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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Briefe aus Trebeldorf

diesen Mut des Widerspruchs die Augen immer weiter aufgerissen und zuletzt
gesagt: "Dunnerwetter, DirnI Wenn du nich willst, das is jawohl bald noch
doller, als wenn ich will." Damit hat er ohne eigentliche Erklärung in diesem
Punkte klein beigegeben. Von den Unterrichtsstunden bei nur aber hat er
durchaus nichts wissen wollen. Was er nicht bezahlen könne, hat er erklärt,
das wolle er keinem Menschen schuldig bleiben, und was denn schließlich noch
groß dran wäre an so ner Ladenmamsell. Das sei eine zimperliche Bagage,
ein faules Gesindel. Keinen Spaten möchten sie anfassen, nicht mal die Finger
möchten sie schmutzig machen. Damit solle sie ihm vom Halse bleiben, einmal
für allemal.

Das alles hat mir heute Anna erzählt. Sie war guter Dinge dabei und
meinte, der Vater gebe ganz gewiß noch von selber nach. Er werde es ein
paar Tage mit sich herumschleppen und dann allein davon anfangen. Sie kenne
ihn. So sei er immer. -- Mir sei sie dankbar, daß ich ihr Mut gemacht habe.
Sie habe sichs schlimmer vorgestellt. -- Die Hauptsache sei, daß nun der Fritze
Adlers nicht mehr so oft kommen werde. -- Den habe ich selbst bisher nnr
einmal dort getroffen. Er ist ein strammer, ansehnlicher Bursch. Die beiden
hätten ein gesundes Paar abgegeben. -- Mich hat er aus finsteren Augen
angeblickt. Er ist wortkarg und anscheinend etwas verbissen. Das liegt wohl
aber hier so im Menschenschlag, der alles und jedes dem Leben schwer abringen
muß. Anna bleibt dabei, er sei ein leicht aufbrausender und gewalttätiger Mensch.

Ich hatte mir vorgesetzt, Vater Ewert selbst zu bearbeiten für den Fall,
daß er bockbeinig sein würde. Besser ist es aber, wenn es ohne das glatt
abgeht. Man tut nicht immer gut, wenn man seine Nase in derlei Angelegen¬
heiten steckt und macht seine Sache oft am schlechtesten, wenn man sie am
ehrlichsten beabsichtigt. -- --

Mir ist so dumm heute. Ich kann meine Gedanken nicht sammeln. --
Immer wieder geht mirs zwischendurch im Kopfe herum, daß meine schöne
Hoffnung so jämmerlich zerschlagen sein soll. Den Weihnachtsbaum habe ich
eingekauft. Nun mag ich ihn nicht mehr sehen.

Bitte bald Antwort! Und dann gleich heraus mit der Wahrheit! Über¬
raschungen sind nicht mein Schwarm.


Gruß Dein Edward.

Trebeldorf, den 21. Dezember 19 . .

Mein lieber Cunz, richtig erraten also. Ich wußt es ja, daß es gar nicht
anders sein könne. -- Wie stolz sich die Verlobungsanzeige ausnimmt: Assessor
Cunz Mangold und Olga von Brendel! --

Meine Gedanken sind ganz Dir zugewendet. -- Wie sie wohl aussieht?
Ob sie schön ist? Sicher. Alles Unschöne war Dir immer fremd. Wahr¬
scheinlich ist sie auch reich. Aber vor allem: Wird sie auch klug sein? Wird


Briefe aus Trebeldorf

diesen Mut des Widerspruchs die Augen immer weiter aufgerissen und zuletzt
gesagt: „Dunnerwetter, DirnI Wenn du nich willst, das is jawohl bald noch
doller, als wenn ich will." Damit hat er ohne eigentliche Erklärung in diesem
Punkte klein beigegeben. Von den Unterrichtsstunden bei nur aber hat er
durchaus nichts wissen wollen. Was er nicht bezahlen könne, hat er erklärt,
das wolle er keinem Menschen schuldig bleiben, und was denn schließlich noch
groß dran wäre an so ner Ladenmamsell. Das sei eine zimperliche Bagage,
ein faules Gesindel. Keinen Spaten möchten sie anfassen, nicht mal die Finger
möchten sie schmutzig machen. Damit solle sie ihm vom Halse bleiben, einmal
für allemal.

Das alles hat mir heute Anna erzählt. Sie war guter Dinge dabei und
meinte, der Vater gebe ganz gewiß noch von selber nach. Er werde es ein
paar Tage mit sich herumschleppen und dann allein davon anfangen. Sie kenne
ihn. So sei er immer. — Mir sei sie dankbar, daß ich ihr Mut gemacht habe.
Sie habe sichs schlimmer vorgestellt. — Die Hauptsache sei, daß nun der Fritze
Adlers nicht mehr so oft kommen werde. — Den habe ich selbst bisher nnr
einmal dort getroffen. Er ist ein strammer, ansehnlicher Bursch. Die beiden
hätten ein gesundes Paar abgegeben. — Mich hat er aus finsteren Augen
angeblickt. Er ist wortkarg und anscheinend etwas verbissen. Das liegt wohl
aber hier so im Menschenschlag, der alles und jedes dem Leben schwer abringen
muß. Anna bleibt dabei, er sei ein leicht aufbrausender und gewalttätiger Mensch.

