Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Handle oder stirb I

in Aussicht gestellt, daß die Steuer eine hohe Belastung der Betriebe herbei¬
führen würde. Eine Belastung der Betriebe durch Geldentziehung
würde aber durch die Bodentaxe nicht eintreten. Terrainspekulationen von der
Art und Großartigkeit der Grunewaldkolonien würden ja vielleicht unterlassen
werden, wenn nicht Millionen dabei verdient würden, nachdem ein Millionen-
risiko getragen war. Aber auch derartige schöne und nützliche Anlagen könnten
geschaffen werden, obwohl solche Bodengewinne nicht mehr winkten. Die
Terraingesellschaften sind die Lehrmeister gewesen, an denen die schlafenden
Kommunen gelernt haben. Durch den machtvollen Drang der Verhältnisse sind
sie aber aufgerüttelt, sie müssen jetzt selbst Wälder und Wiesen der Umgebung kaufen,
Bebauungspläne aufstellen, Trockenlegungen, Kanalisationen, Beleuchtungs- und
Wasseranlagen einrichten und sie sind mit ihren heutigen technischen Kräften
dazu befähigt. Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege müssen sie weite
Landstrecken unbebaut erhalten, andere auch in Rücksicht auf die reichen und
wohlhabenden Eingesessenen im Villenstil bebauen, breite Zugangsstraßen an¬
legen usw., sie könnten also alle Aufgaben übernehmen, die bis jetzt von den
Terraingesellschaften übernommen waren. Soweit dabei wirklichen Luxus¬
zwecken gedient würde, könnten die Kommunen sich von den Ansiedlern die
Kosten der gemachten Aufwendungen in nicht drückenden Formen erstatten lassen
und dabei würden die Kommunen ohne Schaden, die Villenbesitzer aber erheblich
billiger davon kommen, als heute bei den von den gewinnsuchenden Terrain-
gesellschaften gestellten Bodenpreisen. Außerdem könnten bei wirklichem Bedürfnis
der Reichen nach einer Villenkolonie die Interessenten sich auch zusammentun
und mit gemeinsamen Mitteln von vornherein mit den Kommunen arbeiten.
Immer würden die großen Gewinne der Terrainspekulanten erspart, außer dem
"billigen" Grund und Boden würde nur die kulturell nötig werdende Arbeit bezahlt.

Die gewerbsmäßige Vermietungsspekulation, das ist die städtische Me-
liorations- und Ertragswirtschaft, würde einen Antrieb und keine
Lähmung erfahren. Diese Frage nach der psychischen Wirkung der Beeinflussung
nützlichen Unternehmungsgeistes ist ja mit in den Vordergrund zu stellen und
deswegen mag hier einmal aus ein Beispiel eingegangen werden. Schmoller
in seinem Grundriß Band 2 Seite 449 hat gewiß recht, wenn er für die
Pioniere der Bautätigkeit besondere Gewinnmöglichkeiten fordert, die der Größe
des Risikos des Geschäftes und dem Wagemut entsprechen. In dem von ihm
angeführten Beispiel haben unternehmende Leute ein Haus am Hausvoigteiplatz in
Berlin mit Erwerbs- und Baukosten für 2,2 Millionen Mark zu einem modernen
Kaufhaus umgebaut und dabei eine Million Gewinn gemacht, weil die Miet¬
ergebnisse nun ein Kapital von 3,2 Millionen Mark verzinsten. Wäre nun der
Preis des Grund und Bodens, der hier vielleicht mit einer Million Mark figuriert,
vor etwa fünfzig Jahren durch Einführung der Bodennormaltaxe auf dem da¬
maligen Marktpreis von etwa 200000 Mark festgelegt gewesen, so würden die
Unternehmer ein um 800000 Mark geringeres Risiko gehabt haben und, um


