Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Max Dreyer Dr. Gsrvald Meyer- von urch den zarten Septembernebel bricht die Sonne. Landwärts Max Dreyer, dessen funfzigsten Geburtstag die Schar seiner Freunde Als vor mehr denn einem Jahrzehnt Dreyers rüstige, hoffnungsvolle Ohne diese seine eigene Erde, auf der er Wurzel schlug, ist Max Dreyer Auch er mußte den Weg zu sich selber finden. Die achtziger Jahre, diese Max Dreyer Dr. Gsrvald Meyer- von urch den zarten Septembernebel bricht die Sonne. Landwärts Max Dreyer, dessen funfzigsten Geburtstag die Schar seiner Freunde Als vor mehr denn einem Jahrzehnt Dreyers rüstige, hoffnungsvolle Ohne diese seine eigene Erde, auf der er Wurzel schlug, ist Max Dreyer Auch er mußte den Weg zu sich selber finden. Die achtziger Jahre, diese <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0098" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322499"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_322400/figures/grenzboten_341895_322400_322499_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Max Dreyer<lb/><note type="byline"> Dr. Gsrvald Meyer-</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_408"> urch den zarten Septembernebel bricht die Sonne. Landwärts<lb/> ziehen die verdampfenden Schwaden, aufgesogen von dem mütter¬<lb/> lichen Licht, und geben die Erde frei, da reckt sich in die klar<lb/> gewordene, reine, ruhevolle und doch so hoffnungsreiche Luft, ein<lb/> Haus auf der Höhe. Es blickt aufs Meer, das sich von seinen<lb/> Schleiern befreit hat und leise rauscht. „Und seine Haltung ist so, daß man<lb/> ihm die Liebe zum Meere ansieht, so freudig gehoben blickt es auf die Flut<lb/> und immer nur auf die Flut." Vor dem Hause aber steht ein Mann, schlank<lb/> und rüstig, die grüne Spessartmütze auf dem vollen, blonden Haar, eine Baum¬<lb/> schere in der Hand, und sein Auge wechselt zwischen innig sorgender, handfester<lb/> Liebe, die seinen Bäumen, seinen Beeten gilt, und dem freien, hingegebenen,<lb/> klaren Schauen in die Weite.</p><lb/> <p xml:id="ID_409"> Max Dreyer, dessen funfzigsten Geburtstag die Schar seiner Freunde<lb/> und Verehrer feiern wollte, steht hier auf eigener Erde und feiert seine eigene<lb/> Feier, da er fern von den Menschen seiner Erde und seinem Meere nahe ist<lb/> und das freie Sichversenken und Schauen hat, ungehemmt von den Giebeln<lb/> der Großstadt, von der Liebe und Betriebsamkeit der Menschen. Auf eigenem<lb/> Weg hat er die eigene Erde sich erobert.</p><lb/> <p xml:id="ID_410"> Als vor mehr denn einem Jahrzehnt Dreyers rüstige, hoffnungsvolle<lb/> Energie daranging, aus dem zerklüfteten Lehmboden, auf dem sich Wind und<lb/> Wetter ein Stelldichein gaben, sein Haus zu bauen und Kulturland zu schaffen,<lb/> ward er von allen Ansässigen und Kennern des Landes gewarnt. Er hörte<lb/> nicht und tat nach seinem Willen. Und heute ist sein Land der schönen Insel<lb/> gesegnetster Fleck Erde.</p><lb/> <p xml:id="ID_411"> Ohne diese seine eigene Erde, auf der er Wurzel schlug, ist Max Dreyer<lb/> nicht mehr zu denken. Auf diesem harten Boden, der Winde Spielplatz, zu<lb/> dem seine Wesensart so trefflich paßt, hat alles Reine und Beste in ihm sich<lb/> geklärt. Hier hat er, der Gesellschaftsflüchtige, seine fromme Einsamkeit gefunden.<lb/> Und hier nur konnte er zur Höhe seines Schaffens kommen. Hier nur sein<lb/> tiefstes und innerlichstes Werk: „Auf eigener Erde" schaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_412" next="#ID_413"> Auch er mußte den Weg zu sich selber finden. Die achtziger Jahre, diese<lb/> Sturm- und Drangperiode der neuen deutschen Literatur, trug auch Max Dreyer<lb/> auf ihren Wogen. Ibsens überragendes Genie — der Naturalismus — die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
[Abbildung]
Max Dreyer
Dr. Gsrvald Meyer- von
urch den zarten Septembernebel bricht die Sonne. Landwärts
ziehen die verdampfenden Schwaden, aufgesogen von dem mütter¬
lichen Licht, und geben die Erde frei, da reckt sich in die klar
gewordene, reine, ruhevolle und doch so hoffnungsreiche Luft, ein
Haus auf der Höhe. Es blickt aufs Meer, das sich von seinen
Schleiern befreit hat und leise rauscht. „Und seine Haltung ist so, daß man
ihm die Liebe zum Meere ansieht, so freudig gehoben blickt es auf die Flut
und immer nur auf die Flut." Vor dem Hause aber steht ein Mann, schlank
und rüstig, die grüne Spessartmütze auf dem vollen, blonden Haar, eine Baum¬
schere in der Hand, und sein Auge wechselt zwischen innig sorgender, handfester
Liebe, die seinen Bäumen, seinen Beeten gilt, und dem freien, hingegebenen,
klaren Schauen in die Weite.
Max Dreyer, dessen funfzigsten Geburtstag die Schar seiner Freunde
und Verehrer feiern wollte, steht hier auf eigener Erde und feiert seine eigene
Feier, da er fern von den Menschen seiner Erde und seinem Meere nahe ist
und das freie Sichversenken und Schauen hat, ungehemmt von den Giebeln
der Großstadt, von der Liebe und Betriebsamkeit der Menschen. Auf eigenem
Weg hat er die eigene Erde sich erobert.
Als vor mehr denn einem Jahrzehnt Dreyers rüstige, hoffnungsvolle
Energie daranging, aus dem zerklüfteten Lehmboden, auf dem sich Wind und
Wetter ein Stelldichein gaben, sein Haus zu bauen und Kulturland zu schaffen,
ward er von allen Ansässigen und Kennern des Landes gewarnt. Er hörte
nicht und tat nach seinem Willen. Und heute ist sein Land der schönen Insel
gesegnetster Fleck Erde.
Ohne diese seine eigene Erde, auf der er Wurzel schlug, ist Max Dreyer
nicht mehr zu denken. Auf diesem harten Boden, der Winde Spielplatz, zu
dem seine Wesensart so trefflich paßt, hat alles Reine und Beste in ihm sich
geklärt. Hier hat er, der Gesellschaftsflüchtige, seine fromme Einsamkeit gefunden.
Und hier nur konnte er zur Höhe seines Schaffens kommen. Hier nur sein
tiefstes und innerlichstes Werk: „Auf eigener Erde" schaffen.
Auch er mußte den Weg zu sich selber finden. Die achtziger Jahre, diese
Sturm- und Drangperiode der neuen deutschen Literatur, trug auch Max Dreyer
auf ihren Wogen. Ibsens überragendes Genie — der Naturalismus — die
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