Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
1-stikun<jia Komam peräiitere

Hauptstamm der Gutsarbeiterschaft. Großzügig wäre es nun gewesen, ein und
dieselbe Feldmark in ihrem ganzen Umfange immer entweder dem Gutsbetriebe
oder dem bäuerlichen Betriebe zu widmen. Das tat man aber nicht, konnte
man auch vielleicht nicht tun, sondern man teilte jede Feldmark zwischen Herr¬
schaft und Bauerschaft und erhielt eine große Zahl lebensunfähiger, kleiner
(adliger) Dörfer, deren Gebäude dieselbe Ortslage mit den Gutsgebäuden hatten
und von deren Land sich eigentlich schon vorher sagen ließ, daß der Gutsherr
es zur Abrundung seiner Wirtschaft fast unbedingt brauchte. So haben denn
die Gutsherren in sehr vielen Fällen diese kleinen Bauern ausgekauft, und ich
wage zu behaupten, daß das nicht anders ging und daß das Verschwinden dieser
Zwerggemeinden auch kaum als ein dauernder, irreparabler Schade angesehen
werden kann. Auch erscheint es keineswegs ausgemacht, ob man heute mit
Recht die Deklaration von 181K verurteilt, welche die Regulierungsfähigkeit der
kleinen, nicht gespann-haltenden Bauerwirtschaften ausschloß. Wahrscheinlich hätten
sich diese isolierten Kleinbetriebe durch das vorige Jahrhundert hindurch noch
weniger gut gehalten, als die gespann-fähigen. Da aber immerhin eine Menge
Bauergüter bei diesem unglückseligen Übergang von der Feudal- zur Geldwirtschaft
verloren gegangen ist, so ist es heute unbedingt notwendig, sie zu ersetzen, und
zwar durch Parzellierung ganzer Rittergüter. Wenn ein halbes bis ganzes
Dutzend davon in den mit zu viel Rittergutsbesitz versehenen Kreisen in Bauer¬
land aufgeteilt sein wird, so werden wir leistungsfähige Gemeinden und eine
mindestens ebenso gute Besitzverteilung haben, als vor 1800. Die Kleinwirt¬
schaften sind aber zum Glück bei uns nach wie vor durchaus rentabel. Nur
die lokale Abrundung hat die Gutsherren veranlaßt und fast gezwungen, die
ihnen besonders günstig gelegenen zu erwerben, und diese Umlaufsbewegung kann
heute als im wesentlichen abgeschlossen angesehen werden.

Allerdings ist es Zeit, daß bei uns für innere Kolonisation mit allem
Nachdruck gesorgt wird. Sonst verpassen wir den richtigen Moment ebenso, wie
es die alten Römer und anscheinend auch die heutigen Engländer getan haben.
In Rom war die Getreidewirtschaft bereits im Verschwinden (seit 140 v. Chr.),
als die Gracchen mit ihren Plänen hervortraten (133 und 123). Als bedenk¬
liches Symptom kam hinzu, daß die gracchische Bewegung, die viel von der
heutigen sozialdemokratischen an sich hatte, von vornherein eine gewalttätige war
und sich gegen das Eigentum und den Reichtum richtete. Das mußte den
erbitterten Widerstand aller Besitzenden herausfordern. Aber überhaupt, so
großartig die Erfolge der Römer auf dem Gebiet der äußeren Kolonisation
gewesen sind, so wenig scheint das antike Staatswesen dem Problem einer inneren
Kolonisation gewachsen gewesen zu sein, dem wir heute im Begriff sind, langsam
und nach einer Reihe von Erfahrungen, die wir machen mußten, mit ganz
anderen Mitteln zu Leibe zu gehen. Mit der bloßen Aufteilung des kahlen
Grund und Bodens ist es eben nicht geschehen; der Leiter einer Aufteilung
entwirft heute einen Ansiedlungsplan, an Hand dessen die Parzellen erst wirt-


1-stikun<jia Komam peräiitere

Hauptstamm der Gutsarbeiterschaft. Großzügig wäre es nun gewesen, ein und