Handle oder stirb I

in Aussicht gestellt, daß die Steuer eine hohe Belastung der Betriebe herbei¬
führen würde. Eine Belastung der Betriebe durch Geldentziehung
würde aber durch die Bodentaxe nicht eintreten. Terrainspekulationen von der
Art und Großartigkeit der Grunewaldkolonien würden ja vielleicht unterlassen
werden, wenn nicht Millionen dabei verdient würden, nachdem ein Millionen-
risiko getragen war. Aber auch derartige schöne und nützliche Anlagen könnten
geschaffen werden, obwohl solche Bodengewinne nicht mehr winkten. Die
Terraingesellschaften sind die Lehrmeister gewesen, an denen die schlafenden
Kommunen gelernt haben. Durch den machtvollen Drang der Verhältnisse sind
sie aber aufgerüttelt, sie müssen jetzt selbst Wälder und Wiesen der Umgebung kaufen,
Bebauungspläne aufstellen, Trockenlegungen, Kanalisationen, Beleuchtungs- und
Wasseranlagen einrichten und sie sind mit ihren heutigen technischen Kräften
dazu befähigt. Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege müssen sie weite
Landstrecken unbebaut erhalten, andere auch in Rücksicht auf die reichen und
wohlhabenden Eingesessenen im Villenstil bebauen, breite Zugangsstraßen an¬
legen usw., sie könnten also alle Aufgaben übernehmen, die bis jetzt von den
Terraingesellschaften übernommen waren. Soweit dabei wirklichen Luxus¬
zwecken gedient würde, könnten die Kommunen sich von den Ansiedlern die
Kosten der gemachten Aufwendungen in nicht drückenden Formen erstatten lassen
und dabei würden die Kommunen ohne Schaden, die Villenbesitzer aber erheblich
billiger davon kommen, als heute bei den von den gewinnsuchenden Terrain-
gesellschaften gestellten Bodenpreisen. Außerdem könnten bei wirklichem Bedürfnis
der Reichen nach einer Villenkolonie die Interessenten sich auch zusammentun
und mit gemeinsamen Mitteln von vornherein mit den Kommunen arbeiten.
Immer würden die großen Gewinne der Terrainspekulanten erspart, außer dem
„billigen" Grund und Boden würde nur die kulturell nötig werdende Arbeit bezahlt.

Die gewerbsmäßige Vermietungsspekulation, das ist die städtische Me-
liorations- und Ertragswirtschaft, würde einen Antrieb und keine
Lähmung erfahren. Diese Frage nach der psychischen Wirkung der Beeinflussung
nützlichen Unternehmungsgeistes ist ja mit in den Vordergrund zu stellen und
deswegen mag hier einmal aus ein Beispiel eingegangen werden. Schmoller
in seinem Grundriß Band 2 Seite 449 hat gewiß recht, wenn er für die
Pioniere der Bautätigkeit besondere Gewinnmöglichkeiten fordert, die der Größe
des Risikos des Geschäftes und dem Wagemut entsprechen. In dem von ihm
angeführten Beispiel haben unternehmende Leute ein Haus am Hausvoigteiplatz in
Berlin mit Erwerbs- und Baukosten für 2,2 Millionen Mark zu einem modernen
Kaufhaus umgebaut und dabei eine Million Gewinn gemacht, weil die Miet¬
ergebnisse nun ein Kapital von 3,2 Millionen Mark verzinsten. Wäre nun der
Preis des Grund und Bodens, der hier vielleicht mit einer Million Mark figuriert,
vor etwa fünfzig Jahren durch Einführung der Bodennormaltaxe auf dem da¬
maligen Marktpreis von etwa 200000 Mark festgelegt gewesen, so würden die
Unternehmer ein um 800000 Mark geringeres Risiko gehabt haben und, um


