Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.t^tikundia Komam peräiäere Landflucht und Ausländerzufluß empfohlen wird, auf die innere Kolonisation. Aber doch sind die Verhältnisse des Altertums zu uuserem Glück grund¬ Grenzboten IV 1912 10
t^tikundia Komam peräiäere Landflucht und Ausländerzufluß empfohlen wird, auf die innere Kolonisation. Aber doch sind die Verhältnisse des Altertums zu uuserem Glück grund¬ Grenzboten IV 1912 10
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322486"/> <fw type="header" place="top"> t^tikundia Komam peräiäere</fw><lb/> <p xml:id="ID_313" prev="#ID_312"> Landflucht und Ausländerzufluß empfohlen wird, auf die innere Kolonisation.<lb/> Der pessimistische Historiker sagt uns, daß man es im alten Italien ja auch<lb/> bereits mit innerer Kolonisation versucht hat; daß es sich auch damals darum<lb/> handelte, den bodenständigen Landarbeiterstand zu erhalten und den kleinen<lb/> ländlichen Mittelstand zu vermehren; daß auch damals diese Bewegung teils<lb/> den Bauernauskäufen, teils dem Großstadtleben und der eigenartigen antiken<lb/> Industrialisierung entsprang: ja, daß selbst die normale Größe der Landlose<lb/> bei den alten Römern (30 Jugera 7^ Hektar) dieselbe war, als bei uns<lb/> (5 bis 15 Hektar). Er sagt uns weiter, daß sich damals Männer der höchsten<lb/> Aristokratie und von hoher Genialität, die Gracchen, an die Spitze der Bewegung<lb/> stellten und daß sie die in der Aufschwungsperiode in Rom zusammengelaufenen<lb/> Menschenmassen, die das erhoffte Glück nicht gefunden hatten und nun herum«<lb/> lungerten, wenigstens zum Teil wieder aufs Land zurückgeführt haben; daß<lb/> dann unter Sulla, Cäsar und Augustus ganze Legionen (insbesondere die Sieger<lb/> von Philippi) meist nicht-italischer Soldaten in Italien Landsitze erhielten. Und<lb/> daß alle diese Maßregeln ebensowenig der Entvölkerung Einhalt geboten haben,<lb/> wie die materiellen und Ehrenvorrechte der kinderreichen Frauen, die Augustus<lb/> einführte. Welch trostloser Ausblick!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_314" next="#ID_315"> Aber doch sind die Verhältnisse des Altertums zu uuserem Glück grund¬<lb/> verschieden von denen der Gegenwart. Ein einfacher Vergleich beweist dies:<lb/> Es wird heute niemandem einfallen, wie es in Italien geschah, alle Besitzungen<lb/> eines blühenden Großdorfes auszulaufen und an seiner Stelle einen Großbetrieb<lb/> zu eröffnen; er fände nie und nimmer dabei seine Rechnung, denn der Boden<lb/> ist bei uns noch nicht entwertet, der Bauer sitzt noch fest, und im Gegenteil<lb/> geht die Richtung der Zeit auf immer intensivere Ausgestaltung im Kleinen,<lb/> und es finden öffentliche und selbst rein private Landgesellschaften ihren Vorteil<lb/> darin, Güter zu parzellieren. Auch innerhalb der größeren Güter besteht bei<lb/> uns offenbar nicht die Tendenz zur Zusammenballung, sondern, von lokalen<lb/> Erscheinungen abgesehen, eher zum Auseinandergehen; sind doch seit 1871 in<lb/> meinem früheren landrätlichen Kreise durch Selbständigwerden von Gutsvorwerken<lb/> nicht weniger als vierundzwanzig neue Gutsbezirke entstanden, was sich einfach<lb/> durch Wertvermehrung beim Parzellieren erklärt. Das Vorhandensein aber dieser<lb/> Wertvermehrung ist das Entscheidende für die Tendenz unserer Entwicklung, die also<lb/> gerade das Gegenteil von derjenigen ist, die Plinius als für Rom<lb/> verderblich erklärt hat. Man darf sich nicht dadurch täuschen lassen, daß auch<lb/> bei uns ein namhafter Auflauf von Bauerngütern in den letzten hundertJahren statt¬<lb/> gefunden hat: es ist die Landeskulturgesetzgebung von 1807 bis 181L, mit deren<lb/> letzten Ausläufern wir es hierbei lediglich zu tun haben, keine eigentlich volks¬<lb/> wirtschaftliche Tendenz. Bis zu dieser Gesetzgebung lag Ritterguts- und Bauer¬<lb/> land im Gemenge derselben Feldmark, die Bauern waren gleichzeitig der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1912 10</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
t^tikundia Komam peräiäere
Landflucht und Ausländerzufluß empfohlen wird, auf die innere Kolonisation.