Ich hatte mir vorgesetzt, Vater Ewert selbst zu bearbeiten für den Fall,
daß er bockbeinig sein würde. Besser ist es aber, wenn es ohne das glatt
abgeht. Man tut nicht immer gut, wenn man seine Nase in derlei Angelegen¬
heiten steckt und macht seine Sache oft am schlechtesten, wenn man sie am
ehrlichsten beabsichtigt. — —

Mir ist so dumm heute. Ich kann meine Gedanken nicht sammeln. —
Immer wieder geht mirs zwischendurch im Kopfe herum, daß meine schöne
Hoffnung so jämmerlich zerschlagen sein soll. Den Weihnachtsbaum habe ich
eingekauft. Nun mag ich ihn nicht mehr sehen.

Bitte bald Antwort! Und dann gleich heraus mit der Wahrheit! Über¬
raschungen sind nicht mein Schwarm.


Gruß Dein Edward.

Trebeldorf, den 21. Dezember 19 . .

Mein lieber Cunz, richtig erraten also. Ich wußt es ja, daß es gar nicht
anders sein könne. — Wie stolz sich die Verlobungsanzeige ausnimmt: Assessor
Cunz Mangold und Olga von Brendel! —

Meine Gedanken sind ganz Dir zugewendet. — Wie sie wohl aussieht?
Ob sie schön ist? Sicher. Alles Unschöne war Dir immer fremd. Wahr¬
scheinlich ist sie auch reich. Aber vor allem: Wird sie auch klug sein? Wird


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[0388] Briefe aus Trebeldorf diesen Mut des Widerspruchs die Augen immer weiter aufgerissen und zuletzt gesagt: „Dunnerwetter, DirnI Wenn du nich willst, das is jawohl bald noch doller, als wenn ich will." Damit hat er ohne eigentliche Erklärung in diesem Punkte klein beigegeben. Von den Unterrichtsstunden bei nur aber hat er durchaus nichts wissen wollen. Was er nicht bezahlen könne, hat er erklärt, das wolle er keinem Menschen schuldig bleiben, und was denn schließlich noch groß dran wäre an so ner Ladenmamsell. Das sei eine zimperliche Bagage, ein faules Gesindel. Keinen Spaten möchten sie anfassen, nicht mal die Finger möchten sie schmutzig machen. Damit solle sie ihm vom Halse bleiben, einmal für allemal. Das alles hat mir heute Anna erzählt. Sie war guter Dinge dabei und meinte, der Vater gebe ganz gewiß noch von selber nach. Er werde es ein paar Tage mit sich herumschleppen und dann allein davon anfangen. Sie kenne ihn. So sei er immer. — Mir sei sie dankbar, daß ich ihr Mut gemacht habe. Sie habe sichs schlimmer vorgestellt. — Die Hauptsache sei, daß nun der Fritze Adlers nicht mehr so oft kommen werde. — Den habe ich selbst bisher nnr einmal dort getroffen. Er ist ein strammer, ansehnlicher Bursch. Die beiden hätten ein gesundes Paar abgegeben. — Mich hat er aus finsteren Augen angeblickt. Er ist wortkarg und anscheinend etwas verbissen. Das liegt wohl aber hier so im Menschenschlag, der alles und jedes dem Leben schwer abringen muß. Anna bleibt dabei, er sei ein leicht aufbrausender und gewalttätiger Mensch. Ich hatte mir vorgesetzt, Vater Ewert selbst zu bearbeiten für den Fall, daß er bockbeinig sein würde. Besser ist es aber, wenn es ohne das glatt abgeht. Man tut nicht immer gut, wenn man seine Nase in derlei Angelegen¬ heiten steckt und macht seine Sache oft am schlechtesten, wenn man sie am ehrlichsten beabsichtigt. — — Mir ist so dumm heute. Ich kann meine Gedanken nicht sammeln. — Immer wieder geht mirs zwischendurch im Kopfe herum, daß meine schöne Hoffnung so jämmerlich zerschlagen sein soll. Den Weihnachtsbaum habe ich eingekauft. Nun mag ich ihn nicht mehr sehen. Bitte bald Antwort! Und dann gleich heraus mit der Wahrheit! Über¬ raschungen sind nicht mein Schwarm. Gruß Dein Edward. Trebeldorf, den 21. Dezember 19 . . Mein lieber Cunz, richtig erraten also. Ich wußt es ja, daß es gar nicht anders sein könne. — Wie stolz sich die Verlobungsanzeige ausnimmt: Assessor Cunz Mangold und Olga von Brendel! — Meine Gedanken sind ganz Dir zugewendet. — Wie sie wohl aussieht? Ob sie schön ist? Sicher. Alles Unschöne war Dir immer fremd. Wahr¬ scheinlich ist sie auch reich. Aber vor allem: Wird sie auch klug sein? Wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/388>, abgerufen am 22.07.2024.