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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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An der Miege des Königreichs Rumänien

einem Dragoman begleitet, und hatte mir schon vor dem Eintritt gesagt, daß
er den Dragoman mitgebracht habe, um einer neuen Jnconvenienz von Lord
Stratford vorzubeugen. Sir Henry Bulwer kam zuletzt an, ebenfalls von einem
Dragoman, dem jüngsten der englischen Ambassadeure, begleitet, und erst nachdem
Ebben Pascha bereits eingetreten war. Vor der Ankunft von Sir Henry
Bulwer mit dem Dragoman hatte Mr. Basily sich sogleich an Ebben Pascha
mit der Frage gewendet, ob es nötig sei, daß er von dem Dragoman in die
Audienz begleitet werde und hatte eine verneinende Antwort erhalten. Der
Dragoman der russischen Ambassade hatte den englischen Dragoman hiervon
kaum unterrichtet, als dieser, ohne irgend welche Weisung von Sir Henry
Bulwer abzuwarten, sich in brüsker Weise an Ebben Pascha mit der Bemerkung
wendete, Lord Stratford habe ihn ausdrücklich beauftragt, der Audienz der
Kommissäre beim Großherrn seitens der englischen Ambassade beizuwohnen.
Lord Stratford habe ihm die positivsten Weisungen in dieser Hinsicht erteilt,
und werde es der Pforte sehr übel vermerken, wenn er nicht mit zur Audienz
zugelassen werde. Sir Henry Bulwer suchte dem Skandal dadurch ein Ende
zu machen, und den armen Minister, der augenscheinlich schon vor Lord Stratford
zitterte, der Verlegenheit zu entziehen, daß er dem Dragoman sagte: "Lord
Stratford hat Sie mir beigegeben, um mir nützlich und angenehm zu sein, und
da ich sehe, daß ich Ihrer nicht bedarf, so werden Sie hier bei dem russischen
Dragoman verweilen." Der Dragoman wollte sich jedoch hierüber noch nicht
beruhigen, und war im Begriff, eine schriftliche Ordre Lord Stratfords, die er
für den äußersten Fall in der Tasche hatte, herauszuziehen, als ihm Ebben
Pascha sagte, er werde Lord Stratford hierüber vollständige Auskunft geben,
denn dieser selbst habe nur eine ganz private Audienz für die Kommissäre
haben wollen, und der Teskeret des Sultans laute daher auch nur auf Zu¬
lassung der Kommissäre und nicht ihrer Suite. Der Dragoman erklärte daher,
daß er seine Verantwortlichkeit gedeckt halte, und Lord Stratford hierüber schrift¬
lichen Rapport erstatten werde.

Nachdem dieser Zwischenfall, der eine gute Viertelstunde weggenommen,
und welcher zu dem Skandal bei der Konferenz beim Großwesir am 13. d. M. -
ein würdiges Seitenstück bildet, hierdurch beendet war, kam ein Diener, um zu
melde", daß der Sultan zu unserem Empfange bereit war.

Seine Majestät, welche weit wohler und kräftiger aussahen, als bei meiner
Vorstellung im August vorigen Jahres, empfingen uns ebenfalls ohne irgendein
äußeres Zeichen ihrer Würde und ohne allen Hofstaat. Nach den gewöhn¬
lichen Verbeugungen zog der Sultan langsam ein Papier aus der Tasche und
las in türkischer Sprache eine an uns gerichtete, ziemlich lange Rede mit
ungewöhnlich Heller Stimme, und unter Betonung einzelner Stellen ab. Nachdem
dies geschehen war, gab er die Rede dem Minister des Äußeren, der uns ihren
Inhalt so langsam ins Französische übersetzte, daß es schien, er habe von der
beabsichtigten Rede seines Herrn vorher keine Kenntnis gehabt. Der Sultan


An der Miege des Königreichs Rumänien

einem Dragoman begleitet, und hatte mir schon vor dem Eintritt gesagt, daß
er den Dragoman mitgebracht habe, um einer neuen Jnconvenienz von Lord
Stratford vorzubeugen. Sir Henry Bulwer kam zuletzt an, ebenfalls von einem
Dragoman, dem jüngsten der englischen Ambassadeure, begleitet, und erst nachdem
Ebben Pascha bereits eingetreten war. Vor der Ankunft von Sir Henry
Bulwer mit dem Dragoman hatte Mr. Basily sich sogleich an Ebben Pascha
mit der Frage gewendet, ob es nötig sei, daß er von dem Dragoman in die
Audienz begleitet werde und hatte eine verneinende Antwort erhalten. Der
Dragoman der russischen Ambassade hatte den englischen Dragoman hiervon
kaum unterrichtet, als dieser, ohne irgend welche Weisung von Sir Henry
Bulwer abzuwarten, sich in brüsker Weise an Ebben Pascha mit der Bemerkung
wendete, Lord Stratford habe ihn ausdrücklich beauftragt, der Audienz der
Kommissäre beim Großherrn seitens der englischen Ambassade beizuwohnen.
Lord Stratford habe ihm die positivsten Weisungen in dieser Hinsicht erteilt,
und werde es der Pforte sehr übel vermerken, wenn er nicht mit zur Audienz
zugelassen werde. Sir Henry Bulwer suchte dem Skandal dadurch ein Ende
zu machen, und den armen Minister, der augenscheinlich schon vor Lord Stratford
zitterte, der Verlegenheit zu entziehen, daß er dem Dragoman sagte: „Lord
Stratford hat Sie mir beigegeben, um mir nützlich und angenehm zu sein, und
da ich sehe, daß ich Ihrer nicht bedarf, so werden Sie hier bei dem russischen
Dragoman verweilen." Der Dragoman wollte sich jedoch hierüber noch nicht
beruhigen, und war im Begriff, eine schriftliche Ordre Lord Stratfords, die er
für den äußersten Fall in der Tasche hatte, herauszuziehen, als ihm Ebben
Pascha sagte, er werde Lord Stratford hierüber vollständige Auskunft geben,
denn dieser selbst habe nur eine ganz private Audienz für die Kommissäre
haben wollen, und der Teskeret des Sultans laute daher auch nur auf Zu¬
lassung der Kommissäre und nicht ihrer Suite. Der Dragoman erklärte daher,
daß er seine Verantwortlichkeit gedeckt halte, und Lord Stratford hierüber schrift¬
lichen Rapport erstatten werde.

Nachdem dieser Zwischenfall, der eine gute Viertelstunde weggenommen,
und welcher zu dem Skandal bei der Konferenz beim Großwesir am 13. d. M. -
ein würdiges Seitenstück bildet, hierdurch beendet war, kam ein Diener, um zu
melde«, daß der Sultan zu unserem Empfange bereit war.

Seine Majestät, welche weit wohler und kräftiger aussahen, als bei meiner
Vorstellung im August vorigen Jahres, empfingen uns ebenfalls ohne irgendein
äußeres Zeichen ihrer Würde und ohne allen Hofstaat. Nach den gewöhn¬
lichen Verbeugungen zog der Sultan langsam ein Papier aus der Tasche und
las in türkischer Sprache eine an uns gerichtete, ziemlich lange Rede mit
ungewöhnlich Heller Stimme, und unter Betonung einzelner Stellen ab. Nachdem
dies geschehen war, gab er die Rede dem Minister des Äußeren, der uns ihren
Inhalt so langsam ins Französische übersetzte, daß es schien, er habe von der
beabsichtigten Rede seines Herrn vorher keine Kenntnis gehabt. Der Sultan


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/380>, abgerufen am 22.12.2024.