Der pessimistische Historiker sagt uns, daß man es im alten Italien ja auch
bereits mit innerer Kolonisation versucht hat; daß es sich auch damals darum
handelte, den bodenständigen Landarbeiterstand zu erhalten und den kleinen
ländlichen Mittelstand zu vermehren; daß auch damals diese Bewegung teils
den Bauernauskäufen, teils dem Großstadtleben und der eigenartigen antiken
Industrialisierung entsprang: ja, daß selbst die normale Größe der Landlose
bei den alten Römern (30 Jugera 7^ Hektar) dieselbe war, als bei uns
(5 bis 15 Hektar). Er sagt uns weiter, daß sich damals Männer der höchsten
Aristokratie und von hoher Genialität, die Gracchen, an die Spitze der Bewegung
stellten und daß sie die in der Aufschwungsperiode in Rom zusammengelaufenen
Menschenmassen, die das erhoffte Glück nicht gefunden hatten und nun herum«
lungerten, wenigstens zum Teil wieder aufs Land zurückgeführt haben; daß
dann unter Sulla, Cäsar und Augustus ganze Legionen (insbesondere die Sieger
von Philippi) meist nicht-italischer Soldaten in Italien Landsitze erhielten. Und
daß alle diese Maßregeln ebensowenig der Entvölkerung Einhalt geboten haben,
wie die materiellen und Ehrenvorrechte der kinderreichen Frauen, die Augustus
einführte. Welch trostloser Ausblick!
Aber doch sind die Verhältnisse des Altertums zu uuserem Glück grund¬
verschieden von denen der Gegenwart. Ein einfacher Vergleich beweist dies:
Es wird heute niemandem einfallen, wie es in Italien geschah, alle Besitzungen
eines blühenden Großdorfes auszulaufen und an seiner Stelle einen Großbetrieb
zu eröffnen; er fände nie und nimmer dabei seine Rechnung, denn der Boden
ist bei uns noch nicht entwertet, der Bauer sitzt noch fest, und im Gegenteil
geht die Richtung der Zeit auf immer intensivere Ausgestaltung im Kleinen,
und es finden öffentliche und selbst rein private Landgesellschaften ihren Vorteil
darin, Güter zu parzellieren. Auch innerhalb der größeren Güter besteht bei
uns offenbar nicht die Tendenz zur Zusammenballung, sondern, von lokalen
Erscheinungen abgesehen, eher zum Auseinandergehen; sind doch seit 1871 in
meinem früheren landrätlichen Kreise durch Selbständigwerden von Gutsvorwerken
nicht weniger als vierundzwanzig neue Gutsbezirke entstanden, was sich einfach
durch Wertvermehrung beim Parzellieren erklärt. Das Vorhandensein aber dieser
Wertvermehrung ist das Entscheidende für die Tendenz unserer Entwicklung, die also
gerade das Gegenteil von derjenigen ist, die Plinius als für Rom
verderblich erklärt hat. Man darf sich nicht dadurch täuschen lassen, daß auch
bei uns ein namhafter Auflauf von Bauerngütern in den letzten hundertJahren statt¬
gefunden hat: es ist die Landeskulturgesetzgebung von 1807 bis 181L, mit deren
letzten Ausläufern wir es hierbei lediglich zu tun haben, keine eigentlich volks¬
wirtschaftliche Tendenz. Bis zu dieser Gesetzgebung lag Ritterguts- und Bauer¬
land im Gemenge derselben Feldmark, die Bauern waren gleichzeitig der
Grenzboten IV 1912 10
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