dieselbe Feldmark in ihrem ganzen Umfange immer entweder dem Gutsbetriebe
oder dem bäuerlichen Betriebe zu widmen. Das tat man aber nicht, konnte
man auch vielleicht nicht tun, sondern man teilte jede Feldmark zwischen Herr¬
schaft und Bauerschaft und erhielt eine große Zahl lebensunfähiger, kleiner
(adliger) Dörfer, deren Gebäude dieselbe Ortslage mit den Gutsgebäuden hatten
und von deren Land sich eigentlich schon vorher sagen ließ, daß der Gutsherr
es zur Abrundung seiner Wirtschaft fast unbedingt brauchte. So haben denn
die Gutsherren in sehr vielen Fällen diese kleinen Bauern ausgekauft, und ich
wage zu behaupten, daß das nicht anders ging und daß das Verschwinden dieser
Zwerggemeinden auch kaum als ein dauernder, irreparabler Schade angesehen
werden kann. Auch erscheint es keineswegs ausgemacht, ob man heute mit
Recht die Deklaration von 181K verurteilt, welche die Regulierungsfähigkeit der
kleinen, nicht gespann-haltenden Bauerwirtschaften ausschloß. Wahrscheinlich hätten
sich diese isolierten Kleinbetriebe durch das vorige Jahrhundert hindurch noch
weniger gut gehalten, als die gespann-fähigen. Da aber immerhin eine Menge
Bauergüter bei diesem unglückseligen Übergang von der Feudal- zur Geldwirtschaft
verloren gegangen ist, so ist es heute unbedingt notwendig, sie zu ersetzen, und
zwar durch Parzellierung ganzer Rittergüter. Wenn ein halbes bis ganzes
Dutzend davon in den mit zu viel Rittergutsbesitz versehenen Kreisen in Bauer¬
land aufgeteilt sein wird, so werden wir leistungsfähige Gemeinden und eine
mindestens ebenso gute Besitzverteilung haben, als vor 1800. Die Kleinwirt¬
schaften sind aber zum Glück bei uns nach wie vor durchaus rentabel. Nur
die lokale Abrundung hat die Gutsherren veranlaßt und fast gezwungen, die
ihnen besonders günstig gelegenen zu erwerben, und diese Umlaufsbewegung kann
heute als im wesentlichen abgeschlossen angesehen werden.

Allerdings ist es Zeit, daß bei uns für innere Kolonisation mit allem
Nachdruck gesorgt wird. Sonst verpassen wir den richtigen Moment ebenso, wie
es die alten Römer und anscheinend auch die heutigen Engländer getan haben.
In Rom war die Getreidewirtschaft bereits im Verschwinden (seit 140 v. Chr.),
als die Gracchen mit ihren Plänen hervortraten (133 und 123). Als bedenk¬
liches Symptom kam hinzu, daß die gracchische Bewegung, die viel von der
heutigen sozialdemokratischen an sich hatte, von vornherein eine gewalttätige war
und sich gegen das Eigentum und den Reichtum richtete. Das mußte den
erbitterten Widerstand aller Besitzenden herausfordern. Aber überhaupt, so
großartig die Erfolge der Römer auf dem Gebiet der äußeren Kolonisation
gewesen sind, so wenig scheint das antike Staatswesen dem Problem einer inneren
Kolonisation gewachsen gewesen zu sein, dem wir heute im Begriff sind, langsam
und nach einer Reihe von Erfahrungen, die wir machen mußten, mit ganz
anderen Mitteln zu Leibe zu gehen. Mit der bloßen Aufteilung des kahlen
Grund und Bodens ist es eben nicht geschehen; der Leiter einer Aufteilung
entwirft heute einen Ansiedlungsplan, an Hand dessen die Parzellen erst wirt-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322487"/>
          <fw type="header" place="top"> 1-stikun&lt;jia Komam peräiitere</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_315" prev="#ID_314"> Hauptstamm der Gutsarbeiterschaft. Großzügig wäre es nun gewesen, ein und<lb/>
