Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Briefe aus Trebeldorf

Damit er aber nun nicht dem Größenwahn verfalle und sich einbilde, seine
Zugehörigkeit zu unserem Klub bedeute für uns ohne weiteres eine nie geahnte
Ehre, so möge er beweisen, ob er in Wahrheit der Auszeichnung, einer so er¬
lauchten Gesellschaft anzugehören, für würdig befunden werden kann.

Er möge darum in aller Selbstlosigkeit und Unerschrockenheit die fünf
Proben ablegen, die nach Paragraph acht unserer ungeschriebenen Statuten von
ihm gefordert werden müssen:

Zum ersten möge er beherzt in sein Portemonnaie hinabsteigen und allhier
Zu unser aller herzlicher Ergötzung einen blanken Taler auf den Tisch opfern
als Kaufpreis für seinen Eintritt, den der liebe Gott segne.

Zum andern möge er abermals in seine strotzende Tasche greifen und den
zweiten Taler spenden als Mitgliedsbeitrag für ein Jahr im voraus.

Zum dritten möge er nach üblichen Aufnahmebrauch den versammelten
Brüdern zu leiblicher Erquickung ein Fäßchen echten Trebeldorfer Bieres stiften.
Will ers dem Wirt schuldig bleiben, so soll ihm das aus unser aller Gnaden
gestattet sein.

Zum vierten möge er seinen besonderen Befähigungsnachweis dadurch
erbringen, daß er zwei Pfeifenköpfe hintereinander ausraucht und dazu vier
halbe Liter Bieres durch seinen Kanal schüttet, ohne daß ihm vom einen oder
vom anderen übel wird, und zum fünften möge er zu aller Nutz und Labung
eine gute Geschichte erzählen.

Hat er alle diese Aufgaben mit Kraft, Bereitwilligkeit und Geschick gelöst,
so mag er hinfort gleich uns die rote Troddelmütze tragen, zuvörderst noch in
dem Armsünderbewußtsein, daß er gar viel noch an sich selbst wird zu wirken
und zu schaffen haben, um allgemach uns immer ähnlicher und allen körperlichen
und geistigen Ansprüchen gerecht zu werden, die unser erlauchter Orden an alle
seine Brüder zu stellen verpflichtet ist."

"Es geschehe!" murmelte bewegt der Chor der Pipenbrüder.

Seine Korpulenz setzte sich. Wieder sank er langsam in die Tiefe hinab,
und in gleichem Maße quoll neben ihm der Herr Vorsteher aus seinem Tal zum
Lichte empor.

Donnerwetternochmal!--

Ich habe mich trotz anfänglicher Besorgnis ritterlich durchgepaukt. Nur
nor der Geschichte war mir ein wenig bange.

Zunächst dachte ich an Janos. Dann aber schien es mir gewählter zu
erzählen von dem Urenkel des heiligen Konfuzius, der eines Morgens bei der
Toilette ein kleines Büschel ausgekämmter Haare zum Fenster hinauswerfen und
in den Spucknapf räuspern wollte, dafür jedoch das Büschel in den Napf warf
und zum Fenster hinaus dem gerade vorbei wandernden Kardinal auf den rot
geschwollenen Nasenkolben spuckte, und der zuletzt ein unglückselig Ende fand,
da er in mitternächtiger Stunde vom Trunk aus tiefer Quelle heimkehrend seinen
Überzieher an dem Türhaken aufzuhängen und sich ins Bett zu legen beabsichtigte,


Briefe aus Trebeldorf

Damit er aber nun nicht dem Größenwahn verfalle und sich einbilde, seine
Zugehörigkeit zu unserem Klub bedeute für uns ohne weiteres eine nie geahnte
Ehre, so möge er beweisen, ob er in Wahrheit der Auszeichnung, einer so er¬
lauchten Gesellschaft anzugehören, für würdig befunden werden kann.

Er möge darum in aller Selbstlosigkeit und Unerschrockenheit die fünf
Proben ablegen, die nach Paragraph acht unserer ungeschriebenen Statuten von
ihm gefordert werden müssen:

Zum ersten möge er beherzt in sein Portemonnaie hinabsteigen und allhier
Zu unser aller herzlicher Ergötzung einen blanken Taler auf den Tisch opfern
als Kaufpreis für seinen Eintritt, den der liebe Gott segne.

Zum andern möge er abermals in seine strotzende Tasche greifen und den
zweiten Taler spenden als Mitgliedsbeitrag für ein Jahr im voraus.

Zum dritten möge er nach üblichen Aufnahmebrauch den versammelten
Brüdern zu leiblicher Erquickung ein Fäßchen echten Trebeldorfer Bieres stiften.
Will ers dem Wirt schuldig bleiben, so soll ihm das aus unser aller Gnaden
gestattet sein.

