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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutschen in Rumänien

Leider ist diese verheißungsvolle deutsche Ansiedelung durch mancherlei Um¬
stände geschädigt worden. Die beständigen Unruhen, die zahlreichen Kriege,
schließlich die verderbliche türkische Oberherrschaft vernichteten in den meisten
Orten das deutsche Leben. Um 1750 machten einsichtige Fürsten den Versuch,
neue Ansiedler ins Land zu ziehen; aber auch diese Ansiedlungen mißglückter.
Nur in Bukarest entwickelte sich eine deutsch-evangelische Gemeinde. Gegen das
Ende des achtzehnten Jahrhunderts setzte dann eine stärkere deutsche Einwanderung
aus den benachbarten Ländern der österreichischen Monarchie ein. Schon am
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts soll die Zahl der Deutschen daselbst an
zehntausend betragen haben, die zum größten Teil in Bukarest wohnten.
Seither nahm die Einwanderung von Deutschen in die Walachei und Moldau
stetig zu; später zogen sie auch nach Serbien und Nordbulgarien. "Ärzte und
Apotheker, Ingenieure und Baumeister, Fabrikanten und Maschinisten, Kaufleute
und Handwerker, Erzieher und Dienstboten kamen zunächst aus Siebenbürgen,
später auch aus den anderen Teilen der österreichisch-ungarischen Monarchie
und aus Deutschland." Neben manchen hemmenden Momenten, insbesondere
Seuchen, Kriegen und andauernder Unsicherheit, machten sich im Laufe des
neunzehnten Jahrhunderts auch manche fördernde Momente geltend. Dazu
gehörte die Übernahme des Schutzes der deutsch-evangelischen Gemeinde in
Bukarest durch Österreich und Preußen (1839). So kam es, daß sich unter den
Förderern der Bukarester deutsch-evangelischen Gemeinde Kaiser Franz Joseph
der Erste, Friedrich Wilhelm der Vierte und Kaiser Wilhelm der Erste befanden.
Ebenso haben sich andere deutsch-evangelische Gemeinden unter preußischen Schutz
gestellt, so Craiova (1843) und Jassy (1844). Sie schlössen sich ferner an die
preußische Landeskirche an und werden daher vom Berliner Oberkirchenrat und
vom Gustav-Adolf-Vereine gefördert.

Von ausschlaggebender Bedeutung für die Zunahme des Deutschtums war
vor allem die 1886 erfolgte Wahl des deutschen Prinzen Karl von Hohen-
zollern zum Fürsten der sieben Jahre zuvor zum Fürstentum Rumänien ver¬
einigten Länder. Seit seiner Thronbesteigung wurde eine überaus segensreiche
Tätigkeit für die wirtschaftliche Hebung des Reiches entfaltet. Er war es, der
sofort nach seinem Regierungsantritte für die Erbauung von Eisenbahnen in
Rumänien eintrat. Dadurch wurden zahlreiche deutsche Beamte, Ingenieure
und Handwerker ins Land gebracht. Ebenso wichtig war das Industrie-
beförderungsgesetz von 1887, das fremdes Kapital und fremde Unternehmer,
darunter vor allem Deutsche, ins Land zog. Da gerade ein Jahr zuvor der
Zollkrieg zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien ausgebrochen war, der den
Absatz der in Österreich-Ungarn hergestellten Jndustrieerzeugnisse in Rumänien
vereitelte, so zogen viele Österreicher und siebenbürger Sachsen in dieses Land
und errichteten hier ihre Fabriken. So hatte der Zollkrieg, der in Sieben¬
bürgen und in der Bukowina einen argen Niedergang des deutschen Gewerbes
veranlaßt hatte, eine bedeutende Steigerung deutschen Lebens in Rumänien


Die Deutschen in Rumänien

Leider ist diese verheißungsvolle deutsche Ansiedelung durch mancherlei Um¬
stände geschädigt worden. Die beständigen Unruhen, die zahlreichen Kriege,
schließlich die verderbliche türkische Oberherrschaft vernichteten in den meisten
Orten das deutsche Leben. Um 1750 machten einsichtige Fürsten den Versuch,
neue Ansiedler ins Land zu ziehen; aber auch diese Ansiedlungen mißglückter.
Nur in Bukarest entwickelte sich eine deutsch-evangelische Gemeinde. Gegen das
Ende des achtzehnten Jahrhunderts setzte dann eine stärkere deutsche Einwanderung
aus den benachbarten Ländern der österreichischen Monarchie ein. Schon am
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts soll die Zahl der Deutschen daselbst an
zehntausend betragen haben, die zum größten Teil in Bukarest wohnten.
Seither nahm die Einwanderung von Deutschen in die Walachei und Moldau
stetig zu; später zogen sie auch nach Serbien und Nordbulgarien. „Ärzte und
Apotheker, Ingenieure und Baumeister, Fabrikanten und Maschinisten, Kaufleute
und Handwerker, Erzieher und Dienstboten kamen zunächst aus Siebenbürgen,
später auch aus den anderen Teilen der österreichisch-ungarischen Monarchie
und aus Deutschland." Neben manchen hemmenden Momenten, insbesondere
Seuchen, Kriegen und andauernder Unsicherheit, machten sich im Laufe des
neunzehnten Jahrhunderts auch manche fördernde Momente geltend. Dazu
gehörte die Übernahme des Schutzes der deutsch-evangelischen Gemeinde in
Bukarest durch Österreich und Preußen (1839). So kam es, daß sich unter den
Förderern der Bukarester deutsch-evangelischen Gemeinde Kaiser Franz Joseph
der Erste, Friedrich Wilhelm der Vierte und Kaiser Wilhelm der Erste befanden.
Ebenso haben sich andere deutsch-evangelische Gemeinden unter preußischen Schutz
gestellt, so Craiova (1843) und Jassy (1844). Sie schlössen sich ferner an die
preußische Landeskirche an und werden daher vom Berliner Oberkirchenrat und
vom Gustav-Adolf-Vereine gefördert.