dieselbe Feldmark in ihrem ganzen Umfange immer entweder dem Gutsbetriebe<lb/>
oder dem bäuerlichen Betriebe zu widmen. Das tat man aber nicht, konnte<lb/>
man auch vielleicht nicht tun, sondern man teilte jede Feldmark zwischen Herr¬<lb/>
schaft und Bauerschaft und erhielt eine große Zahl lebensunfähiger, kleiner<lb/>
(adliger) Dörfer, deren Gebäude dieselbe Ortslage mit den Gutsgebäuden hatten<lb/>
und von deren Land sich eigentlich schon vorher sagen ließ, daß der Gutsherr<lb/>
es zur Abrundung seiner Wirtschaft fast unbedingt brauchte. So haben denn<lb/>
die Gutsherren in sehr vielen Fällen diese kleinen Bauern ausgekauft, und ich<lb/>
wage zu behaupten, daß das nicht anders ging und daß das Verschwinden dieser<lb/>
Zwerggemeinden auch kaum als ein dauernder, irreparabler Schade angesehen<lb/>
werden kann. Auch erscheint es keineswegs ausgemacht, ob man heute mit<lb/>
Recht die Deklaration von 181K verurteilt, welche die Regulierungsfähigkeit der<lb/>
kleinen, nicht gespann-haltenden Bauerwirtschaften ausschloß. Wahrscheinlich hätten<lb/>
sich diese isolierten Kleinbetriebe durch das vorige Jahrhundert hindurch noch<lb/>
weniger gut gehalten, als die gespann-fähigen. Da aber immerhin eine Menge<lb/>
Bauergüter bei diesem unglückseligen Übergang von der Feudal- zur Geldwirtschaft<lb/>
verloren gegangen ist, so ist es heute unbedingt notwendig, sie zu ersetzen, und<lb/>
zwar durch Parzellierung ganzer Rittergüter. Wenn ein halbes bis ganzes<lb/>
Dutzend davon in den mit zu viel Rittergutsbesitz versehenen Kreisen in Bauer¬<lb/>
land aufgeteilt sein wird, so werden wir leistungsfähige Gemeinden und eine<lb/>
mindestens ebenso gute Besitzverteilung haben, als vor 1800. Die Kleinwirt¬<lb/>
schaften sind aber zum Glück bei uns nach wie vor durchaus rentabel. Nur<lb/>
die lokale Abrundung hat die Gutsherren veranlaßt und fast gezwungen, die<lb/>
ihnen besonders günstig gelegenen zu erwerben, und diese Umlaufsbewegung kann<lb/>
heute als im wesentlichen abgeschlossen angesehen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_316" next="#ID_317"> Allerdings ist es Zeit, daß bei uns für innere Kolonisation mit allem<lb/>
Nachdruck gesorgt wird. Sonst verpassen wir den richtigen Moment ebenso, wie<lb/>
es die alten Römer und anscheinend auch die heutigen Engländer getan haben.<lb/>
In Rom war die Getreidewirtschaft bereits im Verschwinden (seit 140 v. Chr.),<lb/>
als die Gracchen mit ihren Plänen hervortraten (133 und 123). Als bedenk¬<lb/>
liches Symptom kam hinzu, daß die gracchische Bewegung, die viel von der<lb/>
heutigen sozialdemokratischen an sich hatte, von vornherein eine gewalttätige war<lb/>
und sich gegen das Eigentum und den Reichtum richtete. Das mußte den<lb/>
erbitterten Widerstand aller Besitzenden herausfordern. Aber überhaupt, so<lb/>
großartig die Erfolge der Römer auf dem Gebiet der äußeren Kolonisation<lb/>
gewesen sind, so wenig scheint das antike Staatswesen dem Problem einer inneren<lb/>
Kolonisation gewachsen gewesen zu sein, dem wir heute im Begriff sind, langsam<lb/>
und nach einer Reihe von Erfahrungen, die wir machen mußten, mit ganz<lb/>
anderen Mitteln zu Leibe zu gehen. Mit der bloßen Aufteilung des kahlen<lb/>
Grund und Bodens ist es eben nicht geschehen; der Leiter einer Aufteilung<lb/>