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324893"/>
          <fw type="header" place="top"> Handle oder stirb I</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_41" prev="#ID_40"> in Aussicht gestellt, daß die Steuer eine hohe Belastung der Betriebe herbei¬<lb/>
führen würde. Eine Belastung der Betriebe durch Geldentziehung<lb/>
würde aber durch die Bodentaxe nicht eintreten. Terrainspekulationen von der<lb/>
Art und Großartigkeit der Grunewaldkolonien würden ja vielleicht unterlassen<lb/>
werden, wenn nicht Millionen dabei verdient würden, nachdem ein Millionen-<lb/>
risiko getragen war. Aber auch derartige schöne und nützliche Anlagen könnten<lb/>
geschaffen werden, obwohl solche Bodengewinne nicht mehr winkten. Die<lb/>
Terraingesellschaften sind die Lehrmeister gewesen, an denen die schlafenden<lb/>
Kommunen gelernt haben. Durch den machtvollen Drang der Verhältnisse sind<lb/>
sie aber aufgerüttelt, sie müssen jetzt selbst Wälder und Wiesen der Umgebung kaufen,<lb/>
Bebauungspläne aufstellen, Trockenlegungen, Kanalisationen, Beleuchtungs- und<lb/>
Wasseranlagen einrichten und sie sind mit ihren heutigen technischen Kräften<lb/>
dazu befähigt. Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege müssen sie weite<lb/>
Landstrecken unbebaut erhalten, andere auch in Rücksicht auf die reichen und<lb/>
wohlhabenden Eingesessenen im Villenstil bebauen, breite Zugangsstraßen an¬<lb/>
legen usw., sie könnten also alle Aufgaben übernehmen, die bis jetzt von den<lb/>
Terraingesellschaften übernommen waren. Soweit dabei wirklichen Luxus¬<lb/>
zwecken gedient würde, könnten die Kommunen sich von den Ansiedlern die<lb/>
Kosten der gemachten Aufwendungen in nicht drückenden Formen erstatten lassen<lb/>
und dabei würden die Kommunen ohne Schaden, die Villenbesitzer aber erheblich<lb/>
billiger davon kommen, als heute bei den von den gewinnsuchenden Terrain-<lb/>
gesellschaften gestellten Bodenpreisen. Außerdem könnten bei wirklichem Bedürfnis<lb/>
der Reichen nach einer Villenkolonie die Interessenten sich auch zusammentun<lb/>
und mit gemeinsamen Mitteln von vornherein mit den Kommunen arbeiten.<lb/>
Immer würden die großen Gewinne der Terrainspekulanten erspart, außer dem<lb/>
&#x201E;billigen" Grund und Boden würde nur die kulturell nötig werdende Arbeit bezahlt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_42" next="#ID_43"> Die gewerbsmäßige Vermietungsspekulation, das ist die städtische Me-<lb/>
liorations- und Ertragswirtschaft, würde einen Antrieb und keine<lb/>
Lähmung erfahren. Diese Frage nach der psychischen Wirkung der Beeinflussung<lb/>
nützlichen Unternehmungsgeistes ist ja mit in den Vordergrund zu stellen und<lb/>
deswegen mag hier einmal aus ein Beispiel eingegangen werden. Schmoller<lb/>
in seinem Grundriß Band 2 Seite 449 hat gewiß recht, wenn er für die<lb/>
Pioniere der Bautätigkeit besondere Gewinnmöglichkeiten fordert, die der Größe<lb/>
des Risikos des Geschäftes und dem Wagemut entsprechen. In dem von ihm<lb/>
angeführten Beispiel haben unternehmende Leute ein Haus am Hausvoigteiplatz in<lb/>
Berlin mit Erwerbs- und Baukosten für 2,2 Millionen Mark zu einem modernen<lb/>
Kaufhaus umgebaut und dabei eine Million Gewinn gemacht, weil die Miet¬<lb/>
ergebnisse nun ein Kapital von 3,2 Millionen Mark verzinsten. Wäre nun der<lb/>
Preis des Grund und Bodens, der hier vielleicht mit einer Million Mark figuriert,<lb/>
vor etwa fünfzig Jahren durch Einführung der Bodennormaltaxe auf dem da¬<lb/>