Von ausschlaggebender Bedeutung für die Zunahme des Deutschtums war
vor allem die 1886 erfolgte Wahl des deutschen Prinzen Karl von Hohen-
zollern zum Fürsten der sieben Jahre zuvor zum Fürstentum Rumänien ver¬
einigten Länder. Seit seiner Thronbesteigung wurde eine überaus segensreiche
Tätigkeit für die wirtschaftliche Hebung des Reiches entfaltet. Er war es, der
sofort nach seinem Regierungsantritte für die Erbauung von Eisenbahnen in
Rumänien eintrat. Dadurch wurden zahlreiche deutsche Beamte, Ingenieure
und Handwerker ins Land gebracht. Ebenso wichtig war das Industrie-
beförderungsgesetz von 1887, das fremdes Kapital und fremde Unternehmer,
darunter vor allem Deutsche, ins Land zog. Da gerade ein Jahr zuvor der
Zollkrieg zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien ausgebrochen war, der den
Absatz der in Österreich-Ungarn hergestellten Jndustrieerzeugnisse in Rumänien
vereitelte, so zogen viele Österreicher und siebenbürger Sachsen in dieses Land
und errichteten hier ihre Fabriken. So hatte der Zollkrieg, der in Sieben¬
bürgen und in der Bukowina einen argen Niedergang des deutschen Gewerbes
veranlaßt hatte, eine bedeutende Steigerung deutschen Lebens in Rumänien


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[0420] Die Deutschen in Rumänien Leider ist diese verheißungsvolle deutsche Ansiedelung durch mancherlei Um¬ stände geschädigt worden. Die beständigen Unruhen, die zahlreichen Kriege, schließlich die verderbliche türkische Oberherrschaft vernichteten in den meisten Orten das deutsche Leben. Um 1750 machten einsichtige Fürsten den Versuch, neue Ansiedler ins Land zu ziehen; aber auch diese Ansiedlungen mißglückter. Nur in Bukarest entwickelte sich eine deutsch-evangelische Gemeinde. Gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts setzte dann eine stärkere deutsche Einwanderung aus den benachbarten Ländern der österreichischen Monarchie ein. Schon am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts soll die Zahl der Deutschen daselbst an zehntausend betragen haben, die zum größten Teil in Bukarest wohnten. Seither nahm die Einwanderung von Deutschen in die Walachei und Moldau stetig zu; später zogen sie auch nach Serbien und Nordbulgarien. „Ärzte und Apotheker, Ingenieure und Baumeister, Fabrikanten und Maschinisten, Kaufleute und Handwerker, Erzieher und Dienstboten kamen zunächst aus Siebenbürgen, später auch aus den anderen Teilen der österreichisch-ungarischen Monarchie und aus Deutschland." Neben manchen hemmenden Momenten, insbesondere Seuchen, Kriegen und andauernder Unsicherheit, machten sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts auch manche fördernde Momente geltend. Dazu gehörte die Übernahme des Schutzes der deutsch-evangelischen Gemeinde in Bukarest durch Österreich und Preußen (1839). So kam es, daß sich unter den Förderern der Bukarester deutsch-evangelischen Gemeinde Kaiser Franz Joseph der Erste, Friedrich Wilhelm der Vierte und Kaiser Wilhelm der Erste befanden. Ebenso haben sich andere deutsch-evangelische Gemeinden unter preußischen Schutz gestellt, so Craiova (1843) und Jassy (1844). Sie schlössen sich ferner an die preußische Landeskirche an und werden daher vom Berliner Oberkirchenrat und vom Gustav-Adolf-Vereine gefördert. Von ausschlaggebender Bedeutung für die Zunahme des Deutschtums war vor allem die 1886 erfolgte Wahl des deutschen Prinzen Karl von Hohen- zollern zum Fürsten der sieben Jahre zuvor zum Fürstentum Rumänien ver¬ einigten Länder. Seit seiner Thronbesteigung wurde eine überaus segensreiche Tätigkeit für die wirtschaftliche Hebung des Reiches entfaltet. Er war es, der sofort nach seinem Regierungsantritte für die Erbauung von Eisenbahnen in Rumänien eintrat. Dadurch wurden zahlreiche deutsche Beamte, Ingenieure und Handwerker ins Land gebracht. Ebenso wichtig war das Industrie- beförderungsgesetz von 1887, das fremdes Kapital und fremde Unternehmer, darunter vor allem Deutsche, ins Land zog. Da gerade ein Jahr zuvor der Zollkrieg zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien ausgebrochen war, der den Absatz der in Österreich-Ungarn hergestellten Jndustrieerzeugnisse in Rumänien vereitelte, so zogen viele Österreicher und siebenbürger Sachsen in dieses Land und errichteten hier ihre Fabriken. So hatte der Zollkrieg, der in Sieben¬ bürgen und in der Bukowina einen argen Niedergang des deutschen Gewerbes veranlaßt hatte, eine bedeutende Steigerung deutschen Lebens in Rumänien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/420>, abgerufen am 28.07.2024.