entwirft heute einen Ansiedlungsplan, an Hand dessen die Parzellen erst wirt-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0086] 1-stikun<jia Komam peräiitere Hauptstamm der Gutsarbeiterschaft. Großzügig wäre es nun gewesen, ein und dieselbe Feldmark in ihrem ganzen Umfange immer entweder dem Gutsbetriebe oder dem bäuerlichen Betriebe zu widmen. Das tat man aber nicht, konnte man auch vielleicht nicht tun, sondern man teilte jede Feldmark zwischen Herr¬ schaft und Bauerschaft und erhielt eine große Zahl lebensunfähiger, kleiner (adliger) Dörfer, deren Gebäude dieselbe Ortslage mit den Gutsgebäuden hatten und von deren Land sich eigentlich schon vorher sagen ließ, daß der Gutsherr es zur Abrundung seiner Wirtschaft fast unbedingt brauchte. So haben denn die Gutsherren in sehr vielen Fällen diese kleinen Bauern ausgekauft, und ich wage zu behaupten, daß das nicht anders ging und daß das Verschwinden dieser Zwerggemeinden auch kaum als ein dauernder, irreparabler Schade angesehen werden kann. Auch erscheint es keineswegs ausgemacht, ob man heute mit Recht die Deklaration von 181K verurteilt, welche die Regulierungsfähigkeit der kleinen, nicht gespann-haltenden Bauerwirtschaften ausschloß. Wahrscheinlich hätten sich diese isolierten Kleinbetriebe durch das vorige Jahrhundert hindurch noch weniger gut gehalten, als die gespann-fähigen. Da aber immerhin eine Menge Bauergüter bei diesem unglückseligen Übergang von der Feudal- zur Geldwirtschaft verloren gegangen ist, so ist es heute unbedingt notwendig, sie zu ersetzen, und zwar durch Parzellierung ganzer Rittergüter. Wenn ein halbes bis ganzes Dutzend davon in den mit zu viel Rittergutsbesitz versehenen Kreisen in Bauer¬ land aufgeteilt sein wird, so werden wir leistungsfähige Gemeinden und eine mindestens ebenso gute Besitzverteilung haben, als vor 1800. Die Kleinwirt¬ schaften sind aber zum Glück bei uns nach wie vor durchaus rentabel. Nur die lokale Abrundung hat die Gutsherren veranlaßt und fast gezwungen, die ihnen besonders günstig gelegenen zu erwerben, und diese Umlaufsbewegung kann heute als im wesentlichen abgeschlossen angesehen werden. Allerdings ist es Zeit, daß bei uns für innere Kolonisation mit allem Nachdruck gesorgt wird. Sonst verpassen wir den richtigen Moment ebenso, wie es die alten Römer und anscheinend auch die heutigen Engländer getan haben. In Rom war die Getreidewirtschaft bereits im Verschwinden (seit 140 v. Chr.), als die Gracchen mit ihren Plänen hervortraten (133 und 123). Als bedenk¬ liches Symptom kam hinzu, daß die gracchische Bewegung, die viel von der heutigen sozialdemokratischen an sich hatte, von vornherein eine gewalttätige war und sich gegen das Eigentum und den Reichtum richtete. Das mußte den erbitterten Widerstand aller Besitzenden herausfordern. Aber überhaupt, so großartig die Erfolge der Römer auf dem Gebiet der äußeren Kolonisation gewesen sind, so wenig scheint das antike Staatswesen dem Problem einer inneren Kolonisation gewachsen gewesen zu sein, dem wir heute im Begriff sind, langsam und nach einer Reihe von Erfahrungen, die wir machen mußten, mit ganz anderen Mitteln zu Leibe zu gehen. Mit der bloßen Aufteilung des kahlen Grund und Bodens ist es eben nicht geschehen; der Leiter einer Aufteilung entwirft heute einen Ansiedlungsplan, an Hand dessen die Parzellen erst wirt-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/86
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/86>, abgerufen am 15.01.2025.