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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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I^atikunäia Komam peräiäere
Goldber von Regierungsrat von

le Ähnlichkeit der römischen und der preußisch-deutschen Geschichte
hat schon oft Anlaß zu politischen Vergleichen gegeben. Im folgenden
wollen wir gewisse volkswirtschaftliche Analogien betrachten.

"Die ersten dreißig Jahre des zweiten Jahrhunderts v. Chr.
(Niederwerfung Karthagos in der Schlacht bei Zama 202 v. Chr.)
bildeten für Italien eine jener glücklichen Epochen, wo auch einer, der mit
wenig Kapital anfängt, ein Vermögen erwerben kann, weil Produktion und
Konsum mächtig und zu gleicher Zeit sich steigern, wo es Arbeit in Fülle und
mühelosem, reichen Verdienst gibt, wo sich leicht, schnell und in hohem Maße
die Ansammlung von Kapital vollzieht." (Guglielmo Ferrero: "Größe und
Niedergang Roms".) Auch Gründerjahre, wie bei uns nach dem französischen
Kriege, und Spekulationen in ländlichem und städtischen: Grundbesitz fehlten
nicht. Vor allem aber hob sich das eigentlich kaufmännische und überseeische
Geschäftsleben. Dieses stand in einem Zusammenhange mit dem Staat und
dem Staatsleben, wie er uns heute schwer verständlich ist. Infolge des
Fehlens jeder fest angestellten und besoldeten Beamtenschaft blieben überaus
viele Aufgaben, die wir heute als unbedingt staatliche ansehen, der Privat¬
unternehmung überlassen. Fiskalische Regieverwaltungen scheint es fast gar
nicht gegeben zu haben; selbst Steuerveranlagung und -erhebung (in den
Provinzen, Italien selbst wurde bald steuerfrei) spielte sich zum großen Teil
im Rahmen privater Unternehmung ab. Es soll damals in Rom so viele
Staatslieferanten und Lieferungsgesellschaften gegeben haben, daß man beinahe
sagen konnte, alle römischen Bürger hätten an diesem Geschäftszweige teil¬
genommen. Rom muß damals von einem Taumel nach Geld und Besitz
ergriffen gewesen sein. Man muß sich vor Augen halten, daß im Altertum
die Erschließung eines neuen Landes durch seine Eroberung vollkommen der
heutigen Erschließung durch die modernen Verkehrsmittel entsprach. Dem ein¬
dringenden römischen Heere folgte der römische Kaufmann auf dem Fuße; er
versorgte das Heer mit allem Nötigen, kaufte die Kriegsgefangenen als Sklaven
auf, erhandelte die Beute und übernahm gleich Pachtungen von Steuern,




I^atikunäia Komam peräiäere
Goldber von Regierungsrat von

le Ähnlichkeit der römischen und der preußisch-deutschen Geschichte
hat schon oft Anlaß zu politischen Vergleichen gegeben. Im folgenden
wollen wir gewisse volkswirtschaftliche Analogien betrachten.

„Die ersten dreißig Jahre des zweiten Jahrhunderts v. Chr.
(Niederwerfung Karthagos in der Schlacht bei Zama 202 v. Chr.)
bildeten für Italien eine jener glücklichen Epochen, wo auch einer, der mit
wenig Kapital anfängt, ein Vermögen erwerben kann, weil Produktion und
Konsum mächtig und zu gleicher Zeit sich steigern, wo es Arbeit in Fülle und
mühelosem, reichen Verdienst gibt, wo sich leicht, schnell und in hohem Maße
die Ansammlung von Kapital vollzieht." (Guglielmo Ferrero: „Größe und
Niedergang Roms".) Auch Gründerjahre, wie bei uns nach dem französischen
Kriege, und Spekulationen in ländlichem und städtischen: Grundbesitz fehlten
nicht. Vor allem aber hob sich das eigentlich kaufmännische und überseeische
Geschäftsleben. Dieses stand in einem Zusammenhange mit dem Staat und
dem Staatsleben, wie er uns heute schwer verständlich ist. Infolge des
Fehlens jeder fest angestellten und besoldeten Beamtenschaft blieben überaus
viele Aufgaben, die wir heute als unbedingt staatliche ansehen, der Privat¬
unternehmung überlassen. Fiskalische Regieverwaltungen scheint es fast gar
nicht gegeben zu haben; selbst Steuerveranlagung und -erhebung (in den
Provinzen, Italien selbst wurde bald steuerfrei) spielte sich zum großen Teil
im Rahmen privater Unternehmung ab. Es soll damals in Rom so viele
Staatslieferanten und Lieferungsgesellschaften gegeben haben, daß man beinahe
sagen konnte, alle römischen Bürger hätten an diesem Geschäftszweige teil¬
genommen. Rom muß damals von einem Taumel nach Geld und Besitz
ergriffen gewesen sein. Man muß sich vor Augen halten, daß im Altertum
die Erschließung eines neuen Landes durch seine Eroberung vollkommen der
heutigen Erschließung durch die modernen Verkehrsmittel entsprach. Dem ein¬
dringenden römischen Heere folgte der römische Kaufmann auf dem Fuße; er
versorgte das Heer mit allem Nötigen, kaufte die Kriegsgefangenen als Sklaven
auf, erhandelte die Beute und übernahm gleich Pachtungen von Steuern,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/78>, abgerufen am 15.01.2025.