei: Bukarest, Craiova, Turnu-Severin. Pitesti, Tirgoviste, Ploesti.
Bustea. Campina. Sinaia, Busteni, Campolung. Rinne - Valcea. Targu -Jiu,
Giurgiu, Galatz. Braila, Jacobsontal und Buzau. In der Dobrudscha


Grenzboien I 1918 27
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[0421] Die Deutschen in Rumänien hervorgerufen. Auch die Handelsbeziehungen, die sich besonders seit 188h zwischen Rumänen und Deutschland entwickelten, veranlaßten, weitere Ein¬ wanderungen deutscher Elemente. Ebenso wurden zahlreiche Deutsche durch die in den letzten Jahrzehnten erschlossenen reichen Petroleumquellen, ferner auch durch die Holzindustrie ins Land gezogen. Mit den deutschen Geldmännern, Kaufleuten, Beamten, Ingenieuren und Handwerkern kamen aber auch deutsche Priester, Lehrer, Erzieherinnen, Diener u. tgi. So entstanden in vielen Orten Rumäniens bürgerliche Niederlassungen Deutscher. Weniger günstig lagen die Verhältnisse sür bäuerliche Ansiedlungen. Einige Versuche hierzu sollen zwar schon am Ende des achtzehnten Jahrhunderts gemacht worden sein. Nach einem Berichte der Bukowiner Landesverwaltung vom 15. Oktober 1782 wird bemerkt, daß man in der Bukowina angelangte arme deutsche Ansiedlungswerber unterstützen müsse, „weil sie sonst gezwungen wären, in die Moldau auszuwandern, wo sie als Arbeiter gerne und unter Begünsti¬ gungen aufgenommen werden und woselbst schon die Errichtung einiger deutschen Gemeinden begonnen haben soll." Nachrichten über diese Ansiedlungen fehlen. Es scheint, daß sie sich nicht entwickelt haben, weil ihnen wahrscheinlich kein Grundbesitz ins Erbeigentum überlassen wurde. Auch noch Jahrzehnte später bot sich in Rumänien für deutsche Bauern keine günstige Anfiedlungs- gelegenheit dar. Als Banaler Schwaben vor einem halben Jahrhundert dahin auswandern wollten, stellten die Bojaren ganz unannehmbare Be¬ dingungen. Ebensowenig gelang es deutschen Auswanderern aus Rußland, die sich seit 1842 nach Rumänien wandten, hier festen Fuß zu fassen. Nur in Jacobsontal bei Braila siedelte sich eine kleine Zahl an. Die anderen wählten unter der Führung des „Vaters" Kühn, der noch in Deutschland (bei Gnesen) geboren war, die Dobrudscha zur neuen Heimat. Dieses südlich der Donau am Schwarzen Meere gelegene Gebiet war damals noch türkischer Besitz. Die deutschen Einwanderer ließen sich zunächst in Acpunar, einem von Türken bewohnten Dörfchen, nieder. Anfangs waren etwa zwanzig Familien dahingekommen, aber allmählich stießen noch mehrere der umherziehenden deutschen Familien zu ihnen. Später kamen andere nach, und so entstanden in der Dobrudscha zunächst unter türkischer Oberhoheit einige deutsche Kolonien. Auch als nach dem türkisch-russischen Kriege die Dobrudscha an Rumänien kam (1878), wanderten sowohl deutsche Bauern aus Rußland als aus Galizien ein. Bei der Erwerbung von Ländereten hatten auch hier die Einwanderer mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen; immerhin fanden sie in der Dobrudscha größere Berücksichtigung als in den altrumänischen Ländern, weil in dem völlig öden, unkultivierten Gebiete Ansiedler dringend nötig waren. Gegenwärtig wohnen Deutsche vor allem in folgenden Orten der Walachei: Bukarest, Craiova, Turnu-Severin. Pitesti, Tirgoviste, Ploesti. Bustea. Campina. Sinaia, Busteni, Campolung. Rinne - Valcea. Targu -Jiu, Giurgiu, Galatz. Braila, Jacobsontal und Buzau. In der Dobrudscha Grenzboien I 1918 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/421>, abgerufen am 22.12.2024.