Zum vierten möge er seinen besonderen Befähigungsnachweis dadurch
erbringen, daß er zwei Pfeifenköpfe hintereinander ausraucht und dazu vier
halbe Liter Bieres durch seinen Kanal schüttet, ohne daß ihm vom einen oder
vom anderen übel wird, und zum fünften möge er zu aller Nutz und Labung
eine gute Geschichte erzählen.

Hat er alle diese Aufgaben mit Kraft, Bereitwilligkeit und Geschick gelöst,
so mag er hinfort gleich uns die rote Troddelmütze tragen, zuvörderst noch in
dem Armsünderbewußtsein, daß er gar viel noch an sich selbst wird zu wirken
und zu schaffen haben, um allgemach uns immer ähnlicher und allen körperlichen
und geistigen Ansprüchen gerecht zu werden, die unser erlauchter Orden an alle
seine Brüder zu stellen verpflichtet ist."

„Es geschehe!" murmelte bewegt der Chor der Pipenbrüder.

Seine Korpulenz setzte sich. Wieder sank er langsam in die Tiefe hinab,
und in gleichem Maße quoll neben ihm der Herr Vorsteher aus seinem Tal zum
Lichte empor.

Donnerwetternochmal!--

Ich habe mich trotz anfänglicher Besorgnis ritterlich durchgepaukt. Nur
nor der Geschichte war mir ein wenig bange.

