Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Verstaatlichung des Grund und Bodens des Kredits der erwähnten Verbände nicht zu gering anschlagen darf. Sollte Welchen Umschwung in den ganzen wirtschaftlichen Verhältnissen die Durch¬ 17*
Verstaatlichung des Grund und Bodens des Kredits der erwähnten Verbände nicht zu gering anschlagen darf. Sollte Welchen Umschwung in den ganzen wirtschaftlichen Verhältnissen die Durch¬ 17*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325133"/> <fw type="header" place="top"> Verstaatlichung des Grund und Bodens</fw><lb/> <p xml:id="ID_1069" prev="#ID_1068"> des Kredits der erwähnten Verbände nicht zu gering anschlagen darf. Sollte<lb/> die so in die Wege geleitete Verstaatlichung des Grund und Bodens nur<lb/> langsam vor sich gehen, so wäre auch ein solcher Fortschritt mit Freude<lb/> zu begrüßen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1070" next="#ID_1071"> Welchen Umschwung in den ganzen wirtschaftlichen Verhältnissen die Durch¬<lb/> führung der empfohlenen Maßregel mit sich bringen wird, das läßt sich schwer<lb/> ermessen. In diesem Zusammenhang erhebt sich zunächst die Frage, wie der<lb/> heimfallende Grundbesitz zweckmäßig zu verwenden ist. Ihn völlig dem privat-<lb/> wirtschaftlichen Betriebe zu entziehen, davon kann offenbar nicht die Rede sein.<lb/> Immerhin läßt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, daß das Reich, die<lb/> Staaten und die Gemeinden zu einer beträchtlichen Vermehrung ihres Grund¬<lb/> besitzes werden schreiten müssen, wenn sie die unifassenden Aufgaben erfüllen<lb/> wollen, die die Gegenwart und eine nahe Zukunft ihnen stellt. Das von<lb/> Adolf Wagner aufgestellte Gesetz von der fortschreitenden Ausdehnung der<lb/> Staatstätigkeiten gilt nicht für den Staat allein, sondern auch für die Ge¬<lb/> meinde und andere Gemeinschaften. Der naheliegende Gedanke, daß eine Ver¬<lb/> einigung von Kräften jedem einzelnen zugute kommt, bringt sich fast auf allen<lb/> Gebieten des Lebens, insbesondere auf dem der Erwerbstätigkeit, zu immer<lb/> stärkerer Geltung. Er zeigt sich nun zwar in manchen Gebilden wirtschaftlicher<lb/> Natur auch von der häßlichen Seite, der einzelne kann mehr, wie gut ist, für<lb/> ein rücksichts- und rechtloses Verhalten hinter der Gemeinschaft Deckung suchen.<lb/> Auch hat sich der Gegensatz zwischen dem wachsenden Reichtum, dem Wohlleben<lb/> und der Verschwendung einer kleinen Minderheit und der Not der großen<lb/> Mehrheit der Bevölkerung in diesen Jahrzehnten wirtschaftlichen Aufschwunges<lb/> entschieden vergrößert und verschärft. Das Zeitalter des Verkehrs und der<lb/> Maschinen ist aber ebenso unverkennbar auch bemüht, die Wunden zu heilen,<lb/> die es geschlagen hat. Der große Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit<lb/> und tätigen Nächstenliebe ist, nicht etwa nur eine sittliche, religiöse<lb/> und volkswirtschaftliche Forderung geblieben, sondern er ist in einer Reihe<lb/> von wohltätigen Gesetzen zur Tat geworden und er wirkt beständig fort.<lb/> Die Weltanschauung unserer Zeit hat sich unter dem Einfluß dieses Gemein¬<lb/> schaftsgedankens geändert. Während es vor einem Menschenalter natürlich<lb/> erschien, daß die Frau und Kinder eines Arbeiters, der von einer Maschine<lb/> verletzt oder zermalmt wurde, dem Elend der Armenpflege preisgegeben wurden,<lb/> da es einmal nicht anders sein könne, ist man jetzt zu besserer Einsicht gelangt.<lb/> Man hat erkannt, daß es anders sein kann und muß. Mit der Erkenntnis<lb/> zeigte sich auch der Weg, der einzuschlagen war. Er ist auf diesem, wie auf<lb/> verwandten Gebieten mit bestem Erfolg beschritten. Man hat die große soziale<lb/> Versicherungsgesetzgebung und im Anschluß daran Einrichtungen und Anstalten<lb/> geschaffen, wie sie in solchem Umfang ganz unbekannt waren, Krankenhäuser,<lb/> Genesungs-, Alters-, Erholungsheime, die zuweilen ganze Ortschaften bilden.<lb/> Fast keine Woche vergeht, ohne daß die Errichtung neuer umfangreicher, menschen-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 17*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0263]
Verstaatlichung des Grund und Bodens
des Kredits der erwähnten Verbände nicht zu gering anschlagen darf. Sollte
die so in die Wege geleitete Verstaatlichung des Grund und Bodens nur
langsam vor sich gehen, so wäre auch ein solcher Fortschritt mit Freude
zu begrüßen.
