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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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An der lviege des Königreichs Rumänien

Kommisston, als solche, aber gar keine Mitteilung gemacht. Hier in Konstantinopel
gelte dieselbe daher gar nichts, und er würde nicht dulden, daß die Kommission
hier als solche in eine Wirksamkeit irgendwelcher Art trete; wenn der öster¬
reichische Kommissär, oder überhaupt ein Österreicher irgend etwas bei der Pforte
oder beim Sultan zu suchen hätten, so könne es nur durch ihn geschehen, es
dürfte sich kein österreichischer Untertan unterstehen, ohne ihn hier einen Schritt
bei der Pforte zu tun, und wenn, wie er immer leidenschaftlicher zufügte, die
Kommisston hier zu keiner Geltung gekommen wäre und kommen würde, so läge
das ebensowohl an der unhaltbaren und unmöglichen Stellung, die ihr der
Pariser Kongreß gegeben, als an der augenscheinlichen Absicht, die einige der
Herren Kommissäre an den Tag gelegt hätten, ihre Ambassadeure und Minister
zu beseitigen und sich an ihre Stelle zu setzen, und wenn die Kommission daher
wirklich, wie dies in der Instruktion steht, den "onvoi des Firmans nach Bukarest
und Jassy konstatieren" wolle, so könne ja jeder der Herren Kommissäre sich zu
Pferde setzen, um sich das Spezialvergnügen zu machen, den Tartaren nachzu¬
jagen, die die Firmans nach beiden Punkten abtragen würden.

Ich ging auf diesen Ton ein, und gab dem Gespräche, um ihm das Bittere
zu nehmen, eine scherzhafte Wendung, erfuhr aber bald darauf, daß der Zorn
des Baron Prokesch und derjenige von Lord Stratford dadurch aufgeregt war,
daß die Pforte die Absicht hatte, eine direkte Einladung an die Kommissäre zur
Abschiedsaudienz bei dem Sultan zu richten. Lord Stratford und Baron Prokesch
hatten sich dadurch verletzt gehalten und dem Großwesir Reschid Pascha und
dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Ebben Pascha bereits das Un¬
ziemliche eines solchen Schrittes zu erkennen gegeben, und veranlaßt, daß die
Einladung für die Kommissäre durch Vermittlung der Minister erfolge. Auch
hatten Lord Stratford und Baron Prokesch dem Großwestr auf das ausdrück¬
lichste eingeschärft, daß die Abschiedsaudienz der Kommissäre beim Sultan in
dem strengsten Charakter einer durchaus privaten Audienz bleibe.

Diese Audienz hat nun gestern in dem Palast des Sultans zu Dolmabagdsch^
am Bosporus stattgehabt.

Wir waren, der uns erteilten Weisung gemäß, in großer Uniform erschienen,
und trafen das kaiserliche Palais von allem, was sonst an Ehrenwachen, Palast-
offizieren und Kammerherren dort herumzuschwärmen pflegt, entblößt. Ein
gewöhnlicher Diener empfing uns und leitete uns zu dem Empfangszimmer,
in welchem, nachdem wir eine Weile gewartet hatten, der Minister der Aus¬
wärtigen Angelegenheiten Ebben Pascha eintrat. Er war ohne Uniform und
ohne Dekoration, in einem ebenso nachlässigen Anzüge, als die Diener, die
den Kaffee und die Pfeifen präsentierten. Für uns hatte die Sache nichts
Auffälliges, da wir von dem Auftritt Lord Stratfords mit dem Großwestr
unterrichtet und daher auf den Empfang bereits vorbereitet waren, den uns
Lord Stratford und Baron Prokesch hatten bereiten lassen. Der russische
Kommissär. Mr. Bafily, mit dem ich zusammen, und zuerst eintrat, war von


An der lviege des Königreichs Rumänien

Kommisston, als solche, aber gar keine Mitteilung gemacht. Hier in Konstantinopel
gelte dieselbe daher gar nichts, und er würde nicht dulden, daß die Kommission
hier als solche in eine Wirksamkeit irgendwelcher Art trete; wenn der öster¬
reichische Kommissär, oder überhaupt ein Österreicher irgend etwas bei der Pforte
oder beim Sultan zu suchen hätten, so könne es nur durch ihn geschehen, es
dürfte sich kein österreichischer Untertan unterstehen, ohne ihn hier einen Schritt
bei der Pforte zu tun, und wenn, wie er immer leidenschaftlicher zufügte, die
Kommisston hier zu keiner Geltung gekommen wäre und kommen würde, so läge
das ebensowohl an der unhaltbaren und unmöglichen Stellung, die ihr der
Pariser Kongreß gegeben, als an der augenscheinlichen Absicht, die einige der
Herren Kommissäre an den Tag gelegt hätten, ihre Ambassadeure und Minister
zu beseitigen und sich an ihre Stelle zu setzen, und wenn die Kommission daher
wirklich, wie dies in der Instruktion steht, den „onvoi des Firmans nach Bukarest
und Jassy konstatieren" wolle, so könne ja jeder der Herren Kommissäre sich zu
Pferde setzen, um sich das Spezialvergnügen zu machen, den Tartaren nachzu¬
jagen, die die Firmans nach beiden Punkten abtragen würden.