maligen Marktpreis von etwa 200000 Mark festgelegt gewesen, so würden die<lb/>
Unternehmer ein um 800000 Mark geringeres Risiko gehabt haben und, um</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Handle oder stirb I in Aussicht gestellt, daß die Steuer eine hohe Belastung der Betriebe herbei¬ führen würde. Eine Belastung der Betriebe durch Geldentziehung würde aber durch die Bodentaxe nicht eintreten. Terrainspekulationen von der Art und Großartigkeit der Grunewaldkolonien würden ja vielleicht unterlassen werden, wenn nicht Millionen dabei verdient würden, nachdem ein Millionen- risiko getragen war. Aber auch derartige schöne und nützliche Anlagen könnten geschaffen werden, obwohl solche Bodengewinne nicht mehr winkten. Die Terraingesellschaften sind die Lehrmeister gewesen, an denen die schlafenden Kommunen gelernt haben. Durch den machtvollen Drang der Verhältnisse sind sie aber aufgerüttelt, sie müssen jetzt selbst Wälder und Wiesen der Umgebung kaufen, Bebauungspläne aufstellen, Trockenlegungen, Kanalisationen, Beleuchtungs- und Wasseranlagen einrichten und sie sind mit ihren heutigen technischen Kräften dazu befähigt. Im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege müssen sie weite Landstrecken unbebaut erhalten, andere auch in Rücksicht auf die reichen und wohlhabenden Eingesessenen im Villenstil bebauen, breite Zugangsstraßen an¬ legen usw., sie könnten also alle Aufgaben übernehmen, die bis jetzt von den Terraingesellschaften übernommen waren. Soweit dabei wirklichen Luxus¬ zwecken gedient würde, könnten die Kommunen sich von den Ansiedlern die Kosten der gemachten Aufwendungen in nicht drückenden Formen erstatten lassen und dabei würden die Kommunen ohne Schaden, die Villenbesitzer aber erheblich billiger davon kommen, als heute bei den von den gewinnsuchenden Terrain- gesellschaften gestellten Bodenpreisen. Außerdem könnten bei wirklichem Bedürfnis der Reichen nach einer Villenkolonie die Interessenten sich auch zusammentun und mit gemeinsamen Mitteln von vornherein mit den Kommunen arbeiten. Immer würden die großen Gewinne der Terrainspekulanten erspart, außer dem „billigen" Grund und Boden würde nur die kulturell nötig werdende Arbeit bezahlt. Die gewerbsmäßige Vermietungsspekulation, das ist die städtische Me- liorations- und Ertragswirtschaft, würde einen Antrieb und keine Lähmung erfahren. Diese Frage nach der psychischen Wirkung der Beeinflussung nützlichen Unternehmungsgeistes ist ja mit in den Vordergrund zu stellen und deswegen mag hier einmal aus ein Beispiel eingegangen werden. Schmoller in seinem Grundriß Band 2 Seite 449 hat gewiß recht, wenn er für die Pioniere der Bautätigkeit besondere Gewinnmöglichkeiten fordert, die der Größe des Risikos des Geschäftes und dem Wagemut entsprechen. In dem von ihm angeführten Beispiel haben unternehmende Leute ein Haus am Hausvoigteiplatz in Berlin mit Erwerbs- und Baukosten für 2,2 Millionen Mark zu einem modernen Kaufhaus umgebaut und dabei eine Million Gewinn gemacht, weil die Miet¬ ergebnisse nun ein Kapital von 3,2 Millionen Mark verzinsten. Wäre nun der Preis des Grund und Bodens, der hier vielleicht mit einer Million Mark figuriert, vor etwa fünfzig Jahren durch Einführung der Bodennormaltaxe auf dem da¬ maligen Marktpreis von etwa 200000 Mark festgelegt gewesen, so würden die Unternehmer ein um 800000 Mark geringeres Risiko gehabt haben und, um

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/23>, abgerufen am 04.07.2024.