Welchen Umschwung in den ganzen wirtschaftlichen Verhältnissen die Durch¬
führung der empfohlenen Maßregel mit sich bringen wird, das läßt sich schwer
ermessen. In diesem Zusammenhang erhebt sich zunächst die Frage, wie der
heimfallende Grundbesitz zweckmäßig zu verwenden ist. Ihn völlig dem privat-
wirtschaftlichen Betriebe zu entziehen, davon kann offenbar nicht die Rede sein.
Immerhin läßt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, daß das Reich, die
Staaten und die Gemeinden zu einer beträchtlichen Vermehrung ihres Grund¬
besitzes werden schreiten müssen, wenn sie die unifassenden Aufgaben erfüllen
wollen, die die Gegenwart und eine nahe Zukunft ihnen stellt. Das von
Adolf Wagner aufgestellte Gesetz von der fortschreitenden Ausdehnung der
Staatstätigkeiten gilt nicht für den Staat allein, sondern auch für die Ge¬
meinde und andere Gemeinschaften. Der naheliegende Gedanke, daß eine Ver¬
einigung von Kräften jedem einzelnen zugute kommt, bringt sich fast auf allen
Gebieten des Lebens, insbesondere auf dem der Erwerbstätigkeit, zu immer
stärkerer Geltung. Er zeigt sich nun zwar in manchen Gebilden wirtschaftlicher
Natur auch von der häßlichen Seite, der einzelne kann mehr, wie gut ist, für
ein rücksichts- und rechtloses Verhalten hinter der Gemeinschaft Deckung suchen.
Auch hat sich der Gegensatz zwischen dem wachsenden Reichtum, dem Wohlleben
und der Verschwendung einer kleinen Minderheit und der Not der großen
Mehrheit der Bevölkerung in diesen Jahrzehnten wirtschaftlichen Aufschwunges
entschieden vergrößert und verschärft. Das Zeitalter des Verkehrs und der
Maschinen ist aber ebenso unverkennbar auch bemüht, die Wunden zu heilen,
die es geschlagen hat. Der große Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit
und tätigen Nächstenliebe ist, nicht etwa nur eine sittliche, religiöse
und volkswirtschaftliche Forderung geblieben, sondern er ist in einer Reihe
von wohltätigen Gesetzen zur Tat geworden und er wirkt beständig fort.
Die Weltanschauung unserer Zeit hat sich unter dem Einfluß dieses Gemein¬
schaftsgedankens geändert. Während es vor einem Menschenalter natürlich
erschien, daß die Frau und Kinder eines Arbeiters, der von einer Maschine
verletzt oder zermalmt wurde, dem Elend der Armenpflege preisgegeben wurden,
da es einmal nicht anders sein könne, ist man jetzt zu besserer Einsicht gelangt.
Man hat erkannt, daß es anders sein kann und muß. Mit der Erkenntnis
zeigte sich auch der Weg, der einzuschlagen war. Er ist auf diesem, wie auf
verwandten Gebieten mit bestem Erfolg beschritten. Man hat die große soziale
Versicherungsgesetzgebung und im Anschluß daran Einrichtungen und Anstalten
geschaffen, wie sie in solchem Umfang ganz unbekannt waren, Krankenhäuser,
Genesungs-, Alters-, Erholungsheime, die zuweilen ganze Ortschaften bilden.
Fast keine Woche vergeht, ohne daß die Errichtung neuer umfangreicher, menschen-
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