Ich ging auf diesen Ton ein, und gab dem Gespräche, um ihm das Bittere
zu nehmen, eine scherzhafte Wendung, erfuhr aber bald darauf, daß der Zorn
des Baron Prokesch und derjenige von Lord Stratford dadurch aufgeregt war,
daß die Pforte die Absicht hatte, eine direkte Einladung an die Kommissäre zur
Abschiedsaudienz bei dem Sultan zu richten. Lord Stratford und Baron Prokesch
hatten sich dadurch verletzt gehalten und dem Großwesir Reschid Pascha und
dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Ebben Pascha bereits das Un¬
ziemliche eines solchen Schrittes zu erkennen gegeben, und veranlaßt, daß die
Einladung für die Kommissäre durch Vermittlung der Minister erfolge. Auch
hatten Lord Stratford und Baron Prokesch dem Großwestr auf das ausdrück¬
lichste eingeschärft, daß die Abschiedsaudienz der Kommissäre beim Sultan in
dem strengsten Charakter einer durchaus privaten Audienz bleibe.

Diese Audienz hat nun gestern in dem Palast des Sultans zu Dolmabagdsch^
am Bosporus stattgehabt.

Wir waren, der uns erteilten Weisung gemäß, in großer Uniform erschienen,
und trafen das kaiserliche Palais von allem, was sonst an Ehrenwachen, Palast-
offizieren und Kammerherren dort herumzuschwärmen pflegt, entblößt. Ein
gewöhnlicher Diener empfing uns und leitete uns zu dem Empfangszimmer,
in welchem, nachdem wir eine Weile gewartet hatten, der Minister der Aus¬
wärtigen Angelegenheiten Ebben Pascha eintrat. Er war ohne Uniform und
ohne Dekoration, in einem ebenso nachlässigen Anzüge, als die Diener, die
den Kaffee und die Pfeifen präsentierten. Für uns hatte die Sache nichts
Auffälliges, da wir von dem Auftritt Lord Stratfords mit dem Großwestr
unterrichtet und daher auf den Empfang bereits vorbereitet waren, den uns
Lord Stratford und Baron Prokesch hatten bereiten lassen. Der russische
Kommissär. Mr. Bafily, mit dem ich zusammen, und zuerst eintrat, war von


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[0379] An der lviege des Königreichs Rumänien Kommisston, als solche, aber gar keine Mitteilung gemacht. Hier in Konstantinopel gelte dieselbe daher gar nichts, und er würde nicht dulden, daß die Kommission hier als solche in eine Wirksamkeit irgendwelcher Art trete; wenn der öster¬ reichische Kommissär, oder überhaupt ein Österreicher irgend etwas bei der Pforte oder beim Sultan zu suchen hätten, so könne es nur durch ihn geschehen, es dürfte sich kein österreichischer Untertan unterstehen, ohne ihn hier einen Schritt bei der Pforte zu tun, und wenn, wie er immer leidenschaftlicher zufügte, die Kommisston hier zu keiner Geltung gekommen wäre und kommen würde, so läge das ebensowohl an der unhaltbaren und unmöglichen Stellung, die ihr der Pariser Kongreß gegeben, als an der augenscheinlichen Absicht, die einige der Herren Kommissäre an den Tag gelegt hätten, ihre Ambassadeure und Minister zu beseitigen und sich an ihre Stelle zu setzen, und wenn die Kommission daher wirklich, wie dies in der Instruktion steht, den „onvoi des Firmans nach Bukarest und Jassy konstatieren" wolle, so könne ja jeder der Herren Kommissäre sich zu Pferde setzen, um sich das Spezialvergnügen zu machen, den Tartaren nachzu¬ jagen, die die Firmans nach beiden Punkten abtragen würden. Ich ging auf diesen Ton ein, und gab dem Gespräche, um ihm das Bittere zu nehmen, eine scherzhafte Wendung, erfuhr aber bald darauf, daß der Zorn des Baron Prokesch und derjenige von Lord Stratford dadurch aufgeregt war, daß die Pforte die Absicht hatte, eine direkte Einladung an die Kommissäre zur Abschiedsaudienz bei dem Sultan zu richten. Lord Stratford und Baron Prokesch hatten sich dadurch verletzt gehalten und dem Großwesir Reschid Pascha und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Ebben Pascha bereits das Un¬ ziemliche eines solchen Schrittes zu erkennen gegeben, und veranlaßt, daß die Einladung für die Kommissäre durch Vermittlung der Minister erfolge. Auch hatten Lord Stratford und Baron Prokesch dem Großwestr auf das ausdrück¬ lichste eingeschärft, daß die Abschiedsaudienz der Kommissäre beim Sultan in dem strengsten Charakter einer durchaus privaten Audienz bleibe. Diese Audienz hat nun gestern in dem Palast des Sultans zu Dolmabagdsch^ am Bosporus stattgehabt. Wir waren, der uns erteilten Weisung gemäß, in großer Uniform erschienen, und trafen das kaiserliche Palais von allem, was sonst an Ehrenwachen, Palast- offizieren und Kammerherren dort herumzuschwärmen pflegt, entblößt. Ein gewöhnlicher Diener empfing uns und leitete uns zu dem Empfangszimmer, in welchem, nachdem wir eine Weile gewartet hatten, der Minister der Aus¬ wärtigen Angelegenheiten Ebben Pascha eintrat. Er war ohne Uniform und ohne Dekoration, in einem ebenso nachlässigen Anzüge, als die Diener, die den Kaffee und die Pfeifen präsentierten. Für uns hatte die Sache nichts Auffälliges, da wir von dem Auftritt Lord Stratfords mit dem Großwestr unterrichtet und daher auf den Empfang bereits vorbereitet waren, den uns Lord Stratford und Baron Prokesch hatten bereiten lassen. Der russische Kommissär. Mr. Bafily, mit dem ich zusammen, und zuerst eintrat, war von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/379>, abgerufen am 22.12.2024.