Zunächst dachte ich an Janos. Dann aber schien es mir gewählter zu
erzählen von dem Urenkel des heiligen Konfuzius, der eines Morgens bei der
Toilette ein kleines Büschel ausgekämmter Haare zum Fenster hinauswerfen und
in den Spucknapf räuspern wollte, dafür jedoch das Büschel in den Napf warf
und zum Fenster hinaus dem gerade vorbei wandernden Kardinal auf den rot
geschwollenen Nasenkolben spuckte, und der zuletzt ein unglückselig Ende fand,
da er in mitternächtiger Stunde vom Trunk aus tiefer Quelle heimkehrend seinen
Überzieher an dem Türhaken aufzuhängen und sich ins Bett zu legen beabsichtigte,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325208"/>
          <fw type="header" place="top"> Briefe aus Trebeldorf</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1417"> Damit er aber nun nicht dem Größenwahn verfalle und sich einbilde, seine<lb/>
Zugehörigkeit zu unserem Klub bedeute für uns ohne weiteres eine nie geahnte<lb/>
Ehre, so möge er beweisen, ob er in Wahrheit der Auszeichnung, einer so er¬<lb/>
lauchten Gesellschaft anzugehören, für würdig befunden werden kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1418"> Er möge darum in aller Selbstlosigkeit und Unerschrockenheit die fünf<lb/>
Proben ablegen, die nach Paragraph acht unserer ungeschriebenen Statuten von<lb/>
ihm gefordert werden müssen:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1419"> Zum ersten möge er beherzt in sein Portemonnaie hinabsteigen und allhier<lb/>
Zu unser aller herzlicher Ergötzung einen blanken Taler auf den Tisch opfern<lb/>
als Kaufpreis für seinen Eintritt, den der liebe Gott segne.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1420"> Zum andern möge er abermals in seine strotzende Tasche greifen und den<lb/>
zweiten Taler spenden als Mitgliedsbeitrag für ein Jahr im voraus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1421"> Zum dritten möge er nach üblichen Aufnahmebrauch den versammelten<lb/>
Brüdern zu leiblicher Erquickung ein Fäßchen echten Trebeldorfer Bieres stiften.<lb/>
Will ers dem Wirt schuldig bleiben, so soll ihm das aus unser aller Gnaden<lb/>
gestattet sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1422"> Zum vierten möge er seinen besonderen Befähigungsnachweis dadurch<lb/>
erbringen, daß er zwei Pfeifenköpfe hintereinander ausraucht und dazu vier<lb/>
halbe Liter Bieres durch seinen Kanal schüttet, ohne daß ihm vom einen oder<lb/>
vom anderen übel wird, und zum fünften möge er zu aller Nutz und Labung<lb/>
eine gute Geschichte erzählen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1423"> Hat er alle diese Aufgaben mit Kraft, Bereitwilligkeit und Geschick gelöst,<lb/>
so mag er hinfort gleich uns die rote Troddelmütze tragen, zuvörderst noch in<lb/>
dem Armsünderbewußtsein, daß er gar viel noch an sich selbst wird zu wirken<lb/>
und zu schaffen haben, um allgemach uns immer ähnlicher und allen körperlichen<lb/>
und geistigen Ansprüchen gerecht zu werden, die unser erlauchter Orden an alle<lb/>
seine Brüder zu stellen verpflichtet ist."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1424"> &#x201E;Es geschehe!" murmelte bewegt der Chor der Pipenbrüder.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1425"> Seine Korpulenz setzte sich. Wieder sank er langsam in die Tiefe hinab,<lb/>
und in gleichem Maße quoll neben ihm der Herr Vorsteher aus seinem Tal zum<lb/>
Lichte empor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1426"> Donnerwetternochmal!--</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1427"> Ich habe mich trotz anfänglicher Besorgnis ritterlich durchgepaukt. Nur<lb/>
nor der Geschichte war mir ein wenig bange.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1428" next="#ID_1429"> Zunächst dachte ich an Janos. Dann aber schien es mir gewählter zu<lb/>
erzählen von dem Urenkel des heiligen Konfuzius, der eines Morgens bei der<lb/>
Toilette ein kleines Büschel ausgekämmter Haare zum Fenster hinauswerfen und<lb/>
in den Spucknapf räuspern wollte, dafür jedoch das Büschel in den Napf warf<lb/>
und zum Fenster hinaus dem gerade vorbei wandernden Kardinal auf den rot<lb/>
geschwollenen Nasenkolben spuckte, und der zuletzt ein unglückselig Ende fand,<lb/>
da er in mitternächtiger Stunde vom Trunk aus tiefer Quelle heimkehrend seinen<lb/>
Überzieher an dem Türhaken aufzuhängen und sich ins Bett zu legen beabsichtigte,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0338] Briefe aus Trebeldorf Damit er aber nun nicht dem Größenwahn verfalle und sich einbilde, seine Zugehörigkeit zu unserem Klub bedeute für uns ohne weiteres eine nie geahnte Ehre, so möge er beweisen, ob er in Wahrheit der Auszeichnung, einer so er¬ lauchten Gesellschaft anzugehören, für würdig befunden werden kann. Er möge darum in aller Selbstlosigkeit und Unerschrockenheit die fünf Proben ablegen, die nach Paragraph acht unserer ungeschriebenen Statuten von ihm gefordert werden müssen: Zum ersten möge er beherzt in sein Portemonnaie hinabsteigen und allhier Zu unser aller herzlicher Ergötzung einen blanken Taler auf den Tisch opfern als Kaufpreis für seinen Eintritt, den der liebe Gott segne. Zum andern möge er abermals in seine strotzende Tasche greifen und den zweiten Taler spenden als Mitgliedsbeitrag für ein Jahr im voraus. Zum dritten möge er nach üblichen Aufnahmebrauch den versammelten Brüdern zu leiblicher Erquickung ein Fäßchen echten Trebeldorfer Bieres stiften. Will ers dem Wirt schuldig bleiben, so soll ihm das aus unser aller Gnaden gestattet sein. Zum vierten möge er seinen besonderen Befähigungsnachweis dadurch erbringen, daß er zwei Pfeifenköpfe hintereinander ausraucht und dazu vier halbe Liter Bieres durch seinen Kanal schüttet, ohne daß ihm vom einen oder vom anderen übel wird, und zum fünften möge er zu aller Nutz und Labung eine gute Geschichte erzählen. Hat er alle diese Aufgaben mit Kraft, Bereitwilligkeit und Geschick gelöst, so mag er hinfort gleich uns die rote Troddelmütze tragen, zuvörderst noch in dem Armsünderbewußtsein, daß er gar viel noch an sich selbst wird zu wirken und zu schaffen haben, um allgemach uns immer ähnlicher und allen körperlichen und geistigen Ansprüchen gerecht zu werden, die unser erlauchter Orden an alle seine Brüder zu stellen verpflichtet ist." „Es geschehe!" murmelte bewegt der Chor der Pipenbrüder. Seine Korpulenz setzte sich. Wieder sank er langsam in die Tiefe hinab, und in gleichem Maße quoll neben ihm der Herr Vorsteher aus seinem Tal zum Lichte empor. Donnerwetternochmal!-- Ich habe mich trotz anfänglicher Besorgnis ritterlich durchgepaukt. Nur nor der Geschichte war mir ein wenig bange. Zunächst dachte ich an Janos. Dann aber schien es mir gewählter zu erzählen von dem Urenkel des heiligen Konfuzius, der eines Morgens bei der Toilette ein kleines Büschel ausgekämmter Haare zum Fenster hinauswerfen und in den Spucknapf räuspern wollte, dafür jedoch das Büschel in den Napf warf und zum Fenster hinaus dem gerade vorbei wandernden Kardinal auf den rot geschwollenen Nasenkolben spuckte, und der zuletzt ein unglückselig Ende fand, da er in mitternächtiger Stunde vom Trunk aus tiefer Quelle heimkehrend seinen Überzieher an dem Türhaken aufzuhängen und sich ins Bett zu legen beabsichtigte,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/338
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/338>, abgerufen am 25.08.2024.